Umbenennung der Hindenburgstraße und -brücke sowie Aberkennung der Ehrenbürgerschaft durch die Freie und Hansestadt Hamburg Antrag der Fraktion DIE LINKE
Letzte Beratung: 25.01.2024 Bezirksversammlung Ö 9.1
Die Übertragung einer Ehrenbürgerschaft sowie die Benennung von Verkehrsflächen (v. a. Straßen, Brücken oder Plätzen) nach Personen, erfolgt immer im Kontext des jeweiligen Zeitgeistes.
Seit 1917 (Übertragung der Ehrenbürgerschaft an Hindenburg) bzw. 1926 (Benennung einer Straße und Brücke nach Hindenburg) hat sich nicht nur der Zeitgeist der Stadtgesellschaft deutlich verändert, sondern auch die Erkenntnisse über die Geschichte und die historische Bewertung Paul von Hindenburgs. Viele Städte und Gemeinden benannten oder benennen Verkehrsflächen, die nach Hindenburg benannt sind oder waren, um und oder erkannten ihm die Ehrenbürgerschaft ab.
Folgerichtig hat in Hamburg-Nord die SPD 1988 den ersten Versuch unternommen, die Hindenburgstraße umzubenennen und 2013 die Grünen den zweiten (Drs.: 2373/13), welcher dem Antrag (Drs.: 2479/13) und Ergänzungsantrag (Drs.: 2486/13) jeweils von SPD und FDP bei der Abstimmung unterlag und lediglich zur teilweisen Umbenennung führte. Dass die Straße zurzeit zum größten Teil nach Hindenburg und zum deutlich kleineren und unbedeutenderen Teil nach Otto Wells benannt ist, lädt geradezu zur Fehldeutung und Missbrauch von Rechten ein und muss dringend geändert werden.
10 Jahre nach dem zweiten Versuch ist es an der Zeit, den ersten fragwürdigen Teilerfolg, die Umbenennung der Straße zu vollenden und ihm die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Der Militarist und überzeugter Monarchist war ein erklärter Gegner des Verhandlungsfriedens (Urheber der Dolchstoßlegende) und der Demokratie (Etablierung eines antidemokratischen Präsidialsystems unter Negierung der Mehrheitsverhältnisse) und ebnete damit völkischen und rechtsextremen Gruppierungen den Boden. Was am 30.01.1933 in der unnötigen Übertragung der Macht durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler endete. Dieter Hofmann legt in seinem 2019 erschienenen Buch den Beweggrund Hindenburgs dar, den von ihm bislang vehement abgelehnten Hitler die Macht zu übertragen (Dieter Hoffmann, 2019: Der Skandal: Hindenburgs Entscheidung für Hitler, Schriftenreihe Schichte & Frieden).
Er schildert, dass im Januar 1933 ein Untersuchungsausschuss begann sich mit Hinweisen aus der Presse (u. a. lanciert von Erich Ludendorff) auf betrügerische Machenschaften beim größten Subventionsprogramm der Weimarer Republik "Osthilfe" (1926-1937) zu befassen, dessen Urheber Hindenburg selbst war. Die Finanzhilfen erhielten hauptsächlich ostelbische Großgrundbesitzer, also auch Mitglieder seiner Familie, während das Volk unter den Lasten der Weltwirtschaftskriese und der hohen Arbeitslosigkeit litt. Der Untersuchungsausschuss stellte seine Arbeit wundersamerweise am 03.05.1933 ein (ebenda und
https://de.wikipedia.org/wiki/Osthilfe_(Deutsches_Reich)).
Wie zum dritten Mal dargelegt, ist eine Ehrung Paul von Hindenburgs durch die Benennung einer Straße nach ihm, weder mit einem demokratischen Grundverständnis im Allgemeinen noch mit Hamburgs Rolle in der Welt im Besonderen vereinbar. Denn in der Präambel der Hamburger Verfassung heißt es:
"Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein."
Es ist wäre also Folgerichtig, die restliche Hindenburgstraße nach einem Menschen zu benennen, der sich besonders um die Demokratie und oder den Frieden verdient gemacht hat. Damit ließe sich sicherstellen, dass die Geschichte forterzählt wird, nur aus einer anderen und zum Vorbild geeigneten Perspektive.
Als geeignete Person einen Gegenpunkt zu Paul von Hindenburg zu setzen, ist der Hamburger Wolfgang Borchert (1921-1947). Er wurde nicht nur mehrfach wegen Kritik am faschistischen Regime, wegen sogenannter Wehrkraftzersetzung, verurteilt und inhaftiert, sondern ist auch Verfasser des berühmten Heimkehrstücks: "Draußen vor der Tür" mit der pazifistischen Mahnung, "dann gibt es nur eins, sag nein!", die seit Jahrzehnten Bestandteil der bundesweiten Friedensbewegung ist. Als Heimkehrer aus dem Zweiten Weltkrieg, der ohne Hindenburgs Wirken wohl nicht stattgefunden hätte, steht er wie kein anderer für den Frieden. Damit wäre die Benennung einer prominenten Straße ein deutliches Zeichen, nicht nur für den Frieden, sondern vor allem für das Füllen der Präambel der Hamburger Verfassung mit Leben.
Durch eine geeignete Kontextualisierung soll mit Hinweistafeln auf den früheren Namen eingegangen, Gründe für dessen Umbenennung sowie Gründe für den oder die neuen Namensgeber*in aufgeführt werden.
Die Vorsitzende der Bezirksversammlung Hamburg-Nord wird gebeten,
DIE LINKE
Rachid Messaoudi, Dino Ramm, Keyvan Taheri, Angelika Traversin, Jonas Wagner
Keine
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