22-2026

MITTEinander: Maßnahmenpaket für Transparenz und Beteiligung (Antrag der GRÜNE-Fraktion)

Antrag öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
24.03.2022
20.01.2022
16.12.2021
18.11.2021
Ö 8.1
21.10.2021
16.09.2021
06.07.2021
17.06.2021
Sachverhalt

 

Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Demokratie beruht auf einer teilnehmenden Zivilgesellschaft, die chancengleich Möglichkeiten in öffentlichen Begegnungs- und Beteiligungsräumen wahrnimmt. Sie lebt daher von nachvollziehbaren und transparenten Entscheidungswegen. Für die offene, klar geregelte Auseinandersetzung wird Demokratie immer wieder durch Innovationen und zeitgerechte Formate unterstützt und getragen, in denen sich Menschen begegnen können, um Meinungen zu bündeln und an der öffentlichen Debatte teilzuhaben. Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft einbringen und repräsentiert sehen können. Demokratie braucht Zugänge und direkte Beteiligung, um unterschiedliche Perspektiven und Positionen zu vereinigen.

 

Um sich demokratisch engagieren sowie souverän und selbstbestimmt entscheiden zu können, braucht es die Möglichkeit zur unabhängigen und direkten Information. Transparenz beim Zugang zu öffentlichen Informationen sorgt für mehr Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle und stellt zugleich einen Schutz gegen demokratiefeindliche Kampagnen und Falschinformationen dar. Transparente Informationen stellen außerdem die Grundlage für jegliches Vertrauen in das Handeln von Politik und Verwaltung dar.

 

Vielfältige Demokratie bedeutet, dass wir als Gesellschaft unsere Lebensumstände mit Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten. Die beste Verteidigung der Demokratie ist ihre Weiterentwicklung und Optimierung. Es gilt, der lebensfernen Verknöcherung demokratischer Institutionen und Verfahren entgegenzuwirken, um die Demokratie lebendig zu halten. Einem Vertrauensverlust in demokratische Prozesse kann mit Offenheit für neue Beteiligungsmöglichkeiten begegnet werden. Es gilt stets sicherzustellen, dass die Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird.

 

Menschen, die sozial an den Rand gedrängt sind, die kaum Zugang zu guter Bildung haben, kein oder wenig deutsch verstehen oder sprechen oder die unter den Anstrengungen von prekärer Arbeit leben, sind häufig unterrepräsentiert in politischen Gremien und Prozessen. Ihre stärkere Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen ist wichtig für Zusammenhalt und Legitimation der Demokratie. Bei der Modernisierung und Stärkung unserer Beteiligungsprozesse sollen insbesondere Frauen, Kinder, Jugendliche und marginalisierte Gruppen gleichberechtigt beteiligt sein. Voraussetzung hierfür sind gerechte gesellschaftliche Strukturen und Maßnahmen der Antidiskriminierung in der Öffentlichkeitsbeteiligung.

 

Die Stadt Hamburg gibt hierfür insbesondere mit dem Transparenz- und dem Bezirksverwaltungsgesetz den Rahmen vor und schreibt beispielsweise die grundsätzlichen Informationsrechte der Bürger*innen explizit vor. Konkret ausgestaltet werden Transparenz und Beteiligungsformate für den Bezirk betreffenden Angelegenheiten jedoch in den meisten Fällen im Bezirk selbst.

 

Über die quartiersbezogenen Beiräte ist im Bezirk Hamburg-Mitte eine wertvolle Grundinfrastruktur für Bürger*innenbeteiligung gegeben, die fast den gesamten Bezirk abdeckt. Anlassbezogen werden darüber hinaus, zum Beispiel bei der Erstellung von Fußverkehrskonzepten oder in der Bauleitplanung, weitere Beteiligungsformate genutzt, um Verwaltungshandeln auf die Meinungen der Bürger*innen vor Ort abzustimmen.

 

Transparenz- und Beteiligungsanstrengungen des Bezirks sollten stetig auf ihre Wirksamkeit überprüft, weiterentwickelt und verbessert werden. Daher sollen verschiedene Optionen für die Weiterentwicklung von Transparenz und Beteiligung im Bezirk untersucht und umgesetzt werden, um die bezirkliche Demokratie zu stärken und mehr Menschen noch stärker in den Prozess der Entscheidungsfindung im Bezirk einzubeziehen.

 

Petitum/Beschluss

 

Der Bezirksamtsleiter wird gebeten,

 

  1. Die Transparenz in der politischen Meinungsbildung im Bezirk zu erhöhen, indem:
    1. Geprüft wird, ob eine Beschlussfassung über Niederschriften der Bezirksversammlung und ihrer Ausschüsse grundsätzlich bei entsprechender Anpassung der Geschäftsordnung auch über ein Umlauf- oder Widerspruchsverfahren möglich ist.
    2. Geprüft wird, ob Termine und/oder Protokolle aller oder eines Teils der quartiersbezogenen Beiräte mit vertretbarem Aufwand auf der Internetseite des Bezirksamts veröffentlicht werden können und dies im Falle einer möglichen Umsetzung mit vertretbarem Aufwand veranlasst wird. Andernfalls diese den jeweils zuständigen Regionalausschüssen zur Kenntnis gegeben werden, so dass sie im Ratsinformationssystem verfügbar sind.
    3. Die bezirklichen Straßenbauplanungsverfahren so angepasst werden, dass die bisher nicht-öffentlichen Planungsunterlagen entsprechend den Straßenbauplanungen des LSBG der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
    4. Alle Verschickungen des Bezirksamts an die Fraktionen, Gruppen und Einzelabgeordneten, die nicht zwingend nicht-öffentlich sind, fortan über das Ratsinformationssystem abgewickelt werden (dies beinhaltet insbesondere auch die Straßenbauplanungen aus 1c).
    5. Gutachten, die im Rahmen der Bauleitplanung erstellt wurden, bereits vor der öffentlichen Auslegung des jeweiligen Plans über das Transparenzportal zugänglich gemacht werden.
    6. Der Bezirksversammlung jährlich über die im Bezirksamt eingegangenen Anfragen nach dem Transparenzgesetz berichtet wird. Dieser Bericht soll mindestens beinhalten: Die Anzahl der eingegangenen Anfragen, die Anzahl der beantworten Anfragen, die Anzahl, der nach Festsetzung von Gebühren zurückgezogenen Anfragen, die Anzahl und Grund für die seitens des Bezirksamts nicht beantworteten Anfragen und die durchschnittlich festgesetzten Gebühren.
    7. Der Bezirksversammlung jährlich über in das Transparenzportal eingestellte Dokumente (mit Ausnahme von Bezirks-Drucksachen und Baugenehmigungen) berichtet wird. Dieser Bericht soll mindestens beinhalten: Die Anzahl der eingestellten Elemente, aufgeschlüsselt nach den im Transparenzportal vorgesehenen Kategorien und Arten des Informationsgegenstands.
    8. Bei von Widmungen und Entwidmungen von öffentlichen Wegeflächen und deren Beabsichtigung und ähnlichen Änderungen die entsprechenden Pläne auch digital zur Verfügung gestellt werden und bei der Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger auf diese über einen Link verwiesen wird.
    9. Intern und extern angefertigte Gutachten und Studien auch dann in das Transparenzportal eingestellt werden, wenn dies auf Grund der Wertgrenze nicht zwingend erforderlich ist.
    10. Die neu geschaffene Antikorruptions- und Prüfstelle der Bezirksversammlung einmal im Jahr über ihre Arbeit berichtet.
       
  2. Beteiligungsformate auszuweiten, indem:
    1. Auf dem Internetauftritt des Bezirksamts auf die Möglichkeit der Eingabe an die Bezirksversammlung und ihre Ausschüsse und die hierfür benötigten Angaben explizit hingewiesen und diese nutzer*innenfreundlich und niedrigschwellig beispielsweise über ein Onlineformular direkt auf der Internetseite ermöglicht wird. (vgl. hierzu die Internetauftritte der Bezirke Wandsbek und Harburg)
    2. Geprüft wird, ob es rechtlich und technisch möglich ist, dass Eingaben weitere Unterstützer*innen hinzugefügt werden können, um einem Anliegen so mehr Nachdruck zu verleihen und wenn dies möglich ist, dies technisch umgesetzt wird und öffentlich auf diese Möglichkeit hingewiesen wird.
    3. Über eine geeignete Softwarelösung (z.B. Consul oder DIPAS) eine permanente, digitale Bürger*innenbeteiligungsplattform für den Bezirk eingerichtet wird, auf der niedrigschwellig und unkompliziert Ideen (z.B. auf einer Karte) eingebracht und von anderen kommentiert und unterstützt werden können (vgl. Würzburg). Hier soll auch zu Beschlüssen der Bezirksversammlung eine Öffentlichkeitsbeteiligung angeregt werden können (vgl. Köln).
    4. Mittel aus dem Haushalt für die Jahre 2021 und 2022 zur Verfügung gestellt werden, einen Förderfonds für zivilgesellschaftliche Beteiligungsformate (ähnlich dem Masterplan Sport und dem Förderfonds für soziale Projekte von Religionsgemeinschaften) in Höhe von 20 000 € aus dem Förderfonds Bezirke (konsumtiv) einzurichten, aus dem Projekte, die zur Beteiligung der Menschen im Bezirk an der politischen Willensbildung beitragen, unterstützt werden können.
    5. Geprüft wird, ob extern oder intern Mittel zur Verfügung stehen, um im Rahmen eines Pilotprojekts einen Bürger*innenrat auf Bezirks- oder Stadtteilebene durchzuführen, in dem eine repräsentative Gruppe geloster Bürger*innen eine grundsätzliche und für den Bezirk relevante Fragestellung diskutiert und Empfehlungen für die Bezirkspolitik erarbeitet. Entsprechende grundsätzliche Themen könnten beispielsweise die autofreie/autoarme Innenstadt, der bezirkliche Klimaschutz oder Großveranstaltungen auf St. Pauli sein.
    6. Geprüft wird, ob und wie die Möglichkeiten der digitalen Bürger*innenfragestunde auch bei einer Rückkehr zu Präsenzsitzungen der Bezirksversammlung und ihrer Ausschüsse beibehalten werden können.
    7. Der Senat gebeten wird, eine Grundlage für Referenden auch auf Bezirksebene zu schaffen.
    8. Jährlich über die durchgeführten Beteiligungsformate berichtet wird. Dieser Bericht soll mindestens beinhalten: Das Thema und die Anzahl der Teilnehmenden je Format sowie Erkenntnisse und Verbesserungspotentiale für zukünftige Beteiligungsformate.
       
  3. Die Reichweite und Qualität der Beteiligungsformate weiter zu steigern, indem:
    1. Geprüft wird, ob eine zentrale Stabstelle für Transparenz und Bürger*innenbeteiligung im Bezirksamt eingerichtet werden kann, die Kompetenzen des Bezirksamts bündelt und andere Abteilungen bei ihren Beteiligungsformaten unterstützt, Schulungen und Weiterbildungen in diesem Bereich anbietet, Qualitätsstandards für gute Beteiligung erarbeitet, Best Practices sammelt, eine bezirksübergreifende Vernetzung anregt und durchgeführte Beteiligungsformate evaluiert (vgl. Leitlinien für Öffentlichkeitsbeteiligung in Köln und Grundsätze für Bürger*innenbeteiligung in Potsdam). Wenn möglich sollen hierfür auch die im Dezember von der Bürgerschaft bereitgestellten Mittel zur Professionalisierung der Bürger*innenbeteiligung genutzt werden.
    2. Ein Konzept erarbeitet wird, um mit Beteiligungsformaten gezielt Personen anzusprechen, die bisher unterrepräsentiert sind bzw. eigene Beteiligungsformate für entsprechende Gruppen anzubieten.
    3. Ein kooperativer Prozess initiiert wird, um die quartiersbezogene Beiratsarbeit hin zu mehr Familienfreundlichkeit, Inklusion und Niedrigschwelligkeit weiterzuentwickeln. In diesem Rahmen sollen auch die räumliche Abdeckung des Bezirks durch die Beiräte, die Strukturen der Beiräte, Digitalisierung und eine mögliche Aufstockung der finanziellen Ausstattung der Beiräte diskutiert werden. An diesem Prozess sollen mindestens das Bezirksamt, die Bezirksversammlung, die Beiräte und die Geschäftsstellen der Beiräte beteiligt werden.
    4. Je ein*e Vertreter*in jedes quartiersbezogenen Beirats Rederecht in dem jeweils zuständigen Regionalausschuss bzw. dem Cityausschuss erhält.
    5. Parallel zu online stattfindenden Beteiligungsformaten Senior*innen zum Beispiel über Senior*innentreffs und Pflegeeinrichtungen bei der Teilnahme an entsprechenden Formaten begleitet und unterstützt werden und das nötige Equipment zeitweise zur Verfügung gestellt wird.
    6. Auf dem Internetauftritt des Bezirks ein Bereich geschaffen wird, der Beteiligungsmöglichkeiten auflistet und erklärt, Termine (inklusive derer der quartiersbezogenen Beiräte, vgl. 1b) übersichtlich darstellt und die Möglichkeit Anregungen für weitere Beteiligungsformate beizutragen ermöglicht.
    7. Die Zugriffs- und Interaktionszahlen auf digitale Beteiligungsformate des Bezirks (z.B. unter https://beteiligung.hamburg/ oder im Rahmen der digitalen Auslegung von Bebauungsplänen) sowie die Zahl der damit verbundenen Anrufe und E-Mails erfasst werden und der Bezirksversammlung jährlich über diese Zugriffs- und Interaktionszahlen berichtet wird.
    8. Bei Vorlagen des Bezirksamts künftig explizit angegeben wird, wenn in dieser Sache eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat oder das Bezirksamt eine Beteiligung der Öffentlichkeit an dieser Sache empfiehlt (vgl. Köln).
    9. Der Senat gebeten wird, einen eigenen Haushaltstitel für quartiersbezogene Beiratsarbeit in den Bezirken zu schaffen und mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten, so dass diese Beiräte als Grundinfrastruktur für Beteiligung nicht mehr in Konkurrenz mit anderen sozialen Projekten des Quartiersfonds stehen müssen.
       
  4. Die Bezirksversammlung oder den Hauptausschuss fortlaufend über Prüfungsergebnisse und Umsetzungsstände zu informieren.