22-1523.4

Gebührenfreie Ausweise für Obdachlose und Bedürftige (geändert beschlossen)

Vorlage öffentlich

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23.06.2022
Sachverhalt

Der Ausschuss für Sozialraumentwicklung hat in seiner Sitzung am 10.12.2020 dem nachfolgend aufgeführten Antrag der FDP-, SPD- und CDU-Fraktion Drs. Nr. 22-1523 einstimmig zugestimmt. Die Bezirksversammlung hat den Beschluss in ihrer Sitzung am 17.12.2020 einstimmig bestätigt.

 

Ein Personalausweis ist eine Grundbedingung für die ersten Schritte, um den Weg von der Straße zu bewältigen. Ohne gültigen Personalausweis ist es beispielsweise nicht möglich sich beim Jobcenter oder zur Sozialversicherung anzumelden.

Um schnellstmöglich die Lebenssituation von obdachlosen und bedürftigen Bürgern zu verbessern ist ein Gebührenerlass zur Ausweisbeantragung hilfreich. Hierbei kann § 1 Abs. 6 der „Verordnung über Gebühren für Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis" angewendet werden. Hier heißt es: „Die Gebühr kann ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn die Person, die die Gebühr schuldet, bedürftig ist."

 

Dies vorausgeschickt möge der Ausschuss für Sozialraumentwicklung beschließen:

 

1. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass obdachlose und bedürftige Bürger gebührenfrei einen Personalausweis bekommen.

2. Es soll auch ermittelt werden wie viele vorläufige Ausweise für obdachlose Menschen monatlich ausgestellt werden und wie viele obdachlose und bedürftige Menschen täglich vorsprechen, um einen Personalausweis zu beantragen.

3. Den Ausschuss für Sozialraumentwicklung über das Ergebnis zu informieren.

 

Der Hauptausschuss hat in seiner Sitzung am 06.04.2021 der Vorlage Drs. Nr. 22-1523.2 und damit dem nachfolgend aufgeführten Verfahrensvorschlag einstimmig zugestimmt:

 

Der Bezirk Hamburg-Mitte trägt die Gebühren für die Beantragung von vorläufigen Personalausweisen von Personen ohne festen Wohnsitz, um ihnen einen einfacheren Zugang zu Personalausweisen zu bieten und Hilfsorganisationen zu entlasten.

 

Da diese für die Empfängerinnen und Empfänger kostenfreie Ausgabe von Personalausweisen ein Novum in Hamburg darstellt, schlägt das Bezirksamt vor, dieses Verfahren für den Zeitraum 01.05.2021 bis 30.04.2022 testweise einzuführen und pro berechtigter Person im genannten Zeitraum eine angemessene, aber notwendige Zahl von vorläufigen Personalausweisen oder Bundespersonalausweisen kostenfrei auszugeben.

 

Sollte es dem Bezirksamt nicht möglich sein, die Kosten für die Bundesdruckerei und die Hersteller des biometrischen Fotos an anderer Stelle zu erwirtschaften, übernimmt die Bezirksversammlung die Kosten von bis zu 15.000, - EUR; das Bezirksamt wird die Verwaltungskosten von ca. 20.000, - EUR an anderer Stelle verrechnen.

 

Das Bezirksamt wird der Bezirksversammlung im März 2022 eine Auswertung vorlegen und eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen aussprechen. Darüber hinaus wird das Bezirksamt der Bezirksversammlung für den Fall, das eine hamburgweite Lösung in Aussicht steht, unmittelbar Handlungsoptionen aufzeigen.

 

 

Das Bezirksamt teilt um Umsetzungsstand Folgendes mit:

 

Das für Personen ohne festen Wohnsitz zuständige Kundenzentrum in der Caffamacherreihe erhielt den Umsetzungsauftrag zum 01.05.2021. Daraufhin konnte Personen, die glaubhaft machen konnten, dass sie sich in Hamburg ohne festen Wohnsitz aufhalten, ein gebührenfreies Ausweisdokument ausgestellt werden.

 

Da es bis dato keine statistischen Grundlagen gab, wurde das Kundenzentrum angehalten, alle ausgegebenen Dokumente zu dokumentieren, so dass dokumentiert wurde

a.)    welche Art von Ausweisdokument ausgegeben wurde

b.)    wie viele Dokumente jeweils ausgegeben wurden

c.)    wie viele Fotos kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden

d.)    wie viele Personen das Angebot wiederholt in Anspruch nahmen.

 

Folgende Herausforderungen gab es zu Beginn des Projektes:

  • Im Beschluss wurden aufgrund der Erfahrungswerte des Kundenzentrums temporäre Ausweisdokumente zugrunde gelegt. In einem Magazinbericht las die Zielgruppe, dass sie gebührenfrei reguläre Bundespersonalausweise beantragen könnte.
    In Einzelgesprächen mit der Zielgruppe sowie Vertretern der Hilfsorganisationen konnte die Irritation aufgelöst werden.
  • Grundsätzlich waren in dem Zeitraum Vorsprachen im Kundenzentrum nur für Terminkunden möglich. Für die Zielgruppe des Modellprojektes wurde eine Ausnahme ermöglicht, sofern die Corona-Schutzauflagen dies zuließen. War beispielsweise der Wartebereich bereits zu voll, mussten die Spontankunden auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden. Dies führte oftmals zu Irritationen. Auch diese konnten durch Einzelgesprächen mit der Zielgruppe sowie den Vertretern der Hilfsorganisationen behoben werden und Verständnis für die pandemie-bedingte Situation gewonnen werden.
  • Im weiteren Verlauf kam es zu keinen weiteren bekannten Herausforderungen.

 

Erhöhte Nachfrage gibt es jeweils zum Monatsende/-anfang, wenn die Zielgruppe ein Ausweisdokument braucht, um Sozialleistungen zu erhalten oder Bargeld abheben zu können. In der Regel wurde der Verlust des Ausweises als Grund für eine wiederholte Abfrage des gebührenfreien Angebots genannt.

 

Insgesamt wurde das Vorhaben in der Zielgruppe gut angenommen, so dass mit Stand vom 31.05.2022

-          1553 vorläufige Personalausweise

-          189 Bundespersonalausweise

-          1041 Fotos

ausgegeben wurden. 155 Personen nahmen das Angebot mehr als zweimal in Anspruch.

 

Fazit

Somit lässt sich festhalten, dass das Budget für temporäre Ausweisdokumente (1920 Stk.) noch nicht ausgeschöpft ist und das Budget für „endgültige“ Bundespersonalausweise im Scheckkartenformat mehr als geschätzt (33 Stk.) in Anspruch genommen wurde.

 

Das Gesamtbudget bestehend aus Mitteln der Bezirksversammlung (15.000,- € aus dem Förderfonds Bezirke konsumtiv) und Verwaltungskosten (20.000,- €) ist aktuell noch nicht ausgeschöpft:

 

Mittel der Bezirksversammlung

Verwaltungskosten

Budget

Ist

Budget

Ist

15.000 €

10.345,41

20.000 €

18.423,59

 

 

Das Angebot wird von der Zielgruppe gut angenommen. Eine Fortführung der gebührenfreien Ausweise wird vom Bezirksamt befürwortet, ebenso seitens der Hilfsorganisationen.

 

Bei der weiteren Planung ist zu berücksichtigen, dass die Kundenzentren in Hamburg neuorganisiert werden und ab dem 01.01.2023 nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Bezirke liegen.

Petitum/Beschluss

 

Die Bezirksversammlung beschließt folgendes Vorgehen:

 

1. Fortführen des Projektes, bis die freigegebenen Mittel ausgeschöpft sind, längstens jedoch bis zum 31.12.2022.

2. Mit dem Projekt „Neustrukturierung der Kundenzentren“ in den weiteren Austausch über die Fortführung des Projektes treten. Die reguläre Finanzierung über den Haushalt wäre bei Fortführung wesentlich.

3. Die Beantragung und Ausgabe der Dokumente soll im Regelfall auch weiterhin ohne Terminvergabe erfolgen können.

4. Die Akteur*innen der Obdachlosen- und Wohnungslosenhilfe sind in die Evaluation einzubeziehen, um Bedarfe an die aktuelle Situation anpassen zu können.

5. Das Bezirksamt wird zu gegebener Zeit über das weitere Vorgehen informieren.