Gebührenfreie Ausweise für Obdachlose und Bedürftige
Letzte Beratung: 27.05.2021 Ausschuss für Sozialraumentwicklung Ö 6.3
Der Ausschuss für Sozialraumentwicklung hat in seiner Sitzung am 10.12.2020 dem nachfolgend aufgeführten Antrag der FDP-, SPD- und CDU-Fraktion Drs. Nr. 22-1523 einstimmig zugestimmt. Die Bezirksversammlung hat den Beschluss in ihrer Sitzung am 17.12.2020 einstimmig bestätigt.
Ein Personalausweis ist eine Grundbedingung für die ersten Schritte, um den Weg von der Straße zu bewältigen. Ohne gültigen Personalausweis ist es beispielsweise nicht möglich sich beim Jobcenter oder zur Sozialversicherung anzumelden.
Um schnellstmöglich die Lebenssituation von obdachlosen und bedürftigen Bürgern zu verbessern ist ein Gebührenerlass zur Ausweisbeantragung hilfreich. Hierbei kann § 1 Abs. 6 der „Verordnung über Gebühren für Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis" angewendet werden. Hier heißt es: „Die Gebühr kann ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn die Person, die die Gebühr schuldet, bedürftig ist."
Dies vorausgeschickt möge der Ausschuss für Sozialraumentwicklung beschließen:
1. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass obdachlose und bedürftige Bürger gebührenfrei einen Personalausweis bekommen.
2. Es soll auch ermittelt werden wie viele vorläufige Ausweise für obdachlose Menschen monatlich ausgestellt werden und wie viele obdachlose und bedürftige Menschen täglich vorsprechen, um einen Personalausweis zu beantragen.
3. Den Ausschuss für Sozialraumentwicklung über das Ergebnis zu informieren.
Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat gegenüber dem Hauptausschuss am 06.04.2021 wie folgt Stellung genommen:
In § 1 Abs. 6 Personalausweisgebührenverordnung heißt es: „Die Gebühr [für Personalausweise] kann ermäßigt oder von ihrer Erhebung kann abgesehen werden, wenn die Person, die die Gebühr schuldet, bedürftig ist.“
Eine gesetzliche Definition der Bedürftigkeit findet sich in §§ 1602 Abs. 1 BGB sowie in 9 SGB II ("Hilfebedürftigkeit"). Demnach ist Bedürftigkeit immer dann gegeben, wenn eine Person nicht oder nur in unzureichendem Maße dazu in der Lage ist, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.
Das Bezirksamt Hamburg-Mitte weist darauf hin, dass die Kosten für Ausweisdokumente entsprechend dem Regelbedarfsermittlungsgesetz für Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (Kapitel III und IV) monatlich anteilig gezahlt werden und gem. aktueller Rechtsprechung vom Empfänger entsprechend angespart werden müssen.
Das Bezirksamt Hamburg-Mitte ist allerdings für alleinstehende wohnungslose Personen, die zu keinem Zeitpunkt in Hamburg gemeldet waren, das allein zuständige Hamburger Bezirksamt. Gleiches gilt für Personen, die von außerhalb nach Hamburg zurückkehren und zuletzt vor mehr als zwei Jahren in der Stadt gemeldet waren.
Auch das Bezirksamt sieht für diesen Personenkreis einen Handlungsbedarf. Jährlich werden ca. 600 vorläufige Personalausweise von Personen ohne festen Wohnsitz beantragt, wobei sich laut Sozialbehörde etwa 660 Personen ohne Obdach mit deutscher Staatsangehörigkeit in Hamburg aufhalten. Erfahrungsgemäß werden von diesem Personenkreis mehrere vorläufige Personalausweise im Jahr beantragt, da die Dokumente häufig als verloren gemeldet werden.
Grundsätzlich wird ein vorläufiger Personalausweis nur dann erstellt, wenn die Wartezeit auf einen endgültigen Personalausweis zu lang ist. Bei den Personen ohne festen Wohnsitz wird allerdings regelhaft ein vorläufiger Personalausweis beantragt, da dieser unmittelbar benötigt wird. Nur ca. 5 Prozent dieser Personengruppe beantragen (ggf. zusätzlich) einen endgültigen Personalausweis.
Für die Jahre 2021ff werden die Kosten für die Ausstellung von vorläufigen Ausweisdokumenten sowie Personalausweisen für diesen Personenkreis auf insgesamt 32.901, - EUR geschätzt, die sich aus 20.305,23 EUR Verwaltungskosten sowie 12.595,77 EUR an die Bundesdruckerei und den Hersteller des biometrischen Fotos abzuführenden Gebühren ergeben.
Der Hauptausschuss hat daraufhin in seiner Sitzung am 06.04.2021 dem folgenden Handlungsvorschlag (Drs. 22-1523.2) einstimmig zugestimmt:
Der Bezirk Hamburg-Mitte trägt die Gebühren für die Beantragung von vorläufigen Personalausweisen von Personen ohne festen Wohnsitz, um ihnen einen einfacheren Zugang zu Personalausweisen zu bieten und Hilfsorganisationen zu entlasten.
Da diese für die Empfängerinnen und Empfänger kostenfreie Ausgabe von Personalausweisen ein Novum in Hamburg darstellt, schlägt das Bezirksamt vor, dieses Verfahren für den Zeitraum 01.05.2021 bis 30.04.2022 testweise einzuführen und pro berechtigter Person im genannten Zeitraum eine angemessene, aber notwendige Zahl von vorläufigen Personalausweisen oder Bundespersonalausweisen kostenfrei auszugeben.
Sollte es dem Bezirksamt nicht möglich sein, die Kosten für die Bundesdruckerei und die Hersteller des biometrischen Fotos an anderer Stelle zu erwirtschaften, übernimmt die Bezirksversammlung die Kosten von bis zu 15.000, - EUR; das Bezirksamt wird die Verwaltungskosten von ca. 20.000, - EUR an anderer Stelle verrechnen.
Das Bezirksamt wird der Bezirksversammlung im März 2022 eine Auswertung vorlegen und eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen aussprechen. Darüber hinaus wird das Bezirksamt der Bezirksversammlung für den Fall, das eine hamburgweite Lösung in Aussicht steht, unmittelbar Handlungsoptionen aufzeigen.
Ergänzend wird dem Ausschuss für Sozialraumentwicklung die Stellungnahme der Behörde für Inneres und Sport (BIS) vom 02.02.2021 vorgelegt:
Zu 1:
Nach Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls wird unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage nach Kenntnisstand der Behörde für Inneres und Sport in der Praxis so verfahren. Die PAuswGebV sieht eine entsprechende Möglichkeit bereits vor.
Sofern die Überlegung eine pauschale Gebührenbefreiung für obdachlose und bedürftige Bürgerinnen und Bürger ohne weitere Prüfung zum Ziel hat, weist die BIS darauf hin, dass unklar ist, wie die Voraussetzung „Obdachlosigkeit bzw. Bedürftigkeit“ ohne entsprechende Prüfung durch die ausgebenden Stellen festgestellt werden soll. Die BIS weist dabei darauf hin, dass das Fehlen einer Meldedateneintragung in Hamburg nicht zwingend mit einer Obdachlosigkeit in Verbindung steht. Insofern empfiehlt die BIS den Bezirksämtern´ im ersten Schritt eine statistische Daten- und Praxiserhebung gemäß des Beschlusses zu Ziffer 2 vorzunehmen, um die Notwendigkeit und ggf. Folgen einer solchen Regelung beurteilen zu können.. Hierbei könnte auch festgestellt werden, ob sich in der Praxis eigentlich tatsächlich Probleme ergeben haben, bei entsprechender Bedürftigkeit eine ermäßigte oder gebührenfreie Ausweisausstellung vorzunehmen.
Dabei sollte der Beschluss unter Ziffer 2:
auf die Datenerhebung, wie viele Anträge auf erstmalige und dauerhafte Ausstellung gestellt werden, erweitert werden. Sofern die Daten bisher nicht statistisch erhoben worden sind, sollte zunächst auch der Erhebungszeitraum festgelegt werden.
Auf Basis dieser Erhebungen wäre dann im zweiten Schritt das weitere rechtliche Vorgehen zu prüfen.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
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