Durch das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sollen zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land vorgesehen werden. Das WindBG sieht eine Verteilung sogenannter "Flächenbeitragswerte" auf die Länder vor. Hamburg soll 0,5 Prozent seiner Fläche für Windenergie (= ca. 378 ha) ausweisen. Ziel des Gesetzes ist allerdings nicht allein die Ausweisung von Gebieten, sondern die Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie an Land. Nach EEG sollen bis 2040 160 Gigawatt Leistung an Windenergie an Land installiert sein. Zur Zeit sind 63,5 Gigawatt an Land installiert. Letztendlich soll die Ausweisung von Windenergiegebieten dazu dienen, Windenergie zu produzieren.
Mit dem Projekt „Windenergie in Hamburg“ identifiziert Hamburg nun Windpotenzialflächen als Vorbereitung von Flächennutzungsplan- und Landschaftsprogrammänderungen. Die Suche nach Potenzialflächen konzentriert sich auf Naturgebiete und befeuert damit den der Windenergieinhärenten Konflikt zwischen Mensch und Natur, der in einer Großstadt wie Hamburg besonders evident ist.
Erstaunlich daran ist mehreres:
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Hamburg hat – anders als Berlin – von der wegen der Flächenknappheit von Stadtstaaten eigens gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, im Wege eines Staatsvertrages bis zu 75 Prozent seines Flächenziels auf andere Länder zu übertragen, keinen Gebrauch gemacht.
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Hamburg verzichtet aufgrund länderspezifischer Gesetzgebung zum Hafenentwicklungsgesetz auf zehn Prozent der möglichen Suchflächen, nämlich den Hafen- und Hafenerweiterungsflächen. Die beteiligten Behörden verweisen darauf, dass es nur „gerecht“ sei, dass Hamburg als Stromgroßverbraucher seinen Verpflichtungen nachkommen muss (Mit diesem Argument wird die Möglichkeit der Übertragung der Flächenziele auf andere Bundesländer vom Tisch gewischt). Diesem Prinzip folgend, wäre es eben „gerecht“, dass auch der Hafen bzw. die Hafenwirtschaft als großer Energieverbraucher ihren Beitrag zur Erfüllung der Flächenziele leistet, zumal die räumliche Nähe von Stromerzeugung und Stromverbrauch ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.
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Der Senat hat die Nutzung der Hafenfläche für erneuerbare Energien gleichwohl im Blick. Dafür wurde eigens die Erneuerbare Hafenenergie Hamburg GmbH gegründet, die mit dem Ausbau von Photovoltaik und Windkraft die Dekarbonisierung des Hafens vorantreiben soll. Auch die Hafenstrategie 2040 des Senats strebt „eine verstärkte Entwicklung von Standorten für Windenergieanlagen in direkter Nachbarschaft zu Industrie und Gewerbe“ an. Als „Sustainable Energy Hub“ soll auf den „Ausbau von Wind- und Solarenergie innerhalb der Hafengrenzen ein Teil des Energiebedarfs der ansässigen Betriebe gedeckt werden.“ „Kurzfristige Ziele sind der Ausbau von Windkraft- und PV-Anlagen unter Berücksichtigung betrieblicher Anforderungen.“ Es erscheint nicht einsichtig, warum trotz aller Bestrebungen zum Ausbau der Windenergie im Hafengebiet diese Fläche für die Suche nach Windenergiepotenzialflächen ausgespart wird.
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Das Projekt „Windenergie in Hamburg“ bringt bei der Suche nicht diejenigen Flächen in Abzug, die nach §4 Absatz 1 WindBG angerechnet werden können. Das sind die Umkreise der existierenden Windkraftanlagen außerhalb ausgewiesener Windgebiete. Für den Hafen könnten jetzt schon ca. 15 ha Fläche angerechnet werden.
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Eine weitere ungenutzte Möglichkeit ist die Untersuchung von Hafen-, Autobahnrand- und Gewerbeflächen auf die Errichtung einzelner Windkraftanlagen, die dann mit jeweils 1 ha auf das Flächenziel angerechnet werden könnten, wenn sie nicht als Windenergiegebiete ausgewiesen werden können.
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Neun der 19 Windkraftpotenzialflächen liegen in Landschaftsschutzgebieten. Zwar ist die Errichtung von Windkraftanlagen gemäß § 26 Absatz 3 BNatSchG zulässig, allerdings nur, wenn es sich nicht um ein sogenanntes Natura-2000-Gebiet handelt. Deutschland hat die Natura-2000-Gebiete noch nicht vollständig ausgewiesen, so dass Unklarheit besteht, welche Landschaftsschutzgebiete zugleich Natura-2000-Gebiete darstellen (werden).
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Die Betrachtung, ob die notwendige elektrische Infrastruktur vorhanden oder wenigstens geplant ist, ist nicht als Kriterium miteingeflossen. Auch bleibt bei der Untersuchung unberücksichtigt, welche Eingriffe (z. B. Straßenbau für Schwerlasttransporte) in die Naturgebietenötig sein würden, um die Windenergieflächen überhaupt zu erschließen.
Insgesamt erwecken die Planungen den Eindruck, als würde es eher darum gehen, Flächen auszuweisen, als Windenergieanlagen im Einklang mit Mensch, Natur und Wirtschaft tatsächlich zu errichten.
Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung beschließen:
Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft und die behörde für Wirtschaft und Innovation werden gemäß § 27 BezVG gebeten,
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zu prüfen, ob Flächenziele aus dem WindBG durch Staatsvertrag auf andere Länder übertragen werden können und sich ggf. dafür einzusetzen, dass die gesetzliche, mittlerweile verstrichene Frist dafür verlängert wird;
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Hafen- und/oder Hafenerweiterungsgebiete gemeinsam mit der Erneuerbare Hafenenergie Hamburg GmbH und der Hafenwirtschaft auf einzelne Standorte für Windkraftanlagen zu überprüfen und dann dafür zu sorgen, dass diese gemäß § 4 Absatz 1 WindBG angerechnet werden (Flächen, die perspektivisch für Hafennutzung gebraucht werden, sind auszulassen);
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Autobahnrand- und Gewerbeflächen, sofern eine Ausweisung als Windenergiegebiet nicht möglich ist, auf einzelne Standorte für Windkraftanlagen zu überprüfen und dann dafür zu sorgen, dass diese gemäß § 4 Absatz 1 WindBG angerechnet werden;
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die für die Netzanbindung verantwortlichen Stellen in die Planungen einzubeziehen;
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vorrangig zu prüfen, ob bestehende Windkraftgebiete ausgeweitet werden können, weil Infrastruktur, Natur und Umgebung gelernt haben, mit Windkraftanlagen zu leben;
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dafür zu sorgen, dass Hamburg Natura-2000-Gebiete ausweist, um Rechtsklarheit zu schaffen;
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Naturflächen möglichst nicht als Windenergieflächen auszuweisen und wenn das dennoch der Fall sein sollte, die Natureingriffe durch die notwendigen Erschließungsmaßnahmen in die Betrachtung mit einzubeziehen;
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auf die vergleichsweise kleine Fläche in der Rissener / Sülldorfer Feldmark, die in ca. 700 m Entfernung zum FHH-Gebiet Schnaakenmoor und außerdem im Biotopverbund und im bzw. am Wasserschutzgebiet Bauersberg liegt und zudem durch eichengesäumte Feldwege mit parallel verlaufenden Begleitgräben erschlossen ist, als Windpotenzialfläche zu verzichten.