21-0123.5

Klimanotstand in Altona ausrufen! Klimaschutz im Bezirk durchsetzen - Jetzt! Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE zur Drucksache 21-0123.3

Antrag öffentlich

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24.10.2019
Sachverhalt

Die Arktis brennt. Sonst ein normaler Vorgang – aber in dieser Größe und Heftigkeit nicht mehr. Brände in der Größe von 100.000 Fußballfeldern haben allein im Juni 50 Millionen Tonnen CO2 – der Jahresausstoß von Schweden – emittiert und haben somit die dortigen Juni-Emissionen der vergangenen acht Jahre zusammen überstiegen. Diese zusätzlichen CO2- Emissionen sorgen dafür, dass wir jetzt handeln müssen und unverzüglich Klimaschutz auch vor Ort umsetzen. Die Konzentration von Klimagasen nimmt von Jahr zu Jahr zu. Maßnahmen, dem Klimawandel entgegenzuwirken, haben nichts bewirkt. Ergebnis auch der weltweit wachsenden Wirtschaft. Die Wissenschaft prognostiziert verheerende Folgen für die menschliche Zivilisation und die Natur auf der Erde. Es ist dringend erforderlich, jetzt auf allen Ebenen von Gesellschaft und Politik effiziente und konsequente Maßnahmen zu ergreifen, um die Klimakatastrophe noch aufzuhalten.

 

Weltweithaben Kommunen wie Los Angeles, Vancouver, London und Basel sowie in Deutschland die Städte Konstanz, Erlangen, Kiel und Münster bereits den Klimanotstand ausgerufen und damit ein Signal gesetzt: Es ist Zeit zu handeln! Mit der Ausrufung des Klimanotstandes ist auch eine Verantwortung zu Handeln verbunden – in den kommenden Haushaltsberatungen sind die Bezirksversammlung und das Bezirksamt aufgefordert, schnelle und wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Resolution zur Ausrufung des climate Emergency (Klimanotstand):

 

Der Mensch hat bereits einen Klimawandel mit irreversiblen Folgen verursacht, welche weltweit zu spüren sind. Die globalen Temperaturen sind gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um 1 Grad Celsius gestiegen, weil die CO2–Konzentration in der Atmosphäre von 280 Anteilen pro Million (ppm) auf 400 ppm angestiegen ist. Um eine unkontrollierbare globale Erwärmung mit nicht absehbaren Folgen zu verhindern, ist es unerlässlich, die Treibhausgasemissionen schnellstmöglich massiv zu reduzieren. Bereits 1,5 °C Erderwärmung führen unter anderem dazu, dass der steigende Meeresspiegel riesige Küstengebiete unbewohnbar macht. Die Weltbank schätzt, dass in den kommenden 30 Jahren die Zahl der Klimaflüchtlinge auf über 140 Millionen Menschen ansteigen wird. Der Klimawandel ist also nicht bloß ein Klimaproblem: Er ist ein Wirtschafts-, Sicherheits-, Tierschutz- und Friedensproblem, insbesondere aber auch ein soziales Problem, denn die negativen Auswirkungen des Klimawandels betreffen ohnehin schon Benachteiligte besonders hart. Nach einem Bericht, den der Weltklimarat auf der Grundlage von hunderten Studien im Herbst 2018 veröffentlichte, erfordert eine wirksame Begrenzung der globalen Erwärmung schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft.

 

Vor allem aber ist eine radikale Wende in den Bereichen Energie, Verkehr und Landwirtschaft notwendig und unumgänglich. Es kann und soll nicht erwartet werden, dass die Lösung dieses Problems allein durch Eigenverantwortung und von Einzelpersonen erreicht wird. Es braucht jetzt auf kommunaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene griffige strukturelle Maßnahmen, um dieser drohenden Katastrophe entgegenzuwirken. Die aktuellen Pläne und Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die Erwärmung bis 2036 auf die angestrebten 1,5 °C zu begrenzen. Deshalb ist es wichtig, schnell zu handeln. Vor dem Hintergrund, dass Kommunen eine zentrale Rolle beim Klimaschutz spielen, erklärt auch der Bezirk Altona den Climate Emergency und erkennt damit die Eindämmung des Klimawandels und seiner schwerwiegenden Folgen als Aufgabe höchster Priorität an: Der Bezirk Altona wird die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei allen Entscheidungen als Maßstabe anerkennen und dabei nur Lösungen bevorzugen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz sowie Generationen-, soziale und internationale Gerechtigkeit auswirken. Der Bezirk orientiert sich für zukünftige Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels an den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), insbesondere in Bezug auf Investitionen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen. Der Bezirk Altona fordert von der Bundesregierung die Einführung eines Klimaschutzgesetzes, dessen Maßnahmen an den Forderungen des Pariser Abkommens ausgerichtet sind. Das Gesetz hat sicherzustellen, dass die bereits vereinbarten Reduktionsziele eingehalten werden und dass das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland spätestens bis zum Jahr 2036 vollständig erreicht wird.

 

Der Bezirk Altona fordert, dass die Bundesregierung und der Senat umfassend über den Klimawandel, seine Ursachen und Auswirkungen sowie über die Maßnahmen, welche gegen den Klimawandel ergriffen werden, informieren.

 

Die Bezirksversammlung beschließt gemäß § 19 (2) BezVG:

 

  1. Der Klimanotstand für Altona wird ausgerufen. Die Eindämmung der menschengemachten Klimakrise in der bezirklichen Politik und die Entwicklung hin zu einem klimaneutralen Bezirk besitzen höchste Priorität und bei allen Entscheidungen des Bezirks wird immer die Klimaverträglichkeit eines Vorhabens geprüft und ist die Umsetzung dessen unverzüglich sicherzustellen. Das heißt unter anderem im Konkreten:

 

  1. Keine weitere Verdichtung und Versiegelung insbesondere im Kerngebiet.

 

  1. Bestehende Kleingärten, öffentliche Grün- und Parkanlagen sind zu erhalten und möglichst auszubauen. Dach- und Fassadenbegrünungen sind als zusätzliche Klimaanpassung zu verstehen. Die Begrünung von grauen Blockinnenhöfen muss zeitnah gefördert werden.

 

  1. Erhalt und Ausbau des Volksparks und der Feldmarken. Keine schleichende grünvernichtende Kommerzialisierung mehr (weder im Volkspark noch im Klövensteen noch anderswo).

 

  1. Baumfällungen auf öffentlichem Grund nur bei eindeutiger Gefahr der  Verkehrssicherheit und bei gleichwertigem zeit- und ortsnahen Baumersatz.

 

  1. Das Verhältnis zwischen gefällten und nachgepflanzten Bäumen auf öffentlichem und privatem Grund muss verpflichtend mindestens 1:1 betragen. Auch auf privatem Grund darf es dabei im Rahmen einer CO2- Bilanz zu keinem Grünvolumenverlust mehr kommen. Ersatzzahlungen sind dementsprechend adäquat einzusetzen.

 

  1. Einführung einer Baumkaution (bzw. Ersatzpflanzungskaution) zur besseren Kontrolle der Umsetzung von Ersatzpflanzungsauflagen auf privatem Grund.

 

  1. Nutzung von Baulücken als möglichst ökologisch ausgerichtete „Westentaschenparks“.

 

  1. Mit der Umsetzung des Maßnahmenkatalogs des integrierten Klimaschutzkonzeptes Altona muss noch dieses Jahr konsequent und sofort begonnen werden.

 

  1. Die Erstellung des Klimaschutzteilkonzepts Gewerbegebiet Schnackenburgallee/ Gewerbe wird noch dieses Jahr erstellt.

 

  1. Die Erstellung des Klimaschutzteilkonzepts Integrierte Mobilität wird noch dieses Jahr initiiert.

 

  1. Es wird ein Klimabeirat konstituiert, der monatlich tagt. Dem Hauptausschuss wird halbjährlich Bericht erstattet.

 

  1. Kinder und Jugendliche sind im Klimabeirat sowie bei der Erstellung von Konzepten zu beteiligen.

 

  1. Im Rahmen der Beschaffung beachtet das Bezirksamt ökologische Kriterien, insbesondere die Auswirkungen auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz.

 

  1. Das Bezirksamt berichtet dem Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz laufend zur Umsetzung.

 

Die Bezirksversammlung beschließt gemäß § 27 BezVG:

 

  1. Wir fordern den Senat sowie die beteiligten Fachbehörden auf, ein Klimaschutzgesetz einzuführen, dessen Maßnahmen an den Verpflichtungen des Pariser Abkommens ausgerichtet sind. Das Gesetz soll erreichen, dass die bereits vereinbarten Reduktionsziele eingehalten werden und das Ziel der Klimaneutralität Hamburgs spätestens bis zum Jahr 2035 erreicht werden kann.

 

  • Es ist ein Plan vorzulegen, wie die Energieversorgung Hamburgs schnellstmöglich klimaneutral wird und

 

  • Es ist über Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels auf Altona sowie über die Maßnahmen, welche gegen den Klimawandel ergriffen werden, umfassend zu informieren.

 

  1. Wir fordern den Senat sowie die beteiligten Fachbehörden in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb für Geoinformationen und Vermessung ein Online-Portal einzurichten, auf dem alle übergeordneten Klimaschutz-Projekte Hamburgs dargestellt werden. Die Emissionen klimawirksamer Gase der Stadt sollen jährlich überschlägig ermittelt und die eingesparten Emissionen grafisch dargestellt werden.

 

  1. Wir fordern den Senat sowie die beteiligten Fachbehörden auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen,

 

  • Steuervergünstigungen für fossile Energieträger schnellstmöglich zu streichen, um den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger zu beschleunigen,

 

  • die Entwicklung und Nutzung von erneuerbaren Energien als prioritäre Aufgabe durch Anreize und Förderung erheblich zu verstärken.

 

  1. Wir fordern die beteiligten Fachbehörden auf, die Stadtbahn als neues schienengebundenes öffentliches Verkehrsmittel zur Anbindung der Außenbezirke unter besonderer Beachtung der Klimaauswirkungen aufgrund einer zügigen Verkehrsverlagerung auf den ÖPNV, der Bauzeit sowie der Kosten zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung dem Verkehrsausschuss und dem Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz in einer gemeinsamen Sitzung vorzustellen.

 

  1. Wir fordern die Behörde für Umwelt und Energie auf, dass Kreuzfahrtschiffe und Containerschiffe nur Landstrom nutzen dürfen.

 

  1. Wir fordern die Behörde für Umwelt und Energie auf, dass Landstrom nur aus erneuerbaren Energien gespeist werden soll.

 

  1. Wir fordern den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Bundesrepublik Deutschland die Ziele des Pariser Abkommens einhält.

 

  1. Klimaschutz gelingt gemeinsam. Wir fordern daher den Senat sowie die beteiligten Fachbehörden auf die Klimakrise mittels einer Resolution als Klimanotstand anzuerkennen. Der Senat übermittelt diese Aufforderung seinerseits als Empfehlung an die anderen Hamburger Bezirksversammlungen sowie an Städte und Gemeinden der Metropolregion Hamburg.

 

 

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