Entsiegelungsoffensive - versickern statt versiegeln Mitteilungsdrucksache zum Beschluss der Bezirksversammlung vom 23.02.2023
Letzte Beratung: 12.06.2023 Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz Ö 6.1
Die Bezirksversammlung Altona hat in ihrer Sitzung vom 23.02.2023 anliegende Drucksache 21-3828B beschlossen.
Die Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) hat mit Schreiben vom 13.03.2023 wie folgt Stellung genommen:
Zu 5:
Die Entsiegelung und Begrünung von freien Flächen können grundsätzlich auch auf gewerblich genutzten Grundstücken zu einer Steigerung der Biodiversität und einer Verbesserung der Versickerung beitragen. Dies gilt insbesondere für PKW-Parkplätze. Die Einsatzbereiche werden allerdings durch Nutzungen, die mit einem hohen Druck auf die Fläche verbunden sind oder die zu Verschmutzungen führen können, begrenzt. Auch können bereits bestehende Bodenbelastungen eine Versiegelung erforderlich machen. „Ungenutzte Industrieflächen“ sind zudem in Hamburg knapp – i.d.R. handelt es sich um Erweiterungspotenziale von bestehenden Unternehmen oder um Übergangszustände.
Ein eventuelles Förderprogramm wäre aus Sicht der Behörde für Wirtschaft und Innovation der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft zuzuordnen. Auch im angeführten Bremer Beispiel ist die Wirtschaftsverwaltung nicht involviert.
Die Finanzbehörde (FB) hat mit Schreiben vom 28.03.2023 wie folgt Stellung genommen:
Zu 2:
Durch den Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen sind keine in Frage kommenden Flächen identifiziert worden.
Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) hat mit Schreiben vom 05.04.2023 wie folgt Stellung genommen:
Zu 4:
Die BVM unterstützt die Flächenentsiegelung „unbenutzter“ Flächen und die Rekultivierung und Wiederherstellung wasserdurchlässiger Oberflächen, idealerweise im Zustand natürlicher Bodenfunktionen.
Für den Bereich genutzter Funktionsflächen, wie beispielsweise Kfz-Stellplätze im öffentlichen Raum, kann die Versickerungsfähigkeit nicht einfach durch Deckschichten ohne Bindemittel, Rasengittersteine, Rasenfugenpflaster oder Porenpflaster hergestellt werden. Auch vermeintlich oberflächenoffene Konstruktionen sind in den unteren Tragschichten aufgrund der Ansprüche aus Verkehrsbelastung in der Regel so dicht, dass diese keine nennenswerte Wasserdurchlässigkeit haben.
Zur Schaffung verbesserter Versickerungsmöglichkeiten für Regenwasser ist beabsichtigt, die Befestigungen von Park- bzw. Stellplätzen sowie durchwurzelte Bereiche in Geh- und Radwegen stärker in den Blick zu nehmen. Neben der Sicherstellung einer dauerhaft funktionierenden Versickerungsfähigkeit müssen dafür insbesondere die eingesetzten Materialien bzw. Systeme den grundsätzlichen Nutzungs-/Funktionsanforderungen (z. B. Barrierefreiheit, Verkehrssicherheit, Dauerhaftigkeit) genügen. Leider genügen viele der hierzu bekannten Ansätze (wie Rasengittersteine, Rasenfugenpflaster und Porenpflaster) nicht umfänglich den an sie gestellten Anforderungen.
Seit Sommer 2021 begleitet die BVM eine Erprobungsphase mit dem neuartigen Rasengittersystem (Produktname: TTE®-System). Das System wurde zur Beschleunigung der Erkenntnisgewinne bei verschiedenen Baumaßnahmen und in verschiedenen Nutzungssituationen baulich umgesetzt, um binnen kürzerer Zeit ausreichende Erkenntnisse gewinnen zu können.
Dieses TTE®-System kann in Verbindung mit Rasen, ungebundenem Deckschichtmaterial, aber auch mit eckigen Pflastersteinen oder Schotterrasen Verwendung finden und diesbezüglich flexibel kombiniert werden.
Bereits jetzt steht fest, dass das TTE®-System durch seine Flächentragwirkung gegenüber herkömmlichen Rasengitterelementen (Betonstein oder Kunststoff) grundsätzliche Vorteile bietet. So ist bei Verwendung des TTE®-Systems eine geringere Dicke und Verdichtung der Tragschichten als bei herkömmlich befestigten Flächen möglich. Es eignet sich dadurch auch vielfach für die Verwendung in oberflächennah durchwurzelten Bereichen.
Zudem kann in Abhängigkeit von den darunterliegenden ungebundenen Schichten eine deutliche und beständige Wasserdurchlässigkeit erreicht werden.
Über die verschiedenen Pilotbaumaßnahmen sollen etwaige Problemfelder identifiziert und die Anwendungsgrenzen herausgearbeitet werden. Es ist beabsichtigt, definierte planerische Standardlösungen als weiteren Baustein für die Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen (ReStra) zu entwickeln.
Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) hat mit Schreiben vom 05.04.2023 wie folgt Stellung genommen:
Zu 1:
Grundsätzlich ist es das Ziel der SAGA, die Außenanlagen ihrer Bestände nachhaltig zu gestalten. Dazu gehört auch eine gute Versickerung des Regenwassers auf den Grundstücksflächen. Im Rahmen geplanter Baumaßnahmen an Außenanlagen könnten die Anforderungen aus der Bezirksdrucksache grundsätzlich umgesetzt werden, allerdings muss die jeweilige Gestaltung an das Umfeld und die Art der Nutzung im Einzelfall bewertet werden.
Darauf hinzuweisen ist, dass Anforderungen außerhalb von geplanten Um- oder Neugestaltungsmaßnahmen zu unerwartetem Aufwand und entsprechend höheren ungeplanten Kosten führen würden. Es ist zudem von einem erhöhten Pflegeaufwand und entsprechend auch höheren Betriebskosten für die Mieterinnen und Mieter auszugehen.
Zu 6:
Bewertung einer „Netto-Null-Flächenversiegelung“
Eine verstärkte Entsiegelung von geeigneten, insbesondere ungenutzten Flächen ist aus Sicht der BSW grundsätzlich eine sinnvolle Initiative, um den Anforderungen des Klimawandels zu begegnen. Dagegen erscheint das weiter reichende Ziel eines „Netto-Null-Prinzips für Versiegelung“ für die Entwicklung einer Wachstumsregion wie Hamburg nicht vorstellbar.
Hamburg wird auch zukünftig von anhaltendem Bevölkerungswachstum geprägt sein. Eine bei allen nachhaltigen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen gleichermaßen Rechnung tragende Stadtentwicklung muss daher auch die mit der wachsenden Bevölkerung einhergehenden Bedarfe an Siedlungsflächen berücksichtigen. Neben dem Bedarf an zusätzlichem und bezahlbarem Wohnraum bestehen zahlreiche weiterer Nutzungsansprüche u. a. für Bildungs- und soziale Infrastruktur, quartiersbezogene Wohnfolgeeinrichtungen, Gewerbe- und Büroflächen, Infrastruktur und neue Mobilitätserfordernisse. Trotz des bestehenden Schwerpunkts der Hamburger Stadtentwicklung auf die Innenentwicklung durch Verdichtung und Flächenkonversion sind damit zwangsläufig auch neue Flächenversiegelungen verbunden, für die sinnvolle Entsiegelungspotenziale voraussichtlich nicht in gleichem Ausmaß vorhanden sind. Ein „Netto-Null-Prinzip für Versiegelung“ erscheint daher allenfalls in einer bundesweit räumlich differenzierten Betrachtung sinnvoll.
Berücksichtigung durch den „Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau“
Es wird davon ausgegangen, dass hier der „Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau“ gemeint ist. Diese Vereinbarung zwischen dem Senat und den Bezirken (Bezirksämter und Bezirksversammlungen) hat die wesentlichen Ziele des Wohnungsbaus in Hamburg sowie Regelungen zu dessen Umsetzung zum Inhalt. Gleichzeitig beinhaltet er ausführliche Bezüge zu anderen Regelwerken, die die Vermeidung zusätzlicher Versiegelung zum Ziel haben und damit dem Grundgedanken des vorliegenden Beschlusses der Bezirksversammlung Altona bereits entsprechen. Der „Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau“ bezieht sich u. a. auf den „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“, um dessen Vorgaben ausdrücklich anzuerkennen. Im „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ verpflichten sich alle Partnerinnen und Partner auf die Ziele der Vereinbarung zur Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ und sorgen in ihrem Verantwortungsbereich für deren Umsetzung. Schwerpunkt der Vereinbarung ist zum einen die Verbesserung der Naturqualität durch Biotopwertsteigerung bei der Bewirtschaftung von Flächen (Pflege, Entwicklung, Verpachtung etc.). Zum anderen geht es um den Schutz und die Weiterentwicklung des Grünen Netzes.
Außerdem wird im „Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau“ betont, dass im Rahmen des Hamburger Klimaplans über die Umsetzung des Transformationspfads Klimaanpassung dem steigenden Risiko von Hitze- und Trockenperioden sowie von Starkregenereignissen nachhaltig begegnet werden soll. Die Versickerung, oberflächennahe Rückhaltung und Speicherung des auf den Grundstücken anfallenden Niederschlagswassers im Sinne der RegenInfraStrukturAnpassung (RISA) in Verbindung mit einem effektiven Überflutungsschutz bilden dabei einen essenziellen Baustein, um mit den Klimafolgen in Hamburg effektiv umgehen zu können und den natürlichen Wasserhaushalt zu stärken.
Im „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ haben sich die Bündnispartner explizit für eine Erhöhung der Flächeneffizienz ausgesprochen, um den Entwicklungsdruck auf Flächen in der Stadt zu mindern. Außerdem wird für die Beurteilung von Wohnungsneubauprojekten die Priorität der Innenentwicklung betont. Die Wohnungsverbände haben sich außerdem verpflichtet, bei der Quartiersentwicklung die Ziele einer wassersensiblen und hitzeangepassten Stadt- und Freiraumentwicklung im Sinne von RISA zu berücksichtigen.
Die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) hat mit Schreiben vom 12.04.2023 wie folgt Stellung genommen:
Zu 3:
Hamburg wächst und mit dem Wachstum einher geht auch ein deutliches Wachstum der Schülerinnen und Schüler um 25%. Trotz dieses enormen Wachstums gelingt es den zuständigen Behörden, durch eine kluge Standortplanung und Grundstücksflächenpolitik, den Grundstücksflächenbestand für schulische Nutzungen netto um nur rd. 1% zu erhöhen und dennoch den Schülerinnen und Schülern großzügigere und vor allem qualitativ hochwertige Außenräume als Lern- und Lebensorte zur Verfügung zu stellen. Allein in die schulischen Außenanlagen investiert der Senat im Rahmen der Umsetzung des Schulentwicklungsplans 2019 (SEPL 2019) in den folgenden Jahren rd. 350 Mio. EUR.
Im Rahmen der Außenanlagenplanung investiert die Behörde für Schule und Berufsbildung zusätzlich seit 2021 gezielt in Entsiegelungsmaßnahmen auf Schulhöfen, dort wo es auf Grund der Gegebenheiten sinnvoll. Die Maßnahmen im Bezirk Altona sind der anliegenden Tabelle zu entnehmen.
Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) hat mit Schreiben vom13.04.2023 wie folgt Stellung genommen:
Zu 5:
Die BUKEA bringt das Thema Entsiegelung in verschiedenste laufende Verfahren (Genehmigungsverfahren und stadtplanerischen Prozessen) ein. Antragsunterlagen werden in Hinblick auf die Versiegelung und die Ausgleichsmaßnahmen geprüft.
Die BUKEA arbeitet zurzeit an der Entwicklung des Entsiegelungsprogramms, in dessen Zusammenhang auch die Umsetzbarkeit eines Förderprogramms geprüft werden soll.
Im Rahmen des am 30.03.2023 vom Bundeskabinett beschlossenen „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz zur Stärkung und Wiederherstellung von Ökosystemen (ANK)“ soll ein Maßnahmenfeld für das Thema „Entsiegelungen“ entwickelt werden. Für das gesamte ANK stehen bis 2026 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung, wovon auch Entsiegelungen gefördert werden sollen. Die Förderwege für Entsiegelungsmaßnahmen aus diesem Programm werden zurzeit erarbeitet.
Die BUKEA beteiligt sich aktiv an den Arbeitsgruppen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, um finanzielle Mittel aus dem ANK in Hamburg nutzbar zu machen.
Das Bezirksamt Altona hat mit Schreiben vom 03.05.2023 wie folgt Stellung genommen:
Das Bezirksamt prüft bereits jetzt im Rahmen der Straßenplanungsmaßnahmen, wo sinnvoll Flächen entsiegelt werden können und wird dies in Zukunft gemäß dem Beschluss verstärkt tun.
Die Entsiegelung von Kfz-Stellflächen wird kritisch gesehen, da aus den Fahrzeugen Betriebsstoffe auslaufen können, die bei versickerungsfähigem Untergrund in den Boden gelangen können. Ebenso erscheinen Geh- und Radwege nur einschränkt zur Entsiegelung geeignet, da zur Förderung von Fuß- Radverkehr und insbesondere aus Gründen der Barrierefreiheit befestigte Flächen notwendig sind.
Das Thema Entwässerung wird in jedem Straßenplanungsprojekt sorgfältig geprüft und dabei die neusten Regelwerke zugrunde gelegt, beispielsweise das Wissensdokument „Hinweise für eine wassersensible Straßenraumgestaltung“ der Hamburger ReStra.
Bei Planungen in Grünanlagen wird grundsätzlich geprüft, wie versiegelte Flächen minimiert werden können. Dies ist den Klimazielen, aber auch der, auf den Flächen erforderlichen, Wasserhaltung geschuldet. Das Zurückhalten und Versickern sämtlichen anfallenden Wassers in den Grünflächen ist ein grundsätzliches Planungsziel. Dies wird planerisch und baulich gelöst.
Allerdings erfordern manche Freizeit- und Erholungsnutzungen auch Flächenversieglungen (Skaten etc.). Für witterungsunabhängige Flächen- und Wegenutzungen ist eine Flächenversiegelung teilweise erforderlich.
Im Rahmen des Klimaanpassungskonzeptes „COOL-Altona“ ist die Entwicklung eines Konzeptes für eine Entsiegelungsoffensive mitbedacht. Es besteht hierfür erstmal der dringende Bedarf zur Finanzierung einer GIS-Stelle, die u.a. bei der Kartierungsarbeit zur Identifizierung der Flächen unterstützt. Da dieses Bezirksprojekt nur auf zwei Jahre ausgelegt ist, sollte die Unterstützung zeitnah erfolgen.
Das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung benötigt die Übertragung der Dateien zu in den Punkten 2, 3 und 4 genannten identifizierten Flächen sowie die Bestätigung des Förderprogramms unter Punkt 5 zudem eine Rückmeldung der im Punkt 6 genannten Inhalte.
Für die vielen notwendigen Schritte, um eine erfolgreiche Umsetzung dieser und weiteren Themen zu sichern, besteht der Bedarf eines Klimafolgenanpassungsteams im Bezirk.
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Die Bezirksversammlung wird um Kenntnisnahme gebeten.
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