Ergänzungsantrag zur Drucksache 21-5279 "Gedenkort und ein Zeichen der Erinnerung an die Opfer eines rassistischen Brandanschlags in Hamburg-Mitte (Billbrook)"

Die Bezirksversammlung hat den nachfolgend aufgeführten Antrag der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion Drs. Nr. 22-2906 in ihrer Sitzung am 21.04.2022 einstimmig zugestimmt.

 

 

Dieser Ergänzungsantrag soll den im Hauptausschuss Hamburg-Mitte beschlossenen Antrag vom 11.06.2019, welchem dem Staatsarchiv zur Prüfung vorgelegt wurde, substantiieren.

Das Staatsarchiv hat von der Umbenennung eines Teilabschnitts abgeraten mit der Begründung, dass der stadthistorische Straßenname Halskestraße an den Ingenieur Johann Georg Halske (1814 – 1890), der 1847 mit Werner von Siemens die Firma Siemens & Halske gründete, und damit an die Entstehung der deutschen Industriegeschichte erinnert.

Die Prüfung des Staatsarchivs verkennt dabei, dass die Halskestraße über mehrere Straßenabschnitte hinweg führt und tatsächlich aufgrund der unterschiedlichen Wegeverläufe so prägend existiert, dass sich die Halskestraße nördlich, östlich sowie westlich abbildet und teilweise für nicht-ortskundige Personen stattdessen Unklarheit und Verwechslungsgefahr in der Orientierung hervorruft.

 

Die Umbenennung eines Teilabschnitts in die Châu-und-Lân-Straße würde demnach die Erinnerung an den Namensgeber keineswegs schmälern, da die Halskestraße nach wie vor im Wesentlichen bestehen bliebe. Gegenteilig käme additiv ein stadthistorisches Ereignis hinzu, welches ebenso diesen Stadtteil prägt und nicht unbeachtet bleiben sollte. Die Tat gilt als der erste dokumentierte, rassistisch motivierte und tödliche Brandanschlag der Nachkriegszeit auf eine Geflüchteten-unterkunft. Ein weiterer gewinnbringender Aspekt ist der Auftrag Bildungs- und Wissenstransfer zu leisten.

 

Mit dem Beschluss vom 11.06.2019 hat die Bezirksversammlung ihren politischen Willen kundgetan, und verleiht dem Umgang mit der Erinnerungskultur der Stadt Hamburg die entsprechende Bedeutung. Die Errichtung einer Gedenktafel soll im Zusammenhang mit der umbenannten Straße Châu-und-Lân stehen und liegt einzig allein in der Entscheidung des Bezirks. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat bereits der benannten Initiative zweckgebunden für Kunstprojekt „Zeitkapseln“, Gedenkort und -tafel 10.000 € aus dem PSP-Element 3-20501050-000002.02 (Förderfonds Bezirke) zur Verfügung stellt.

 

Schließlich steht die Änderung des Namens in die Châu-und-Lân-Straße auch in direkter Verbindung mit einer Umbenennung der anliegenden Bushaltestelle. Der HVV hat hierfür seine Bereitschaft signalisiert, weist jedoch darauf hin, dass hierzu zwingend ein Kontext hergeleitet werden muss. Das Anbringen einer Gedenktafel allein ist dafür nicht ausreichend.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung beschließen:

 

1. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, sich erneut bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass im Teilabschnitt von der Andreas-Meyer-Straße (Ring 2) bis Halskestraße/ Ecke Neue Feldhofe (in Höhe des heutigen Hotels, das 1980 als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde) eine Umbenennung von „Halskestraße“ in „Châu-und-Lân-Straße“ erfolgt. Die übrigen Teilabschnitte der Halskestraße sollen nicht umbenannt werden.

 

2. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, sich bei der zuständigen Stelle dafür einzusetzen, dass die Bushaltestellen auf beiden Seiten gemäß der Straßennamenänderung angepasst werden.

 

3. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, bei der zuständigen Behörde für Kultur und Medien (BKM) prüfen zu lassen, ob in unmittelbarer Nähe des Tatortes einen würdigen Gedenkort geschaffen werden kann. Die Bezirksversammlung wird über das Ergebnis dieser Prüfung unterrichtet.  Die BKM wird gebeten dort eine Tafel aufzustellen, die in deutscher und vietnamesischer Sprache über den Brandanschlag aufklärt und an die Opfer erinnert. Hierbei sind auch digitale Formate auf einer kleineren Gedenktafel zu prüfen (z.B. mit QR-Code).

 

4. Die Bezirksversammlung hat der Initiative schon 2019 10.000 Euro aus dem Förderfonds Bezirke (konsumtiv) zur Verfügung gestellt. Sollten diese Mittel nicht ausreichen, wird die Verwaltung gebeten der Bezirksversammlung darüber zu berichten und zu erklären, wieso mehr Mittel gebraucht werden und wie viel Geld hier gebraucht wird.

 

Der Bezirksversammlung möge über die Ergebnisse des vorliegenden Antrages berichtet werden.

 

 

Die nachfolgenden Stellungnahmen der Behörde für Kultur und Medien und des Bezirksamtes wurden der Bezirksversammlung zur Sitzung am 23.03.2023 zur Kenntnis gegeben:

 

Die Behörde für Kultur und Medien (BKM) nimmt zu den Ziffern 1 und 3 des Beschlusses mit Schreiben vom 03.06.2022 wie folgt Stellung:

 

„Die vorgeschlagene Teilumbenennung wäre grundsätzlich möglich, da auf diese Weise der historische Straßenname erhalten bliebe. Das Staatsarchiv bittet das Bezirksamt Hamburg-Mitte vorab um Übersendung einer Karte, auf der der betroffene Teilabschnitt gekennzeichnet ist, um mögliche Missverständnisse auszuschließen.

Im Jahr 2015 hatte das Bezirksamt (MR 12) dem Staatsarchiv mitgeteilt, dass eine Umbenennung nicht befürwortet werde, da die vorgeschlagenen Namen zu falscher Aussprache führen können und 35 Anwohnerinnen und Anwohner betroffenen seien. Es erscheint erforderlich, zu klären, wie viele Anwohnerinnen und Anwohner von der Teilumbenennung betroffen sind und diese entsprechend zu informieren.

Zudem hatte sich 2015 der "Verein der vietnamesischen Flüchtlinge in Hamburg e.V." in einem Schreiben an den Präses der Kulturbehörde gegen eine Umbenennung der Halskestraße ausgesprochen und sich von der entsprechenden Initiative distanziert (vgl. die Stellungnahme der BKM vom 15.07.2019, Drs. 21-5279.1). Insoweit sollte auch der Verein vorab durch das Bezirksamt informiert werden.

Für die in Ziff. 3 des Petitums genannte Aufstellung einer Erinnerungstafel liegt aus Sicht der BKM die Zuständigkeit beim Bezirksamt in Abstimmung mit der Senatskanzlei.“

 

 

Das Bezirksamt teilt zu dem Beschluss Folgendes mit:

 

Die folgende Karte zeigt den Teilabschnitt der von einer möglichen Umbenennung betroffen wäre. Dieser Ausschnitt würde dem Staatsarchiv übersandt werden.

 

 

Bzgl. Ziffer 1 des Beschlusses, der Teilumbenennung eines Abschnitts der Halskestraße, hat das Bezirksamt die folgenden Schritte unternommen.

• Es wären drei Hausnummern von einer Teilumbenennung betroffen. Die drei Grundstückseigentümer (eine Immobiliengesellschaft betreibt das Hotel, eine Immobiliengesellschaft hat 2 Mietobjekte) wurden im Juli 2022 über die geplante Umbenennung informiert und um eine Stellungnahme gebeten. Diese Anfrage ist ergebnislos verlaufen.
• Gleichzeitig wurde der „Verein der vietnamesischen Flüchtlinge in Hamburg e. V.“, der sich 2015 gegen eine Umbenennung der Halskestraße aussprach, um eine Stellungnahme zur beabsichtigten Teilumbenennung gebeten. Der Verein distanziert sich erneut von der Initiative und dem Aufstellen einer Gedenktafel.

 

 

Des Weiteren informiert das Bezirksamt über die folgenden Punkte:

 

• Nach Teilumbenennung der Halskestraße würde eine Umbenennung der Bushaltestellen durch den HVV weiterverfolgt werden.

 

• Bezüglich der Gestaltung eines Gedenkortes, inklusive einer Erinnerungstafel, wurde in einem Termin der Bezirksamtsleitung mit Vertretern des Vereins im März 2023 festgehalten, dass der Verein der zuständigen BKM ein Konzept unterbreiten wird. Die Bezirksversammlung hat hierzu bereits zweckgebunden für den Gedenkort und die Gedenktafel 10.000€ aus dem PSP-Element 3-20501050-000002.02 (Förderfonds Bezirke) 2019 zur Verfügung gestellt, s. Drs. 21-5279. Davon hat die Initiative 7.000 € abgerufen.

 

Abschließend der Hinweis, dass durch die geplante Teilumbenennung zwei benannte Flächen auf einem Flurstück liegen würden. Dies führt insbesondere beim Geodatenmanagement zu Unklarheiten, wenn etwas einer Belegenheit zugeordnet werden soll (z. B. Berichterfassung nach Unfall, Zuordnung der Straßengrenze in amtlichen Kartenwerken). Aus den Liegenschaftskarten lässt sich dann nicht genau erkennen, wo die Châu-und-Lân-Straße aufhört und wo die Halskestraße beginnt und umgekehrt. Daher sollte nach einer Teilumbenennung eine kostenpflichtige Vermessung vorgenommen werden, um die zwei Verkehrsflächen voneinander zu trennen.

 

 

Der Hauptausschuss hat in seiner Sitzung am 04.04.2023 einstimmig zugestimmt, dass

• der Antrag für die Umbenennung einer Teilfläche der „Halskestraße“ in „Châu-und-Lân-Straße“, trotz der ablehnenden Stellungnahme des "Vereins der vietnamesischen Flüchtlinge in Hamburg e. V.", dem Staatsarchiv gemeinsam mit dem Kartenausschnitt und den gewünschten Auskünften zur Information der Anwohnerinnen und Anwohnern, übermittelt werden soll.

 

• dem Bezirksamt für eine Neuvermessung nach Teilumbenennung die finanziellen Mittel in Höhe von voraussichtlich rund 1.000 € von der Bezirksversammlung aus dem Förderfonds Bezirke konsumtiv zur Verfügung gestellt werden.

 

 

Das Bezirksamt teilt mit Schreiben vom 29.02.2024 zu Ziffer 1 des Beschlusses Folgendes mit:

 

Die Teilbenennung der Halskestraße in Châu-und-Lân-Straße wurde mittlerweile beschlossen. Das Bezirksamt wird die geplante Neuvermessung beauftragen.

 

 

Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) nimmt mit Schreiben vom 09.04.2024 zu Ziffer 2 des Beschlusses wie folgt Stellung:

 

Die BVM begrüßt die Umbenennung des oben genannten Straßenabschnitts. In Abstimmung mit der Hamburger Verkehrsverbund GmbH erfolgt eine ergänzende Umbenennung der betroffenen Bushaltestelle am südlichen Ende der Straße. Aus betrieblichen Gründen erfolgt dieses zum diesjährigen Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2024. Um die Zugehörigkeit zum Knoten Moorfleet zu erhalten, wird der Haltestellenname geändert in „Moorfleet (Châu-und-Lân-Straße)“.

 

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.