Ergreifen von wirksamen Maßnahmen gegen die Nutriaplage in Bergedorf
Letzte Beratung: 09.11.2022 Umweltausschuss Ö 3
Auskunftsersuchen der BAbg. Meyns, Jacobsen Kubat und FDP-Fraktion
Seit rund fünf Jahren breitet sich die Nutria-Population in Bergedorf rasant aus. Es handelt sich um eine invasive Art, die die heimische Flora und Fauna erheblich bedroht und zu einer massiven Gefahr für Deiche und Gewässerkanten und -böschungen werden kann. Ferner können die Tiere recht angriffslustig werden und eine Gefahr für Kinder, Katzen und Hunde darstellen. Die Nutrias wiegen rund zehn Kilogramm, haben große, scharfe Schneidezähne und vermehren sich exponentiell mit jährlich rund drei Würfen pro Pärchen (mit acht bis zehn Jungtieren pro Wurf). Nutrias gelten als sogenannte Faunenverfälscher.
Nachdem in den vergangenen Jahren die Ausbreitung der Nutrias zunächst vorwiegend an der Elbe und den Nebenarmen beobachtet werden konnte, verläuft aktuell die Ausbreitung der Nutrias nun besonders offensichtlich und rasant in den sog. „befriedeten Bezirken“ (vgl. § 2 Hamburgisches Jagdgesetz). Exemplarisch seien hier die Gebiete in Neuallermöhe, am Brookdeich und an der Oberen Bille genannt.
Obgleich Spaziergänger und Passanten Nutrias gerne mit Bibern verwechseln und recht putzig finden, ist zu konstatieren, dass es sich um gefährliche Schädlinge handelt, die durch ihre ungehemmte Vermehrung insbesondere im Bezirk Bergedorf regelrecht zur Plage geworden sind, und dass daher eine konsequente Bekämpfung und Bejagung alternativlos ist.
Bereits im Sommer 2020 wurde über die Nutria-Plage in Bergedorf und Hamburg ausführlich in der lokalen Presse und im lokalen Fernsehen (NDR) berichtet. Hierbei wurde betont, dass sich die Nutrias ganz besonders stark im Bezirk Bergedorf vermehren und wie der NDR am 22.08.2020 berichtete, hatte die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft alle „Jägerinnen und Jäger eindringlich aufgerufen, die Wasser-Nager beherzt mit Gewehr oder mit Fallen zu jagen“. Bei diesem Aufruf hatte sich die Behörde für Umwelt ausschließlich auf den Ausnahmetatbestand des § 22 Hamburgisches Jagdgesetz gestützt.
Der Regionalausschuss Vier- und Marschlande der Bezirksversammlung Bergedorf war bereits mit diesem Thema befasst (vgl. Drucksache-Nr. 21-0356), jedoch bezog sich diese Befassung ganz überwiegend auf den Bereich der Marschlande und nicht schwerpunktmäßig auf die nunmehr stark betroffenen befriedeten Bezirke und innerstädtischen Bereiche. In dieser Drucksache wird ausgeführt, dass die Jägerschaft originär nicht für die Nutria-Bejagung zuständig sei, aber über das zuständige Fachamt Verbraucherschutz 2018 zwei Bisamjäger benannt und 2019 Lebendfallen (zur Überwachung per Smartphone) beschafft wurden.
Die Nutrias unterliegen in Hamburg im Gegensatz zu den meisten Bundesländern aktuell nicht dem Jagdrecht. Nach § 22 des Hamburgischen Jagdgesetzes dürfen jedoch Tiere dann erlegt werden, um Gewässer und die Pflanzen- und Tierwelt vor erheblichen Schäden zu schützen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Tierart nicht dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetz unterliegt. Eine Bejagung von Nutrias in befriedeten Bezirken im Sinne des § 2 des Hamburgischen Jagdgesetzes ist grundsätzlich gänzlich ausgeschlossen.
Die zu beobachtende laufende massive Vermehrung der Nutrias in Bergedorf zeigt, dass bisherige Maßnahmen gegen die Ausbreitung dieser invasiven Tierart in keiner Weise ausreichen und die gesetzlichen Grundlagen erkennbar keine ausreichende Grundlage für eine erfolgreiche Bekämpfung der Nutriaplage bilden.
Die Bevölkerung ist sich der Problematik der Ausbreitung und der damit einhergehenden Schäden offensichtlich noch nicht ausreichend bewusst und es herrscht erheblicher Aufklärungsbedarf.
Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) beantwortet unter Be-teiligung des Bezirksamts Bergedorf das o.g. Auskunftsersuchen vom 10.06.2021 wie folgt:
Fragen:
Wir fragen vor diesem Hintergrund die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA):
Zu 1.:
Die Nutria gilt in Deutschland und Hamburg als etabliert. Ein Zurückdrängen der Nutria er-weist sich insbesondere in den Bereichen Hamburgs als sehr schwierig, in denen sie sich bereits flächig ausgebreitet hat. Dies trifft vor allem auf den Bezirk Bergedorf zu. Zwar gibt es bisher nur vereinzelte Meldungen über durch Nutria verursachte Schäden, eine Zunahme der Meldungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Im Einzelfall kann eine Bekämpfung und Eindämmung bzw. Schadensminimierung durch jagdliche Methoden erfolgversprechend sein. Zwar unterliegt die Nutria in Hamburg nicht dem Jagdrecht, in Form einer Auslegungshilfe hat die Oberste Jagdbehörde jedoch schon 2018 festgehalten, dass eine Bejagung der Nutria gemäß § 22 Hamburgisches Jagdgesetz (HmbJagdG) durch zum Jagdschutz berechtigte Personen zulässig ist. Diese Möglichkeit können Jägerinnen und Jäger nutzen (siehe auch Antwort zu 3.). Da die BUKEA die durch die Nutria verursachten Schäden, insbesondere aus Deichsicherheits- und Naturschutzsicht, derzeit als gering einstuft, und auch nicht da-mit gerechnet werden kann, dass die Gesamtpopulation der Nutrias in Hamburg mit vertretbarem Aufwand signifikant verringert werden kann, sieht die BUKEA zurzeit keinen Nutzen einer Intensivierung der Bekämpfung. Auch das bundesweit abgestimmte Managementmaßnahmenblatt zu den Nutria sieht keine flächendeckende Bekämpfung der Tiere vor. Vielmehr gilt es punktuell wertvolle Landschaftsbestandteile zu schützen oder/und geografische Grenzen aufrecht zu erhalten und die Nutria aus noch unbesiedelten Bereichen (z.B. Neuwerk, Nigehörn) fernzuhalten.
Zu 2.:
In 2019 wurden 217 Tiere und in 2020 über 600 Tiere durch die eingesetzten zwei Bisamjäger erlegt. Lebendfallen wurden eingesetzt, die gefangenen Tiere wurden an eine andere Stelle verbracht und fachgerecht getötet. Die bisher in Hamburg tätigen Bisamjäger können alleine keine flächendeckende signifikante Dezimierung der Nutriapopulationen bewirken. Hierfür wäre das Mitwirken einer Vielzahl von Jäger*innen, weiterer Bisamjäger*innen usw. notwendig; siehe hierzu Antwort zu 1. Eine Gefährdung der 1. Deichlinie ist ausgeschlossen, da die Befestigung der Deiche über dem Lebensraum der Nutria liegt. Außerdem liegen alle Hoch-wasserschutzanlagen mit Ausnahme der Schleusengrabendeiche zu weit weg von den Ge-wässern entfernt. Die Schleusengrabendeiche werden allerdings potenziell als gefährdet ein-geschätzt. Hier schließt der Deich übergangslos an den Lebensraum der Nutria an. Zwar werden die Höhlen i.d.R. oberhalb des Mittelwasserstandes angelegt, könnten bei Hochwasser aber geflutet werden und somit ggf. zu erheblichen Deichschäden führen. Die entsprechenden für die Deichsicherheit zuständigen Stellen werden hierzu unterrichtet und achten vor Ort auf Schäden.
Zu 3.:
Zuständig für Managementmaßnahmen bezüglich der Nutria ist derzeit die BUKEA. Zukünftig soll das Management der weit verbreiteten invasiven gebietsfremden Arten, zu denen auch die Nutria gehören, den Bezirken übertragen werden. Die Bekämpfung der Nutria können Bisamjäger, die Stadtjäger sowie die hamburgische Jäger*innenschaft und entsprechend befähigte Schädlingsbekämpfer*innen durchführen.
Die Bekämpfung der Nutria mit jagdlichen Methoden in befriedeten Bezirken erfolgt auf Grundlage des § 4 Absatz 1 Tierschutzgesetz in Verbindung mit den § 2 Absatz 2 f und § 22 Absatz 1 Ziffer 3 HmbJagdG.
In Abstimmung mit der für das Waffenrecht und § 2 Absatz 2 Satz 4 Landesjagdgesetz zu-ständigen Behörde für Inneres und Sport können Eigentümerinnen oder Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von befriedeten Bezirken sowie deren Beauftragte die Jagd auf Nutria auch mit der Schusswaffe als sogenannte Stadtjäger*innen in befriedeten Bezirken ausüben, soweit sie die Voraussetzungen des § 2 Landesjagdgesetz erfüllen.
Im Zuge der Erweiterung der Naturschutzgebiete Boberger Niederung und Kirchwerder Wiesen werden derzeit auch die entsprechenden Schutzgebietsverordnungen überarbeitet. Hier wird geprüft unter welchen Bedingungen die Bekämpfung von invasiven gebietsfremden Arten ermöglicht werden kann. Dies soll, sofern weitere Schutzgebietsverordnungen überarbeitet werden und die Festsetzung hier auch fachlich angemessen ist, auch auf diese übertragen werden.
Zu 4.:
Die BUKEA prüft derzeit die Möglichkeit einer Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der Nutria mit jagdlichen Methoden. Eine Aufnahme in das Hamburger Jagdrecht ist nicht vorgesehen.
Zu 5.:
Ein speziell auf den Bezirk Bergedorf zugeschnittenes Konzept wird durch die BUKEA nicht angestrebt.
Zu 6.:
Die BUKEA informierte bei einem Symposium im Jahr 2018 zusammen mit der Loki-Schmidt-Stiftung und der Revierförsterei Bergedorf zum Thema Fischotter, Biber und Nutria. Außerdem informiert die BUKEA über den Internetauftritt der Abteilung Naturschutz ausführlich über die Nutria (www.hamburg.de/nutria). Ein Faltblatt informiert zudem über Nutria und Bisam in Abgrenzung zu den geschützten Tierarten Biber und Fischotter.
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