22-1672

Anhörung der Bezirksversammlung und Information der Nachbarschaft zum Dublin-Zentrum sicherstellen Beschluss der Bezirksversammlung vom 03.04.2025 (Drs. 22-1315)

Mitteilungsvorlage BV-Vorsitz

Letzte Beratung: 12.06.2025 Bezirksversammlung Wandsbek Ö 14.9

Sachverhalt

Folgender Beschluss wurde gefasst:

Die zuständige Fachbehörde wird gebeten,

1. darzulegen, welche konzeptionellen und rechtlichen Erwägungen, dem Unterbringungskonzept zugrunde liegen;

2. darzulegen, von welcher Unterbringungsdauer die Fachbehörde auf Basis welcher Annahmen ausgeht, wenn Betroffene an ihrer Ausreise bzw. Abschiebung

a. mitwirken oder

b. nicht mitwirken;

3. mitzuteilen, welche rechtlichen Grenzen für geplante Leistungsausschlüsse zu beachten sind. Welche verfassungs- und europarechtliche Rechtsprechung ist insoweit relevant?

4. mitzuteilen, welche Pläne und Konzepte bestehen, Kinder und Jugendliche unterzubringen;

5. darzulegen, welche Gremien, Anwohner und Nichtregierungsorganisationen die Fachbehörde in weitere Planungen, Konzepte und Überlegungen einbeziehen wird bzw. warum eine solche Beteiligung ggf. nicht erforderlich ist.

Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) nimmt wie folgt Stellung:

Zu 1.:

Zur Vorbereitung des Dublin-Zentrums ist in Abstimmung der zuständigen Fachbehörden ein Konzept erstellt worden, das der Bezirksversammlung in der Anlage zur Verfügung gestellt wird.

Zu 2.:

Die Unterbringungsdauer ist angesichts der kurzfristig zu erwartenden Überstellungen auf wenige Wochen ausgerichtet. Eine dauerhafte Unterbringungssituation soll nicht entstehen.

Nach den ersten Erfahrungen mit den Überstellungen aus dem Dublin-Zentrum zum Stand 9. Mai 2025 kann angenommen werden, dass ein Mitwirken an der Überstellung die Dauer der Unterbringung verringern kann, insbesondere wenn die Person zu den im Fall von kontrollierten Überstellungen mitgeteilten Überstellungsterminen ihre Anwesenheit sicherstellt. Mit Stand 9. Mai 2025 fand von zwölf Überstellungenaus dem Dublin-Zentrum eine kontrollierte Überstellung wegen erklärter Freiwilligkeit statt. Die Person war sechs Tage im Dublin-Zentrum untergebracht. Ihre Unterbringungsdauer lag damit 15 Tage unter dem Durchschnitt der anderen aus dem Dublin-Zentrum überstellten Personen.

Zu 3.:

Rechtsgrundlage für den Leistungsausschluss ist § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (im Folgenden „AsylbLG“). Voraussetzungen für die Anwendung der Norm sind, dass ein Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 31 Absatz 6 des Asylgesetzes (im Folgenden „AsylG“) als unzulässig abgelehnt, eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 S. 1 zweite Alternative des AsylG angeordnet wurde und dass nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist. Dem letzten Merkmal wird vom BAMF unter Verweis auf die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 20/13413, S. 53) lediglich klarstellender Charakter beigemessen und das Gesetz seitens des BAMF daher so ausgelegt, dass die nach § 34a AsylG vorgenommene Prüfung über die Zulässigkeit der Abschiebungsanordnung die Ausreisemöglichkeit enthält. Diese Wertung hat das Hamburger Sozialgericht in drei Beschlüssen in erster Instanz nicht bestätigt (SG HH Beschl. v. 11.04.2025, S AY 188/25; Beschl. v. 17.04.2025, S7 AY 196/25 ER; Beschl. v. 17.04.2025, S 5 AY 195/ER). Aktuell wird eine Beschwerde gegen die Beschlüsse geprüft, da nach hier vertretener Auffassung die Aussagen in der Entscheidung des BAMF über die Ausreisemöglichkeit Bindungswirkung für die Leistungsbehörden entfalten.

Darüber hinaus setzt die Anwendung jeder Norm deren Europa- und Verfassungsrechtmäßigkeit voraus. Daran bestehen perspektivisch keine Bedenken, da § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG der Neufassung der Aufnahmerichtlinie Rechnung trägt. In Art. 21 RL (EU) 2024/1346 ist ausdrücklich geregelt, dass Asylantragsteller ab dem Zeitpunkt, zu dem ihnen eine Entscheidung mitgeteiltwurde, sie gemäß der VO (EU) 2024/1351 in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, keinen Anspruch auf im Rahmen der Aufnahme gewährte Vorteile in einem anderen Mitgliedstaat haben als dem, in dem sie sich gemäß der VO (EU) 2024/1351 aufzuhalten haben. Die EU-Mitgliedstaaten haben damit den auch § 1 Abs. 4 AsylbLG zugrundeliegenden Gedanken geregelt, wonach die Versorgung der Asylbewerber nach den Maßstäben der Aufnahmerichtlinie sichergestellt ist, aber nur von dem für das Verfahren zuständigen Mitgliedstaat zu leisten ist.

Ungeachtet dessen gilt bis zum 12. Juni 2026 die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU. Danach sind im Rahmen der Aufnahme als materielle Leistungen neben Unterkunft, Verpflegung und Kleidung insbesondere Geldleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs zu gewähren. Die Hamburger Entscheidungspraxis zu den zweiwöchigen Überbrückungsleistungen nach § 1 Abs. 4 S. 2 AsylbLG beinhaltet daher aktuell die Gewährung eines Geldbetrages die Körperpflege. Der notwenige persönliche Bedarf beträgt in Hamburg derzeit in der Regelbedarfsstufe 1 (alleinstehende erwachsene Person) 18,97 Euro pro Monat (vgl. Anlage 4 der Fachanweisung AsylbLG) und umfasst den engen Körperpflegebegriff. Die in dem Bedarfssatz (Abteilung 12) enthaltenen Güter und Dienste für die Körperpflege gehören zum soziokulturellen Existenzminimum und sind deshalb in vollem Umfang regelbedarfsrelevant (vgl. BT-Drucksache 19/22750). Es werden danach Geldleistungen in Höhe von 8,85 Euro erbracht. Laut der Gesetzesbegründung sind neben der Erbringung in Form der Sachleistung insbesondere die Nutzung einer Bezahlkarte und die Ausgabe von Wertgutscheinen möglich.

Zu 4.:

Nach aktueller Rechtslage sind gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG grundsätzlich auch Kinder und Jugendliche vom Leistungsausschluss betroffen. In der aktuellen Erprobungsphase des Dublin-Zentrums wird von einer Umsetzung und damit der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen im Dublin-Zentrum abgesehen, da die Gewährung der als Sachleistungen zu erbringenden Überbrückungsleistungen unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Kindern (vgl. § 1 Abs. 4 S. 6 AsylbLG) am aktuellen Standort des Dublin-Zentrums organisatorisch nicht realisierbar ist.

Zu 5.:

Eine umfassende Bürgerbeteiligung ist anders als etwa bei Eröffnung einer neuen Einrichtung in diesem Fall nicht erforderlich, da die Entscheidung, in welcher Halle des Ankunftszentrums einer Person ein Unterbringungsplatz zugewiesen wird, auf internen Organisationsprozessen beruht.

Die Nutzung einer bisher als Reservehalle genutzten Einheit des Ankunftszentrums als Dublin-Zentrum ist keine wesentliche Veränderung einer Einrichtung nach § 28 Satz 1 Nr. 9 BezVG. Weder die Art noch der Umfang der Nutzung sind verändert worden. Die Halle diente von Beginn an der Unterbringung von Geflüchteten. Der Charakter der Erstaufnahme bleibt ebenfalls grundsätzlich unverändert, insbesondere erfolgen keine besonderen Maßnahmen der Überwachung. Ihre Kapazität von 300 Plätzen ist nicht erhöht worden. Angesichts der Zielrichtung, die Überstellungsprozesse effizienter zu gestalten, würde sich die Zahl der insgesamt auf dem Areal Bargkoppelweg untergebrachten Personen perspektivisch verringern. Im Kern dient das Dublin-Zentrum also der Optimierung der internen Verfahrensabläufe.

Petitum/Beschluss

Die Bezirksversammlung nimmt Kenntnis.

Bera­tungs­reihen­folge
Datum/Gremium
TOP
12.06.2025
Ö 14.9
Anhänge
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