Frau Sahling eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden zur ersten Präsenzsitzung nach der Sommerpause. Sie erläutert die Regeln des nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung geltenden Hygienekonzepts und bittet um deren Einhaltung.
Frau Sahling erteilt dem Geschäftsführer der Margaretenhort gGmbH das Wort.
Dieser habe dem Jugendhilfeausschuss 2016 zugesagt, über den Aufarbeitungsprozess zu den Vorfällen im Margaretenhort in den 1970er und 1980er Jahre zu informieren, was nun der Fall sei. Die von Frau Dr. Winkler im Anschluss vorgestellte Studie beziehe sich auf das ehemalige evangelische Kinderheim Margaretenhort in der Haakestr. 98. Heute sei der Rechtsnachfolger der Kirchenkreis Hamburg-Ost. Für den Aufarbeitungsprozess zeichnen er und die Pröbstin des Kirchenkreises Hamburg-Ost verantwortlich. Zu Beginn des Aufarbeitungsprozesses habe sich das Landeskriminalamt mit den Vorfällen auseinandergesetzt mit dem Ergebnis, dass man von Verjährung ausgehen müsse.
Der Kirchenkreis Hamburg-Ost habe gemeinsam mit der Margaretenhort gGmbH im Herbst 2016 beschlossen an die Öffentlichkeit zu gehen, um mit Betroffenen und Verantwortlichen (Heimleiter, Behördenmitarbeiter, etc.) in Kontakt zu kommen. Hierzu gab es zwei Informationsveranstaltungen mit Pressebeteiligung. Ziel des Aufarbeitungsprozess sei es, die Vorfälle zu verstehen sowie zu erfahren, welche Rahmenbedingungen und Strukturen diese Gewaltausbrüche ermöglicht haben. Die Margaretenhort gGmbH habe intern und parallel zu der nachfolgenden Studie die Vorgänge aufgearbeitet, um Schlussfolgerungen für die präventive Arbeit zu ziehen. Eine positive Entwicklung sei die vermehrte Thematisierung von Schutzkonzepten. Das aktualisierte Schutzkonzept der Margaretenhort gGmbH könne auf der Homepage eingesehen werden. Es werde verstärkt Wert auf Partizipation und Qualifikation auf dem Gebiet der Traumapädagogik gelegt. Ein Nutzerinnenparlament werde entwickelt.
Seit 2018 gäbe es Kontakt zu Frau Dr. Winkler und mit ihr eine weitere, strukturierte Fachquelle. Sorgfältiges Recherchieren und Detailarbeit seien in den Fokus gerückt. Weitere Akteure seien im Aufarbeitungsprozess beteiligt worden, wie z.B. Personen, die am Runden Tisch der Bundesregierung zur Aufarbeitung von Kindesmissbrauch mitgearbeitet haben, Mitarbeiter des UKE, die sich zu dem Thema in der Öffentlichkeit äußern, etc.
Für die Zukunft sollen fachliche Anforderungen und die sich daraus ergebenden, notwendigen Qualifizierungen verstärkt thematisiert werden.
Frau Dr. Winkler, selbstständige Politikwissenschaftlerin und Historikerin, ergreift das Wort. Sie stellt ihre Studie zum Thema „Kein sicherer Ort: Der Margaretenhort in Hamburg-Harburg in den 1970er und 1980er Jahren“ (Verlag für Regionalgeschichte ein Imprint von Aschendorff Verlag GmbH und Co.KG, ISBN 978-3-7395-1285-3) vor, welche als Buch und E-Book erhältlich sei.
Der Vortrag sei in 3 Bereiche unterteilt:
1. Quelle und Methodik,
2. Vorstellung von Gewaltvorfällen,
3. Faktoren, Bedingungen und Strukturen, die die Gewaltvorfälle begünstigten.
Es solle untersucht werden, weshalb die Schilderungen der Betroffenen zu der damaligen Zeit nicht ernst genommen worden seien. Mit der Untersuchung sexueller Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen betrete Frau Dr. Winkler Neuland. Es habe nicht nur sexualisierte Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen gegeben, sondern auch andere Formen grenzüberschreitender Gewalt, wie z.B. Gewalt von Seiten der Erzieher:innen gegenüber den Kindern/Jugendlichen und umgekehrt.
Die Gewaltvorfälle betrachte sie in der Studie nicht als Einzelfälle, sondern den Alltag im Margaretenhort als Gesamtheit. Eine wichtige Rolle habe die Untersuchung der Beziehungen der Betroffenen zu Personen außerhalb des Margaretenhorts gespielt. Besondere Aufmerksamkeit habe sie auf die Architektur (Räumlichkeiten) gelegt, die Gewalttaten begünstigte.
Im ersten Teil ihres Vortrages nennt Frau Dr. Winkler als wichtigste Quellen für die Studie, die intensiven Gespräche u.a. mit dem ehemaligen Heimleiter, Erzieherinnen, Betroffenen sowie die Ergebnisse aus den seelsorglichen Gesprächen, welche die Pröbstin des Kirchenkreises Hamburg-Ost sowie der Geschäftsführer der Margaretenhort gGmbH geführt haben. Versuche, weitere Gesprächspartner:innen aus dem Kreise der Beschäftigten bzw. der ehemaligen, stellvertretenden Heimleiterin zu gewinnen, blieben erfolglos. Wichtige Perspektiven hätten daher nicht berücksichtigt werden können. Im Hinblick auf die Wahrung der Würde und der Integrität der Opfer seien die Tatbeschuldigten bewusst unberücksichtigt geblieben.
Aufgrund des komplexen und konfliktreichen Forschungsprojektes entschied sie sich für Leitfadeninterviews und weist explizit darauf hin, dass alle Textstellen, in denen sie Bezug auf die Interviewpartner:innen genommen bzw. zitiert habe, autorisiert worden seien. Des Weiteren habe ein Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht die Studie geprüft.
In den Unterlagen unterschiedlicher Archive, z.B. dem Staatsarchiv, habe man keine Einträge hinsichtlich Gewaltvorwürfe gefunden.
Im zweiten Teil ihres Vortrages berichtet die Referentin über konkrete Gewaltvorfälle.
Der dritte Teil des Vortrages befasse sich mit der Ursachenforschung.
Besonders gefährdet seien die jüngsten und einsamsten Heimbewohnerinnen gewesen. Die Erziehung der Kinder und Jugendlichen im Margaretenhort erfolgte nach dem Familienkonzept. Dieses habe sich speziell als Gruppenmodell mit ca. 12 Kindern und Jugendlichen zum damaligen Zeitpunkt bereits als überholt erwiesen.
Fatal sei die nicht nach Jungen und Mädchen getrennte Raumaufteilung gewesen. Fünf der Räumlichkeiten im Margaretenhort erwiesen sich als besonders gefährliche Orte für Gewalttaten. Der damalige Architekt habe Räume der Angst geschaffen ohne es zu beabsichtigen.
Mangels qualifizierten Personals haben verlässliche Bezugspersonen gefehlt - eine durchgängige Beaufsichtigung sei nicht möglich gewesen. Das vorhandene Personal erwies sich als überfordert und eine hohe Fluktuation war die Folge.
Eine weitere Ursache für die Gewaltvorfälle sei die steigende Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit starken Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Erkrankungen. Ab den 1980er Jahren erfolgte eine professionellere Unterstützung des Personals aufgrund der Einstellung von Sozialpädagogen und Psychologen. Kompetenzprobleme wirkten dem entgegen. Unterschiedliche Erziehungsmethoden verbunden mit inkonsequentem Handeln der Erzieherinnen förderte die aggressive Grundstimmung. Problematisch habe sich die unzulässige Vermischung von Privatem und Beruflichem der Erzieherinnen erwiesen.
Die Schilderungen von Betroffenen seien als Lügen bzw. Träumereien ausgelegt worden. Die nicht auf Augenhöhe geführte Kommunikation habe zu Misstrauen geführt. Eine weitere Rolle habe die überwiegende Anzahl der Kinder und Jugendlichen im Margaretenhort mit dem Stigma einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensgestörtheit gespielt.
Aufgrund der Tatsache, dass die Täter und die Personen, die Bescheid wussten, keine Verantwortung für ihr Handeln bzw. für ihr Unterlassen übernommen haben, sei die Schuld und die Scham bis heute bei den Betroffenen geblieben.
Verständnisfragen werden beantwortet.
Frau Anna Möller stellt sich als Mitglied der AG Ombudsarbeit für das Bezirksamt Harburg vor. Die Fachstelle Ombudsarbeit bestehe jetzt und werde hamburgweit tätig sein. Es sei der Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg geworden. Die beiden Geschäftsführerinnen seien im Dienst und die gesamte Fachstelle Ombudsarbeit werde ab Oktober personell arbeitsfähig sein. Diese werden das Konzept an einigen zentralen Eckpunkten für ganz Hamburg vereinheitlichen. Im Rahmen der AG bestehe die Möglichkeit, das Konzept für Harburg anzupassen. Ende 2021 solle es die erste öffentliche Werbung für an einem Ehrenamt interessierte Personen geben. Die Fachstelle werde Ansprechpartner für diesen Personenkreis sein, Infoveranstaltungen organisieren und geeignete Personen qualifizieren.
Der Start der zweiten Werbung „Ganz Hamburg startet jetzt bezirksübergreifend mit der Ombudsarbeit“ sei noch unklar und abhängig von der Akquise ausreichend geeigneter Personen. Der Start werde für Sommer 2022 anvisiert.
Frau Möller schlägt vor, beide Geschäftsführerinnen für die Novembersitzung des Jugendhilfeausschusses einzuladen, um über ihre Arbeit zu berichten.
Frau Sahling stimmt dem Vorschlag zu.
Herr Hinrichs informiert, die Globalrichtlinie der OKJA sei verändert worden und befinde sich zur internen Abstimmung bei der Sozialbehörde. Ende Oktober soll diese den Bezirksämtern vorliegen, um diesen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Idee sei, Vertreter der Sozialbehörde einzuladen, um Unterschiede zwischen dem bisherigen und aktuellen Entwurf der Globalrichtlinie darzulegen.
Herr Thomsen schlägt vor, die Vertreter der Sozialbehörde für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 06.10.2021 einzuladen.
Seit über 20 Jahren organisiert der Mädchenarbeitskreis Harburg-Süderelbe in Kooperation mit mehreren Einrichtungen des Bezirks eine 1-wöchige Reise für 30 Mädchen an die Ostsee. Ein Video von dieser Reise wird gezeigt.
Fragen zu dem Video können gerne per Mail an die Vertreterinnen des Mädchentreffs gerichtet werden.
Ein beratendes Mitglied aus der AG 78 informiert, auf der letzten Sitzung sei der Bereich Sozialraumorientierung im Bezirk Harburg thematisiert worden. Fünf Mitglieder der Freien Träger aus den Bereichen OKJA, FamFö, HzE und SAE hätten sich bereit erklärt, in der Begleitgruppe Sozialraumorientierung mitzuarbeiten. In der AG 78 seien in kleinen Arbeitsgruppen Themen aus allen Bereichen erarbeitet worden, die den fünf Mitgliedern für die Arbeit in der Begleitgruppe mitgegeben werden.
Herr Thomsen informiert zu folgenden Themen:
1. Besetzung Jugendhilfeausschuss
Der Platz, den bisher der Landesjugendring im Jugendhilfeausschuss besetzt habe, werde nach Rücksprache mit dem Rechtsamt umfänglich ausgeschrieben.
2. Besetzung Geschäftsstelle Jugendhilfeausschuss
Die Geschäftsstelle für den Jugendhilfeausschuss sei weiterhin nicht besetzt. Der Jugendhilfeausschuss werde daher von Frau Haase und Frau Hypko betreut.
3. Bundesprogramm „Aufholen nach Corona“
Das Bundesprogramm „Aufholen nach Corona“ umfasst Fördermittel in Höhe von 1 Mrd. €. Die Vergabe dieser Mittel sei für vier Bereiche vorgesehen:
für Ferienprogramme und außerschulische Angebote,
Hamburgweit werde mit 1,5 Mio. € gerechnet, die in die Bezirke fließen werden. Die Federführung liege bei der Behörde für Schule und Berufsbildung. Die Aufteilung sei noch nicht abschließend geklärt, vermutlich werden die Mittel geschlüsselt in die Bezirke verteilt. Mit diesen Mitteln dürften keine neuen Projekte organisiert oder neue Strukturen geschaffen werden, sondern vorhandene sollen gestärkt werden. Die gesamte Maßnahme endet zum 31.12.2022. Wenn die Rahmenbedingungen bekannt seien, werden die Fördermittel schnellstmöglich eingesetzt. Es handele sich dabei um eine Zweckzuweisung an das Bezirksamt. Verstärkungsmittel für Ferienprogramm werde es geben, die Höhe sei noch nicht bekannt.
4. Stellenbesetzung ASD
1,5 Stellen im ASD seien ausgeschrieben. Mittlerweile konnten Mitarbeiter:innen für den ASD gewonnen werden.
Drei Studenten hätten aktuell ihre Tätigkeit im ASD aufgenommen. Diese studieren in Hamburg im neuen dualen Studiengang „Soziale Arbeit“. Zwei Studenten seien in Harburg-Kern und eine Studentin in Süderelbe eingesetzt. In absehbarer Zeit werden sie an der Fachhochschule studieren, ehe sie ab Februar 2022 regelhaft im ASD tätig sein werden.
5. Begleitgruppe Sozialraumorientierung (SRO)
Die Träger hätten sich gemeldet. Die benannten Personen werden für ein zeitnahes Treffen eingeladen. Vertreter der Sozialbehörde sowie Frau Dr. Jobmann nehmen teil. Die Begleitgruppe werde das Verfahren organisieren und das Thema in Harburg gut platzieren.
6. Informationen aus dem Fachamt Sozialraummanagement (SR)
Am 13.09.2021 finde eine digitale Podiumsdiskussion mit Schülerinnen zur Bundestagswahl statt. Alle sechs Parteien, die im Bundestag vertreten seien, hätten ihre Teilnahme zugesagt. Die Vertreter der Parteien treffen sich im Studio der Lawaetz-Stiftung und von dort werde live in die Schulen übertragen. Die Moderation werden Frau Birgit Langhammer und Herr Andre Schülke übernehmen.
Der Unterausschuss Haushalt werde am 20.09.2021, 18 Uhr, per Skype tagen. Herr Künne werde zeitnah einladen.
7. Stellenbesetzung Frühe Hilfen
Die Stelle der Koordinatorin Frühe Hilfen sei vakant. Diese werde zeitnah ausgeschrieben.
Frau Többen informiert, die Stelle der Straßensozialarbeit könne zum 01.09.2021 besetzt werden. Die Leitungsstelle für das Haus der Jugend, Steinickestraße, sei bereits besetzt.
Als Tagesordnungspunkte für die Oktobersitzung werden folgende Themen vorgesehen:
- Frühe Hilfen: Vortrag in Zusammenarbeit mit Margaretenhort und Kinderschutzzentrum
- Globalrichtlinie der OKJA: Einladung Vertreter der Sozialbehörde
- Arche: Einladung Herr Lucht als Referent
Die Niederschrift wird einstimmig genehmigt.
Herr Michael Schaefer fragt nach dem aktuellen Sachstand des im Jugendhilfeausschuss am 02. Juni 2021 durch einen Vertreter des Harburger Integrationsrates (HIR) vorgestellten Projektes zur Förderung der Integration in Wilhelmsburg (Drs. 21-1350).
Frau Dr. Jobmann informiert, es habe vor ca. vier Wochen ein Treffen mit Vertretern des HIR und dem Leiter des Projektes in Wilhelmsburg gegeben. In diesem Rahmen wurde sich über die weitere Vorgehensweise verständigt und festgestellt, dass in Harburg nicht die Rahmenbedingungen wie in Wilhelmsburg vorhanden seien. Herr Ludwig vom Fachamt SR werde eruieren, wie viele psychomotorische Bewegungsangebote in Harburg bereits bestehen. Es werde geprüft, welche Strukturen vorhanden seien und welche Kooperationen eingegangen werden könnten. Eine konkrete Zeitleiste sei nicht verabredet worden. Man müsse die Ergebnisse aus dem Fachamt SR abwarten und werde im Jugendhilfeausschuss unter TOP Verschiedenes berichten.
Herr Dhemija erkundigt sich nach den Räumlichkeiten für die kommenden Sitzungen des Jugendhilfeausschusses, um die Teilnahme der persönlichen Stellvertreter und der nicht stimmberechtigten Mitglieder zu ermöglichen.
Herr Thomsen erwähnt die Kurzfristigkeit dieser Präsenzsitzung. Es werde versucht, größere Räume extern anzumieten. Frau Sahling ergänzt, dass ggfs. der Große Saal und die Nebenräume im Harburger Rathaus für die nächsten Sitzungen genutzt werden könnten. Hierbei wäre eine verbindliche Anmeldung vorab hilfreich.