Stellungnahme zum Projekt "Umbau Schützenhaus Sinstorf"
Bezirksamt Harburg 22. Dezember 2022
Dezernat Soziales, Jugend und Gesundheit
Vorlage der Verwaltung
Betrifft: Umnutzung des ehemaligen Schützenhauses und Schießstands Sinstorfer Kirchweg in ein Bewegungszentrum für ein psychomotorisch-integratives Angebot „Bewegung und Sprache“ und eine sportliche Nutzung
Der SV Grün Weiss Harburg von 1920 e.V. (GWH) und der Harburger Integrationsrat (HIR) haben beschlossen, bei der Umnutzung des ehemaligen Schützenhauses und Schießstands Sinstorfer Kirchweg zusammenzuarbeiten. Der Kleinkaliber-Schießstand soll umgebaut und dabei insbesondere das Dach von 3,5 m auf 6 m Höhe angehoben werden. Dieser Umbau ist erforderlich, damit für das psychomotorisch-integrative Angebot „Bewegung und Sprache“ der notwendige Bewegungsparcours realisiert werden kann. Außerdem ist ein Umbau erforderlich, damit die Flächen für die Sportangebote von GWH nutzbar sind. Details können dem beiliegenden Begründungspapier mit Nutzungskonzept und wissenschaftlicher Expertise zum psychomotorisch-integrativen Angebot „Bewegung und Sprache“ entnommen werden.
Eine erste Bauvoranfrage von GWH, die primär auf eine rein sportliche Nutzung abzielte, wurde abschlägig beschieden; dabei wurde u.a. auf die Unverträglichkeit von Nutzungsänderung und sportlicher Nutzung mit dem bestehenden Landschaftsschutz verwiesen.
Erörterung
Aus Sicht des Bezirksamts liegen die Realisierung des Umbaus und die Durchführung der Angebote in besonderer Weise im öffentlichen Interesse.
Die Bezirksversammlung möge beschließen:
Gez. Fredenhagen
BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG
Der Vorsitzende
02.05.2023
Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) nimmt zum o.g. Beschluss wie folgt Stellung:
Im Rahmen der Übermittlung des Beschlusses der Bezirksversammlung (BV) Harburg vom 05.01.2023 (Drs. 21-2632) wurde eine neue Planung vorgelegt. Folgende Feststellungen können gemacht werden:
Soweit erkennbar entsprechen die baulichen Planungen denen aus dem Jahr 2021. Eine Umplanung eines Verbindungsgangs, um einen Eingriff in einen größeren Gehölzbestand zu vermeiden, wurde vorgesehen.
Der jetzige Unterschied des Vorhabens gegenüber den Planungen aus 2021 besteht nicht in der baulichen Struktur, sondern in der geplanten Nutzung, die zu einem Teil dem integrativen Angebot „Bewegung und Sprache“ dienen soll. Durch die vorgesehene Nutzung des Gebäudes von 65 h pro Woche ist von einer starken Nutzungsintensivierung auszugehen. Diese kann gegebenenfalls durch Planänderungen, wie z. B. Beschränkung der Zufahrtsmöglichkeit, Verbesserung der ÖPNV-Anbindung, Abschirmung der freien Landschaft durch zusätzliche Pflanzung von Gehölzpflanzungen oder Fassadenbegrünung abgefedert werden.
Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) kann eine Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist.
Im vorliegenden Fall würde sich das öffentliche Interesse allenfalls auf das Projekt „Bewegung und Sprache“ als zeitliche Teilnutzung darstellen. Der Umfang des Angebots beläuft sich auf 25 h pro Woche und stellt damit nur einen untergeordneten zeitlichen Anteil einer möglichen Nutzung von ca. 65 h pro Woche dar – entsprechend dem Konzeptpapier Umbaumaßnahme Schützenhaus Sinstorf. Die Begründung des Umbaus der Schießhalle u.a. mit dem integrativen Angebot „Bewegung und Sprache“ ist nicht neu. Bereits in 2021 bot H/D3 die Begleitung eines neuen Nutzungskonzepts für das Projekt „Bewegung und Sprache“ unter Berücksichtigung der konkreten Standortvorteile an. Seitens der BUKEA erfolgte auf diesen Vorschlag umgehend eine ablehnende Stellungnahme hierzu.
Dass eben diese Teilnutzung an dieser Stelle alternativlos sein soll, erschließt sich nicht. Das rechtlich geforderte überwiegende öffentliche Interesse lässt sich derzeit nicht erkennen.
Zudem müsste ein so genannter atypischer Sonderfall für ein zugleich singuläres Vorhaben vorliegen. Die Aufstockung der Halle ist dabei wie ein sonstiges Bauvorhaben zu betrachten und somit kein singulärer Sonderfall. Auch die Anforderung einer Atypik ist damit nicht erfüllt.
Nach § 67 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG kann eine Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Der Einzelfall ist dahingehend auszulegen, dass es sich – etwa gegenüber anderen Eigentümern im Landschaftsschutzgebiet (LSG) – um ein verschiedenes Sonderinteresse handelt. Dieses ist offensichtlich nicht der Fall, da das relevante Bauverbot für das gesamte LSG und damit für alle potenziell Bauwilligen gilt.
Eine unzumutbare Belastung kann ebenfalls nicht angenommen werden. Zunächst besteht keine Belastung, da die derzeitige Nutzbarkeit des vorhandenen Gebäudes und des Grundstücks weiterhin gegeben ist. Eine Unzumutbarkeit könnte angenommen werden, wenn sich die Belastung – durch die Verwehrung einer Baugenehmigung – wegen ihrer Besonderheit und Schwere als unangemessen erweist. Wirtschaftliche Belange des Eigentümers spielen dabei keine Rolle. Auch die Unzumutbarkeit ist damit nicht zu erkennen.
Basierend auf den Anlagen zur Drs. 21-2632 erscheinen die genannten Anforderungen aus § 67 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG sämtlich nicht erfüllt. Insofern kann an dieser Stelle von einer Auseinandersetzung mit der zusätzlichen Anforderung einer Vereinbarkeit mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege abgesehen werden.
Das Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des Baustufenplans Harburg, der an dieser Stelle „Außengebiet“ ausweist. Entsprechend ist, nach Bewertung durch H/WBZ20, hier § 35 Baugesetzbuch (BauGB, Bauen im Außenbereich) anzuwenden. Nach § 35 Abs. 2 BauGB wurde das Vorhaben als unzulässig eingestuft, da gravierende und maßgebliche Beeinträchtigungen öffentlicher Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB vorlagen. Die Baukommission Harburg kam am 16.12.2021 zum Entschluss, dass das Bauvorhaben entsprechend § 35 BauGB nicht genehmigungsfähig ist.
Die BUKEA sieht hier die Möglichkeit, das Vorhaben nach § 34 BauGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 LSG-VO und § 5 Abs. 3 Nr. 1 LSG-VO zu genehmigen. Die Prüfung obliegt dem Bezirksamt.
Sollte dies nicht möglich sein, regt die BUKEA die Aufstellung eines Bebauungsplanes an, in dem die unterschiedlichen Belange entsprechend abgewogen werden können. Es ist dabei zu beachten, dass Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm jeweils anderslautende Inhalte darstellen und von daher ggfs. angepasst werden müssten.
gez. Heimath
f.d.R.
Riechers