Stellungnahme zum Gem. Antrag der GRÜNE- und SPD-Fraktion betr. Tempo 30 im Ernst-Bergeest-Weg
Letzte Beratung: 16.02.2023 Ausschuss für Mobilität und Inneres Ö 4
Der Ernst-Bergeest-Weg zählt bisher zum Hauptverkehrsstraßennetz der Stadt Hamburg. Er verbindet den Marmstorfer Weg mit der Bremer Straße und in seinem Verlauf befinden sich die zentralen Einrichtungen des Stadtteils: Am östlichen Ende die Auferstehungskirche, von dort aus in Richtung Westen die Grundschule Marmstorf, die Elbkinder-Kita Ernst-Bergeest-Weg, das Gemeindehaus der Auferstehungsgemeinde, das Marmstorfer Einkaufszentrum, das Alisea-Seniorendomizil, sowie der Beutnerring mit weiteren Einzelhandelsgeschäften, einer weiteren Kita (Krabbelkiste) und mehreren Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben.
Vom ÖPNV wird der Ernst-Bergeest-Weg mit den Buslinien 145, 245 und 345 erschlossen und an das Harburger Zentrum angebunden. Im Ernst-Bergeest-Weg selbst verkehren bis zu 8 Bussen pro Stunde und Richtung; zusätzliche Kapazitäten werden am Knotenpunkt Marmstorfer Weg mit weiteren bis zu 6 Fahrten pro Stunde und Richtung bereitgestellt.
Insbesondere im Umfeld der Schule und der Elbkinder-Kita herrscht morgens und mittags zu Bring- und Abholzeiten reger, zuweilen chaotischer Verkehr. Vor Schule und Kita verfügt der Ernst-Bergeest-Weg über eine zusätzliche, baulich getrennte Fahrspur am südlichen Fahrbahnrand, die Schrägparkstände erschließt. Trotzdem wird von zahlreichen Eltern auf den Fahrbahnen oder in der Feuerwehrzufahrt der Schule geparkt und Kinder im Grundschulalter queren ungesichert die beiden Fahrstreifen. Wiederholt kam es hier schon zu kleineren Unfällen, glücklicherweise bisher ohne schwerwiegende Folgen. Der Elternrat der Schule Marmstorf hat sich wiederholt für eine Anordnung einer Tempo-30-Strecke eingesetzt, bisher aber erfolglos. Nach Auskunft der Elternschaft wurde seitens der Straßenverkehrsbehörde / PK 46 argumentiert, dass die Schule aufgrund des Parkstreifens keinen „unmittelbaren Zugang“ zum Ernst-Bergeest-Weg habe. Vor dem Hintergrund, dass im §45 Abs. 9 StVO und der VwV zur StVO inkl. der Begründung des Gesetzgebers aber ausdrücklich für die Prüfung darauf die Frage abgehoben wird, ob erhebliches Verkehrsaufkommen an der Straße zu verzeichnen ist, wäre eine solche Bewertung auf einen Ermessensfehler zu überprüfen.
Auch im Umfeld des Einkaufszentrums herrscht über weite Teile des Tages reger Fuß- und Radverkehr neben den ebenfalls zahlreichen Kund*innen, die mit dem PKW zum Einkaufen dorthin kommen.
Seit einigen Jahren befindet sich auch das Seniorenzentrum Alisea in Betrieb, das unmittelbar an der Einmündung der Straße Am Diggen zum Ernst-Bergeest-Weg liegt. Bewohner*innen und Besuchende nutzen überwiegend die Wegeverbindung des Ernst-Bergeest-Weges um die Einrichtung zu erreichen und zu verlassen.
Schule, Kita und Seniorendomizil befinden sich innerhalb einer Strecke von ca. 650m. Jede Einrichtung für sich hat sowohl einen unmittelbaren Zugang zum Ernst-Bergeest-Weg als auch einen erheblichen Quell- und Zielverkehr. Eine Reduzierung der Regelgeschwindigkeit auf 30 Kmh von jeweils 300m Länge vor den Einrichtungen würde zu einer Lücke von weniger als 100m zwischen den Abschnitten Schule/Kita und Seniorendomizil führen. Gemäß Verwaltungsverordnung zur StVO ist in solchen Fällen eine Verbindung der beiden Tempo-30-Strecken zu einer durchgehenden Strecke zulässig.
Gegen die Einrichtung einer Tempo-30-Strecke können Fahrtzeitverlängerungen im Busverkehr sprechen. Westlich des Einkaufszentrums verkehrt nur noch die Linie 245 bis zur Endhaltestelle Beutnerring, wo die Busse pausieren. Zwischen Einkaufszentrum und dem Marmstorfer Weg befindet sich in Richtung Osten die zusätzliche Haltestelle Eddelbüttelkamp am Fahrbahnrand. Aufgrund der Topografie, zweier Fußgängerampeln und der kurzen Abstände zwischen den Haltestellen erreicht kaum ein Bus über längere Strecken die zulässige Geschwindigkeit von 50 Kmh. Fahrtzeitverzögerungen dürften also bei einer Temporeduzierung nur in überschaubarem Maße eintreten. Gegenüber dem motorisierten Individualverkehr würde keine Verzögerung eintreten. Relativ gesehen würde die Geschwindigkeit des Busverkehrs gegenüber dem PKW-Verkehr sogar etwas gewinnen, weil die Phasen der zügigen Beschleunigung von PKW im Vergleich zum HVV-Bus verkürzt werden.
Vor diesem Hintergrund beantragen wir:
Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, sich bei der zuständigen Fachbehörde dafür einzusetzen, dass für den Ernst-Bergeest-Weg geprüft wird:
1. Ob für die Grundschule Marmstorf, die Kita Ernst-Bergeest-Weg und das Seniorendomizil Alisea jeweils die Voraussetzungen für die Anordnung einer Tempo-30-Strecke nach $45 Abs. 9 StVO vorliegen.
2. Ob bei positivem Ausgang der Prüfungen unter 1. die anzuordnenden Tempo-30-Strecken miteinander verbunden werden können, weil der zwischen den Enden der beiden Strecken verbleibende Straßenabschnitt ohne Temporeduzierung kürzer als 300m ist.
Sollte behördlicherseits für eine oder mehrere der genannten Einrichtungen die Auffassung vertreten werden, dass aufgrund der Lage des zentralen Eingangs der jeweiligen Einrichtung eine Anordnung ausgeschlossen sein, bittet die Bezirksversammlung um eine ausführliche Erläuterung der Rechtsauffassung im MOBI.
Bezirksversammlung Harburg 15.12.2022
Der Vorsitzende
Die zentrale Straßenverkehrsbehörde Verkehrsdirektion (VD) 5 nimmt unter Beteiligung der örtlichen Straßenverkehrsbehörde des Polizeikommissariats (PK) 46 wie folgt Stellung:
Die Straße Ernst-Bergeest-Weg ist eine Hauptverkehrsstraße im Stadtteil Marmstorf. Sie verbindet die Bremer Straße im Norden mit der Straße Marmstorfer Weg im Osten.
Im Ernst-Bergeest-Weg 46 befindet sich eine Kita, direkt daneben ist mit der Hausnummer 54 die Grundschule Marmstorf ansässig.
In Höhe dieser Einrichtungen verfügt der Ernst-Bergeest-Weg über einen Fahrstreifen je Fahrtrichtung. Zu beiden Einrichtungen gelangt man über die dortige Nebenfahrbahn mit Schrägparkplätzen.
In der Straße Binnenfeld 60 befindet sich eine Seniorenresidenz. Der Zugangsbereich befindet sich mit einem direkten Zugang zur Straße Ernst-Bergeest-Weg.
Gemäß § 45 Absatz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder den Verkehr umleiten. Diese Ermächtigung wird durch § 45 Absatz 9 StVO dahingehend eingeschränkt, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verkehrsverhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der im § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt
Einer Gefahrenlage bedarf es gemäß § 45 Absatz 9 Satz 4 Ziffer 6 StVO nicht bei innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h auf Straßen des überörtlichen Verkehrs oder auf weiteren Vorfahrtsstraßen im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen sozialen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Altenheimen.
Hier sind die Hamburger Richtlinien zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) zu beachten.
Mit der Regelung in § 45 Absatz 9 Satz 4 Ziffer 6 StVO ist kein Automatismus verbunden, dass Tempo 30 vor den sozialen Einrichtungen stets anzuordnen ist. Eine Einzelfallprüfung und eine Gesamtabwägung sind weiterhin notwendig.
Gemäß der HRVV muss die soziale Einrichtung unabhängig von der postalischen Anschrift mit einem direkten Zugang zur Straße ausgestattet sein. Einrichtungen, die an Nebenfahrbahnen gelegen sind, entsprechen grundsätzlich nicht den Kriterien eines direkten Zugangs.
Eine Unfallauswertung der letzten drei Jahre (01.01.2019 bis 31.12.2021) im Ernst-Bergeest-Weg vor der Kita, der Schule und dem Altenheim ergab eine unauffällige Unfalllage. Es sind auch sonst keine Gefahrenlagen erkennbar, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigen.
Nach Einzelfallprüfung und Gesamtabwägung kommt die VD 51 zu folgendem Ergebnis:
Die Kita und die Schule verfügen nicht über einen direkten Zugang zum Ernst-Bergeest-Weg.
Mehrere Verkehrsbeobachtungen zu Schulanfangs- und Endzeiten konnten die Angaben, dass Verkehrschaos herrsche, nicht bestätigen. Auch zu Pulkbildungen oder kritischen Situationen im Bereich der Schule kam es nicht.
Vielmehr bewegen sich die Schülerinnen und Schüler, die die Schule selbständig erreichen, grundsätzlich auf der Seite des Gehwegs hinter der Nebenfahrbahn und kommen mit dem Fließverkehr im Ernst-Bergeest-Weg nicht in Berührung. Die wenigen Schüler und Schülerinnen, die die Straße zum Erreichen der Schule queren müssen, nutzen hierfür die ca. 100 Meter vom Eingangsbereich der Schule entfernte Fußgängerlichtzeichenanlage.
Unfälle, die in der Vergangenheit beobachtet werden konnten, geschahen unter den Elterntaxis untereinander beim Wenden bzw. Rangieren. Seitdem jedoch die Durchfahrtmöglichkeit zwischen der Haupt- und Nebenfahrbahn und weiter zum Schulhof mittels Schranke verschlossen wurden, waren diese Bagatellunfälle rückläufig.
Die Einrichtung von Tempo 30 vor dem Bereich der Schule hätte keine Auswirkungen auf die sich jenseits der Straße bewegenden Schülerinnen und Schüler.
Daher ist die Anordnung von Tempo 30 vor der Schule und der Kita rechtlich nicht möglich.
Die Seniorenresidenz mit der Anschrift Binnenfeld 60 verfügt über einen direkten Zugang zur Straße Ernst-Bergeest-Weg.
Daher wird die Straßenverkehrsbehörde des PK 46 vor dieser Einrichtung eine streckenbezogene Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 anordnen.
Eine Anordnung von Tempo 30 vor der Kita und der Schule sind rechtlich nicht möglich.
Vor dem Altenheim mit der Anschrift Binnenfeld 60 wird im Ernst-Bergeest-Weg Tempo 30 angeordnet werden.
Das PK 46 wird die Verkehrsverhältnisse weiterhin im Rahmen der personellen Möglichkeiten und Prioritätensetzungen vor Ort beobachten, begleiten und ggf. die zur Verkehrssicherheit erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
gez. Heimath
f.d.R.
Wyzinski
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