Umbenennung der Sedanstraße in Ludwig-Baumann-Straße
Letzte Beratung: 25.04.2024 Bezirksversammlung Ö 9.4
Mitten in Eimsbüttel liegt die Sedanstraße. Der Name Sedan leitet sich von der französischen Kleinstadt Sedan ab, Austragungsort mehrerer Schlachten zwischen Deutschland und Frankreich.
Erinnern sollte diese Benennung zum Jahreswechsel 1899/1900 nicht in freundschaftlicher Verbundenheit an den Ort, sondern an die Schlacht und den Sieg bei Sedan von 1870.
Im Deutsch-Französischen Krieg wurde in der Schlacht bei Sedan der französische Kaiser Napoléon III am 2. September 1870 mit 100.000 seiner Soldaten gefangen genommen.
Mit diesem Sieg über den Gegner Frankreich verband sich der Gründungsmythos des deutschen Kaiserreichs – außenpolitisch als politische Großmacht in Europa, innenpolitisch als Schlusspunkt unter einem jahrelangen Einigungsprozess der deutschen Bundesstaaten unter Führung Preußens. Der „Sedantag“ am 2. September wurde reichsweit als Gedenktag mit Militärparaden und Kaiser-Ehrungen begangen. Im Deutschen Kaiserreich wurde dieses Ereignis als Sedantag gefeiert.
Auch 1940 spielte Sedan eine entscheidende Rolle für die Niederlage Frankreichs. Der Westfeldzug kam kurz vor Sedan wegen französischer Brückensprengungen zu einem Stillstand. Am 13. Mai 1940 begann Deutschland daher in der Schlacht bei Sedan erst mit dauerhafter Bombardierung aus der Luft und am 14. Mai setzten deutsche Panzer über eine neu errichtete Pontonbrücke über. Diese Niederlage trug entscheidend zur Kapitulation Frankreichs und der Beendigung des Westfeldzuges im Juni 1940 bei.
Eine Gruppe aus Friedensaktivist*innen, Student*innen, das Bündnis für ein Hamburger Deserteursdenkmal und andere Aktive schlossen sich 2020 zur Initiative Sedanstraße umbenennen! zusammen. Ihr Anliegen ist es seitdem, diese Benennung nach einer siegreichen Schlacht zu heilen. Sie möchten die Straße nach einem Deserteur, einem Friedensaktivisten und Humanisten, nach Ludwig Baumann, benennen.
In ihrer Begründung heißt es:
„Der Sedankult als Ausdruck des preußisch-deutschen Militarismus war eines der Elemente zur Vorbereitung der faschistischen Diktatur des Dritten Reiches, bereitete damit den verbrecherischen Vernichtungskrieg der Wehrmacht vor und wirkt bis in die Gegenwart nach.
Zur deutschen Geschichte gehören jedoch ebenso die Menschen, die in vielen Formen, Organisationen und Institutionen ihr Leben einer dem Humanismus, dem Pazifismus und einer gerechten und demokratischen Völkergemeinschaft verpflichteten zivilen Entwicklung gewidmet haben – teils unter Einsatz ihres Lebens. Sie werden immer noch zu selten im öffentlichen Raum gewürdigt. Wir schlagen den nahe der Sedanstraße in Hamburg-Eimsbüttel geborenen Wehrmachtsdeserteur und Friedensaktivisten Ludwig Baumann als neuen Namensgeber für die Sedanstraße vor. Er setzte sich ab den 1990er-Jahren gemeinsam mit den anderen überlebenden der von der NS-Militärjustiz verurteilten Deserteuren und „Kriegsverrätern“ für die offizielle Rehabilitierung ein – schließlich erfolgreich. Er ist maßgeblich verantwortlich für die Errichtung des Deserteurdenkmals am Dammtorbahnhof – und dafür, dass der Deutsche Bundestag 2002 bzw. 2009 die „Vorstrafen“ aus den Akten der noch überlebenden Wehrmachtsdeserteure strich.“ (www.sedanstrasse-umbenennen.de)
Frankreich ist seit vielen Jahren ein verlässlicher Verbündeter, ein Freund unseres Landes. Es erscheint wenig zeitgemäß mit Straßenbenennungen an Siege über Frankreich zu erinnern, zumal Straßennamen es nicht vermögen, historische Ereignisse kritisch einzuordnen. Aus diesem Grund sind Benennungen nach Täter*innen grundsätzlich tabu. Lediglich in Ausnahmefällen finden sich Benennungen in Erinnerung an schreckliche Ereignisse. Dies setzt voraus, dass Ereignisse im öffentlichen Gedächtnis allgemein als Schreckensereignisse bekannt sind, wie zum Beispiel bei der Umbenennung der „Bismarckanlagen“ in „Hiroshimapark“ in Kiel 1987.
Die deutschen Benennungen nach Sedan jedoch haben diese Ebene nicht. Sie sind weiterhin Zeugnisse des Sedankults und vermögen diesen nicht historisch einzuordnen.
Sedan ist in Frankreich weiterhin Sinnbild für Niederlage und Erinnerung an schreckliche Verluste. So trifft auch in Frankreich diese Initiative auf großen Anklang.
Der Bürgermeister der Stadt Sedan schrieb in einem Brief:
„Meiner Einschätzung nach handelt es sich hier um eine hervorragende Initiative und sie (ist) das wahrnehmbar konkrete Zeichen dafür, dass die seinerzeit ausgetragenen Konflikte (1870, 1914–1918, 1939–1945), die unserer beiden Nationen entzweit haben, heute nicht mehr Anlass von Spannungen zwischen unseren Völkern sind.
Die Niederlage von 1870 hat sich in unserer Stadt wie mit einem glühenden Eisen eingebrannt. So wurde der Name unserer Stadt über Jahrzehnte gemäß der Auffassung führender Politiker sowie zahlreicher Franzosen geradezu systematisch mit dieser Niederlage assoziiert.“
Die Initiative Sedanstraße umbenennen! gelingt es mit ihrem Vorschlag einer Umbenennung nach Ludwig Baumann einerseits dem Sedankult einen Friedensaktivisten gegenüberzustellen, der sich zeitlebens für Frieden und Völkerverständigung einsetzte. Andererseits gelingt es auch eine regionale Figur der Geschichte zu wählen, Ludwig Baumanns Geburtshaus liegt in der Bundesstraße 12.
Ludwig Baumanns persönliches Schicksal ist intensiv mit Frankreich verbunden. Als 19-jähriger zur Kriegsmarine eingezogen, desertierte er in Bordeaux. Diese Entscheidung prägte sein Leben. In Frankreich festgenommen, wurde er 1942 wegen „Fahnenflucht im Felde“ zum Tode verurteilt.
Auch in der Nachkriegszeit war er als Deserteur weiterhin gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt. Später wurde er zum Friedensaktivisten und zu einer führenden Persönlichkeit im Einsatz für Kriegsdienstverweigerung.
2015 wurde das Deserteursdenkmal am Stephansplatz eingeweiht, an dessen Entstehung Baumann maßgeblich beteiligt war.
Weitere Informationen zu Ludwig Baumann unter:
https://zumfeindgemacht.de/fall/ludwig-baumann/
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Die Bezirksamtsleiterin wird gebeten eine Umbenennung der Sedanstraße in „Ludwig-Baumann-Straße“ von der Senatskommission für die Benennung von Straßen prüfen zu lassen und bei Erfüllung aller rechtlichen Voraussetzungen zu initiieren.
Falk Schmidt-Tobler, Kathrin Warnecke und GRÜNE-Fraktion
keine
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