22-0619.01

Unklare Genehmigungspraxis bei Nachnutzung ehemaliger Gartenbaubetriebe durch Vereinigungen

Antwort

Letzte Beratung: 18.12.2025 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 3.3

Sachverhalt

Große Anfrage

der BAbg. Brodbeck und GRÜNE Fraktion Bergedorf

In Bezug auf die Ausführungen des Bezirksamts Bergedorf in der Drucksache 22-0537.01 sowie die Auskünfte des Bezirksamts Altona in der Drucksache 22-0522.01 ergeben sich bei einer Gegenüberstellung dieser beiden Verwaltungsvorgänge mehrere erhebliche Unklarheiten. Diese betreffen nicht nur die rechtliche Einordnung einzelner Genehmigungsschritte, sondern berühren wesentliche und gesamtgesellschaftlich relevante Fragen insbesondere die Grundzüge des Erhalts unserer Kulturlandschaft und die Frage, wie landwirtschaftsnahe oder gemeinwohlorientierte Nutzungen ehemaliger Gartenbaubetriebe künftig ermöglicht oder erschwert werden. Da beide Drucksachen in wesentlichen Punkten unterschiedliche Aussagen zu Genehmigungsbedürftigkeit, Verfahrenstiefe und behördlicher Kommunikationspflicht enthalten, ergeben sich für uns wichtige Nachfragen zur baurechtlichen Bewertung, zur Verwaltungspraxis sowie zum verwaltungsrechtlichen Vertrauensschutz.

Vor diesem Hintergrund fragen wir das Bezirksamt:

Das Bezirksamt Bergedorf nimmt wie folgt Stellung:

  1. Verstehen wir die Aussage des Bezirksamts aus der DrucksachenNr.: 22-0537.01 richtig, dass jede Nutzung eines ehemaligen Gartenbaubetriebs durch eine Vereinigung (Art. 9 Abs. 1 GG) eine baurechtliche Genehmigung erfordert? Bitte um Klarstellung.

Ein Vorhaben im Außenbereich muss einem landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb dienen (§35 (1) Nr. 1 und 2 BauGB). Wenn in einem ehemaligen Gartenbaubetrieb, in dem die gartenbauliche Nutzung noch nicht allzu lange zurück liegt, weiterhin durch einen neuen Betreiber Gartenbau betrieben werden soll, wird die Frage der baurechtlichen Nutzung nicht neu aufgeworfen und die Nutzung des Gebäudes zur Ausübung des Gartenbaus ist baurechtlich weiterhin zulässig. Wenn die gartenbauliche Nutzung bereits längere Zeit (max. 7Jahre, vgl. § 35 Abs. 4 BauGB für landwirtschaftliche Betriebe) aufgegeben wurde, stellt sich die Genehmigungsfrage neu, so dass eine neue baurechtliche Prüfung in einem bauaufsichtsrechtlichen Verfahren erfolgen muss.

Auf die Frage, ob es sich bei dem Antragsteller um einen gemeinnützigen Verein oder eine Vereinigung (Art. 9 Abs. 1 GG) handelt, kommt es hierbei nicht an. Diese Frage ist bauordnungs- und bauplanungsrechtlich irrelevant. Die Vorhaben von Anbauvereinigungen gem. KCanG sind bauordnungsrechtlich als Gewerbebetriebe aller Art einzuordnen. Sie stellen keinen Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB dar. Daher liegt eine Nutzungsänderung von baulichen Anlagen vor, die genehmigungsbedürftig (§59 HBauO) ist.

  1. Gilt dies nach Auffassung des Bezirksamts auch für Vereine und gemeinnützige Vereine, insbesondere solche aus den Bereichen

gemeinschaftliche Gemüseproduktion,

Erhalt alter Sorten,

ähnliche landwirtschaftsnahe Vereine?

Bitte um klare Differenzierung.

Es ist stets eine Einzelfallprüfung erforderlich (siehe zudem Antwort zu 1).

  1. Falls das Bezirksamt die Genehmigungspflicht bejaht: Müssen diese Vereine dann bereits vor Aufnahme jeder gärtnerischen Tätigkeit damit rechnen,

ein vollständiges baurechtliches Nutzungsänderungsverfahren durchlaufen zu müssen und

umfassende immissionsschutzrechtliche Gutachten (z. B. zu Geruch und Lärm) vorzulegen?

Siehe Antwort zu 2. Im Einzelfall kann mit dem Erfordernis eines immissionsschutzrechtlichen Gutachtens gerechnet werden.

  1. Hat das Bezirksamt Bergedorf in der Vergangenheit bereits vergleichbare Nachnutzungen ehemaliger Gartenbaubetriebe durch Vereine oder Vereinigungen begleitet? Falls ja: Wie wurde in diesen Fällen bislang entschieden, und nach welchen Kriterien wurde die Genehmigungsbedürftigkeit bewertet?

r eine Nutzung im Außenbereich nach § 35 BauGB ist regelhaft die Privilegierung des beantragten Vorhabens nachzuweisen. Dabei wird nicht zwischen verschiedenen Betreiber- oder Gesellschafterformen unterschieden. Ob in der Vergangenheit eine Nachnutzung durch Vereine oder Vereinigungen begleitet wurde, ist über das Fachverfahrennicht auswertbar. Dies wird statistisch nicht erfasst und ist dem Bezirksamt Bergedorf auch nicht bekannt.

  1. Welche gängigen Auflagen oder Prüfschritte wurden in diesen Verfahren typischerweise verlangt?

r einen landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb ist die Privilegierung gem. §35 BauGB nachzuweisen. Der landwirtschaftliche Betrieb muss ein auf Dauer ausgerichtetes, lebensfähiges Unternehmen zur planmäßigen und eigenverantwortlichen Bodennutzung sein. Zur Beurteilung des Betriebs wird regelhaft die Stellungnahme der Fachbehörde eingeholt.

  1. In der DrucksachenNr.: 22-0522.01 Antwort des Bezirksamts Altona wurde angegeben, dass für den Cannabis-Anbau am Neuengammer Hinterdeich 366 m² Anbaufläche genehmigt“ wurden. Teilt das Bezirksamt Bergedorf die Auffassung, dass ein Antragsteller bei einer solchen Formulierung annehmen durfte, es handele sich um eine abschließende Erlaubnis, die keine weiteren Baugenehmigungen erfordert?

Der Bescheid nach KCanG liegt dem Bezirksamt Bergedorf, u.a. aus Datenschutzgründen nicht vor. Die Genehmigungsbehörde gem. KCanG des Bezirksamtes Altona prüft jedoch ausschließlich nach dem KCanG. Bei dem Bescheid handelt es sich also um eine Erlaubnis für den gemeinschaftlichen Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis in einer Anbauvereinigung nach §11 KcanG des Bezirksamtes Altona. Der Bescheid ersetzt nicht dieEinholung anderer öffentlich-rechtlicher Zulassungsentscheidungen, insbesondere nicht einen erforderlichen Baugenehmigungsbescheid nach HBauO der zuständigen Bauprüfabteilung des Bezirksamtes Bergedorf.

  1. Wie hätte der Antragsteller erkennen können, dass es sich nicht um ein Verfahren mit Konzentrationswirkung handelt, wenn im behördlichen Bescheid ausdrücklich laut DrucksachenNr.: 22-0522.01 von „genehmigter Anbaufläche“ die Rede ist?

Siehe Antwort zu 6.

  1. Nach allgemeinem Verwaltungsrecht gilt, dass behördliche Bescheide

verständlich,

vollständig und

belastbar

sein müssen und dass Antragsteller auf den Inhaltsgehalt eines Verwaltungsaktes vertrauen dürfen, sofern dieser nicht offensichtlich unvollständig oder falsch ist.
Wie bewertet das Bezirksamt Bergedorf diesen verwaltungsrechtlichen Vertrauensschutz im vorliegenden Fall?

Siehe Antwort zu 6.

  1. Geht das Bezirksamt Bergedorf davon aus, dass ein möglicher zukünftiger Widerspruch gegen nachträgliche bau- oder immissionsschutzrechtliche Anforderungen der Anbauvereinigung voraussichtlich Erfolg haben könnte, sofern sich der Antragsteller auf den Bescheid des Bezirksamtes Altona beruft?

gliche Ausgänge von etwaigen Widerspruchsverfahrens kann das Bezirksamt Bergedorf nicht antizipieren.

Petitum/Beschluss

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Anhänge

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Lokalisation Beta
Neuengammer Hinterdeich

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