21-0728.01

Ausübung des Vorkaufsrechts der Freien- und Hansestadt Hamburg nach § 55b HWaG für Gebäude und Grundstücke an Hochwasserschutzanlagen hinter Sperrwerken

Antwort

Letzte Beratung: 16.03.2021 Regionalausschuss Ö 4

Sachverhalt

Auskunftsersuchen der BAbg. Meyns, Jacobsen, Kubat und FDP-Fraktion

BAbg. Brodbeck, Stamer und Fraktion Grüne Bergedorf

BAbg. Jarchow, Wohnrath und SPD-Fraktion

 

Mit Beginn des Jahres 2020 wird bei Grundstücksverkäufen entlang der sogenannten Zweiten Deichlinie (Hochwasserschutzanlagen hinter Sperrwerken oder an tidefreien Gewässern) in den Vier- und Marschlanden das Vorkaufsrecht der Freien- und Hansestadt Hamburg nach § 55b Hamburgisches Wassergesetz (HWaG) ausgeübt, wenn Gebäude bzw. Grundstücke nicht den Mindestabständen nach § 6 Abs. 4 der Deichordnung (DeichO in der Fassung vom 27. Mai 2003) entsprechen.

 

Da diese Vorschriften seit Jahrzehnten bestehen, das Vorkaufsrecht aber erst seit Anfang 2020 ausgeübt wird, hat dieses zu einer erheblichen Verunsicherung der betroffenen Grundstückseigentümer geführt. Die Verkehrsfähigkeit der betroffenen Grundstücke und Gebäude wird dadurch zunehmend eingeschränkt und es ist zu befürchten, dass die erzielbaren Verkehrswerte durch das Vorkaufsrecht erheblich reduziert werden.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

 

Deiche hinter Sperrwerken und an tidefreien Gewässern befinden sich in Hamburg im Be-reich der Este, Billwerder Bucht und an der Dove-Elbe. Der Moorfleeter Deich liegt sowohl an der Billwerder Bucht als auch an der Dove-Elbe. Da im Auskunftsersuchen einleitend auf die Vier- und Marschlande verwiesen wird, beziehen sich die Antworten auch nur auf die Deiche der Dove-Elbe. Dies vorausgeschickt, beantwortet die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) das o.g. Auskunftsersuchen vom 25.01.2021 wie folgt:

 

  1. Was hat die Freie- und Hansestadt Hamburg bewogen das Vorkaufsrecht nunmehr konsequent umzusetzen?

 

Zu 1.:

Die Entscheidung zur Nutzung eines Vorkaufsrechts für den Hochwasserschutz basiert grundsätzlich auf einer Einzelfallprüfung. Eine Untersuchung des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) zum Zweck und der Bedeutung der Deiche hinter Sperrwer-ken und an tidefreien Gewässern hat 2019 ergeben, dass alle Deiche sowohl dem Schutz vor Sturmfluten als auch vor Hochwasser dienen und auch künftig aufgrund der klimatischen Veränderungen einen maßgeblichen Beitrag zum Schutz vor Überschwemmungen leisten werden. Die Deiche an der Dove-Elbe entsprechen derzeit jedoch nicht den allgemein aner-kannten Regeln der Technik. Dies hat zu einer Konkretisierung des Bedarfs beigetragen. Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) beabsichtigt die Deiche langfristig in einen wehrhaften Zustand zu entwickeln und ist somit auch auf die Nutzung des gesetzlichen Vorkaufsrechts angewiesen.

 

 

  1. Welche Erkenntnisse haben dazu geführt, die seit Jahrzehnten bestehende Praxis keine Vorkaufsrechte an der Zweiten Deichlinie geltend zu machen nunmehr zu ändern?

 

Zu 2.:

Die in der Antwort zu 1. genannte Untersuchung hat ergeben, dass die Deiche der Dove-Elbe eine wichtige Funktion zum Schutz vor Binnenhochwasser zu erfüllen haben. Dies ist insbe-sondere der Fall, wenn das Tatenberger Siel aufgrund hoher Wasserstände in der Tideelbe (sturmflutbedingt) über eine längere Zeit geschlossen werden muss (Sperrtiden) und zeit-gleich hohen Niederschläge im Einzugsgebiet zu starken Abflüssen führen. Solche Szenarien können klimabedingt in den kommenden Jahren zunehmen. Darüber hinaus hat die Untersu-chung ergeben, dass die Deiche der Dove-Elbe eine Schutzfunktion als zweite Sicherheit bei Sturmfluten wahrnehmen können.

 

 

  1. Welche Stelle (Behörde, Senat, Bürgerschaft) hat entschieden das Vorkaufsrecht nunmehr umfassend durchzusetzen?

 

Zu 3.:

Die BUKEA ist Bedarfsträger für den Hochwasserschutz in Hamburg. In Abstimmung mit den fachlich kundigen Realisierungsträgern, in den Vier- und Marschlanden ist dies der LSBG, obliegt ihr die Entscheidung, ob Vorkaufsrechte für den Hochwasserschutz ausgeübt werden. Die Nutzung der Vorkaufsrechte wird weiterhin einzelfallbezogen geprüft. Bei der Durchset-zung von Vorkaufsrechten ist regelhaft die Kommission für Bodenordnung eingebunden. In Einzelfällen - wie zuletzt beispielsweise am Allermöher Deich - entscheidet auch die Bürger-schaft über die Durchsetzung von Vorkaufsrechten.

 

 

  1. Bei wie vielen Grundstücken wurde das Verkaufsrecht seit dem 1. Januar 2020 im betroffenen Gebiet umgesetzt?

 

Zu 4.:

Ist mit der Umsetzung des Vorkaufsrechts gemeint, dass ein Ausübungsbescheid zum Vor-kaufsrecht zugestellt wird, dann wurde seit dem 01.01.2020 ein Vorkaufsrechtsfall umgesetzt. Dabei handelt es sich um eine 183 m² große Teilfläche eines bebauten Flurstücks. Die Teil-fläche ist noch nicht in den Besitz der FHH übergegangen. In weiteren vier Fällen wurde Flä-chen angekauft, für welche die Voraussetzungen zur Ausübung eines Vorkaufsrechtes vorla-gen. Die Fälle betrafen jeweils kleinere unbebaute Teilflächen. Insgesamt handelt es sich um eine erworbene Gesamtfläche von 59 m².

 

 

  1. Wie viele Grundstücke im betreffenden Gebiet (Moorfleeter Deich, Allermöher Deich, Schleusendamm, Neuengammer Hausdeich, Vorderdeich, Reitdeich, Ochsenwerder Norderdeich, Tatenberger Deich) entsprechen nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 4 DeichO und wären im Falle eines Verkaufs vom Vorkaufsrecht betroffen?

 

Zu 5.:

Eine Erhebung über die Anzahl potentiell betroffener Flurstücke liegt nicht vor.

 

 

  1. In welcher Höhe stehen in den kommenden Jahren Haushaltsmittel für die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Verfügung (ggf. aufgeschlüsselt nach Jahren)?

 

Zu 6.:

Der BUKEA stehen derzeit keine Haushaltsmittel für die kommenden Jahre zur Verfügung, da die Bürgerschaft noch keinen Haushalt beschlossen hat. Ein gesondertes Budget für die Nutzung von Vorkaufsrechten ist nicht vorgesehen.

 

 

Petitum/Beschluss

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