Stellungnahme zum Antrag DIE LINKE betr.: Harburg für alle! - Besserer Schutz von Frauen in Hamburg - Benötigte Infrastruktur in Form eines Frauenhauses in Harburg schaffen
Momentan gibt es in Hamburg 6 Frauenhäuser, in denen von häuslicher Gewalt betroffene Frauen einen Schutzort geboten bekommen. Diese Anzahl deckt jedoch, wie schon seit Jahren bekannt, keineswegs die benötigten Kapazitäten ab. Laut der von Deutschland unterzeichneten Istanbulkonvention müssten pro 10.000 Einwohner*innen 2,5 Plätze für Frauen, Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen. Das entspräche in Annahme der Bevölkerungszahlen Hamburgs, Stand 2019, 450 benötigte Plätze. Tatsächlich liegt die Anzahl der vorhandenen Plätze jedoch bei gerade einmal 244.
Und auch die Realitäten zeigen, dass die derzeit vorhandenen Plätze keineswegs ausreichend sind. 2022 wurden 280 Frauen und Kinder, zumeist aus der Notaufnahme der Frauenhäuser, in andere Bundesländer vermittelt. Dies hat für die Betroffenen zur Folge, dass zu der sowieso enorm belastenden Situation, die zur Flucht ins Frauenhaus führt, auch noch eine neue Umgebung, der Wegfall von Job und Familie sowie der Verlust von Sicherheit gebenden Strukturen hinzukommt.
Hinzu kommt, dass es sich bei den Frauen und Kindern, die in Frauenhäuser fliehen, um Personen handelt, die eine individuelle und in der Regel schwer traumatisierende Lebenssituation erfahren haben. Eben deshalb ist die ständige Aus- beziehungsweise Überbelastung der Frauenhäuser ein enormes Problem, welches dazu führt, dass eine adäquate Betreuung der Schutzsuchenden nicht zu gewährleisten ist. Diese Situation hat zum einen zur Folge, dass die Betroffenen nicht ausreichend betreut werden können, und zum anderen, dass die Mitarbeitenden in den Einrichtungen ständig an ihre Belastungsgrenze und oft auch darüber hinaus gehen müssen. Somit verschärft sich der Personalmangel in den Einrichtungen, da die emotionale und körperliche Überbelastung der Mitarbeitenden zu immer höheren Krankheitsständen führt. Und auch die Wiedereingliederung der Betroffenen wird enorm erschwert, da eine emotionale Aufarbeitung in den Einrichtungen nicht gegeben ist.
Betrachtet man die derzeitige geopolitische Lage wird zudem deutlich, dass durch Kriege, zum Beispiel in der Ukraine, oder auch die Klimakrise in den nächsten Jahren viele weitere, oft traumatisierte Personen in Deutschland ankommen werden. Darunter werden ebenfalls Frauen und Kinder sein, die hier in Hamburg ein Recht auf Schutz vor Gewalt haben.
In der heutigen Zeit, in der sich eine Krise an die nächste reiht, muss eine Stadt wie Hamburg auf die Bedürfnisse der Bürger*innen eingehen und insbesondere die Schutzbedürftigen absichern. Dafür müssen benötigte Strukturen geschaffen werden, denn das Ignorieren der Probleme und Problemverschleierung, durch Scheinlösungen wie die Unterbringung von Frauen und Kindern in anderen Bundesländern, kann keine akzeptable Antwort auf die Herausforderungen sein.
Die Bezirksamtsleiterin wird aufgefordert, sich bei der Sozialbehörde dafür einzusetzen, dass ein Frauenhaus in Harburg eingerichtet und finanziert wird. Die tatsächliche Umsetzung bezüglich der Betroffenen, Opfer häuslicher Gewalt, von Sexualdelikten etc. ist im weiteren Prozess mit der Sozialbehörde zu klären.
BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG
Der Vorsitzende
27.05.2024
Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zu dem Beschluss wie folgt Stellung:
Im Kontext der durch die Frauenhäuser angebotenen Schutzplätze wird ein bezirksübergreifender Ansatz verfolgt. Zum einen ist es aus Schutzgründen in der Regel angezeigt, die betroffene Frau nicht in der Nähe des früheren Wohnortes unterzubringen, zum anderen würde eine bezirkliche Begrenzung die Immobiliensuche unnötig erschweren und könnte zu nicht tragbaren Abweisungen von Schutzsuchenden führen. Die Vorgabe eines neuen Frauenhauses im Bezirk Harburg wird vor diesem Hintergrund abgelehnt.
Die Istanbulkonvention fordert eine am Bedarf orientierte Versorgung mit Schutzplätzen, ohne dies näher zu definieren. Die den im Antrag der Bezirksversammlung geforderten 200 zusätzlichen Plätzen zugrunde liegenden Vorgaben entstammen nicht der Istanbulkonvention, sondern basieren auf unverbindlichen Empfehlungen einer Task-Force des Europarates. Die Einschätzung, dass in Hamburg 200 weitere Schutzplätze erforderlich sind, wird seitens der zuständigen Behörde in dieser Größenordnung nicht geteilt.
Hamburg hat die Anzahl an Schutzplätzen in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Hierzu gehören nicht nur die Plätze im neuen sechsten Hamburger Frauenhaus, sondern auch Plätze in Schutzunterkünften für Geflüchtete, sowie die Plätze in den im Januar 2023 in Betrieb genommenen Schutzwohnungen für von familiärer Gewalt und Zwangsverheiratung betroffene Frauen. Noch in diesem Jahr wird eine weitere Schutzunterkunft für Frauen mit psychischen Erkrankungen ihren Betrieb aufnehmen.
Neben der reinen Versorgung mit Schutzplätzen ist es aber auch zwingend erforderlich, den Übergang der von Gewalt betroffenen Frauen in eine eigenständige Zukunft zu unterstützen, um eine Fluktuation in den Schutzunterkünften zu sichern. Hier fördert der Senat mit dem Projekt Vivienda der Lawaetz-wohnen & leben gGmbH bereits länger und erfolgreich einen Auszug von Frauen aus dem Frauenhaus in privaten Wohnraum und wird dieses Angebot nochmals erweitern. Weitere Angebote, z.B. zur Vermittlung in Ausbildung und Arbeit unterstützen den gesamtheitlichen Ansatz des hamburgischen Gewaltschutzes.
Hamburg verfolgt einen gesamtheitlichen Gewaltschutzansatz. Die strategischen Ansätze und Maßnahmen des Hamburgischen Senats zum Gewaltschutz sind im Konzept zu Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege, Drs. 20/10994, sowie dem hierzu verfassten Umsetzungsbericht, Drs. 21/19677 dargelegt. Die Aktualisierung des Konzepts, soll dem Senat noch in diesem Quartal vorgelegt werden.
gez. Heimath
f.d.R.
Riechers