21-1345

Gemeinsamer Antrag SPD - GRÜNE betr. Mahnmal zum kolonialen Erbe der Stadt Harburg

Gemeinsamer Antrag

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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27.04.2021
Sachverhalt


 

Die Stadt Harburg nahm nach der Reichsgründung 1871 eine besondere Rolle im neu gegründeten Staat ein: Nicht zuletzt, da das benachbarte Hamburg zwar dem Reiche zugehörig war, dem Zollverein aber zunächst nicht beitrat, erlebten Harburg, sein Hafen und seine Industrie einen ungeahnten Aufschwung, der den heutigen Bezirk bis heute entscheidend mitprägt.

 

Von besonderer Bedeutung waren hierbei die Kautschukverarbeitung und Ölmühlen. So wurde Harburg Ende des 19. Jahrhunderts zum einem der europaweit wichtigsten Umschlagplätze für Palmkerne und Kautschuk. Beides explizite „Kolonialwaren“, die indes nicht zwangsläufig aus den eigenen sogenannten Schutzgebieten stammten, sondern auch aus anderen Kolonien als Teil des weltweiten transimperialen Handelsnetzes.

 

Kolonialer Handel ist rassistisch begründeter, unfairer Ausbeutungs-Handel, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zwar nicht mehr auf Sklaverei basierte, aber weiterhin auf Zwangsarbeit und immer wieder brutaler Unterdrückung. Die Vorstellung, dass in Harburg gewiss auch Kautschuk aus dem sogenannten Freistaat Kongo verarbeitet wurde, in dem zwischen 1888 und 1908 schätzungsweise 10-15 Millionen Kongoles:innen direkt oder indirekt durch die Folgen des Kautschukhandels zu Tode kamen, ist kaum erträglich. Sie muss indes ertragen werden; die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte und ihrer Folgen gehören zu den zentralen erinnerungspolitischen Aufgaben unserer Tage.

 

In Hamburg ist dieser Aufarbeitungsprozess bereits weit fortgeschritten. Harburgs spezifische Rolle im Zeitalter des europäischen Kolonialismus ist bislang indes nur wenig ins Bewusstsein der Harburger:innen vorgedrungen. Es gilt, ein Mahnmal zu schaffen, das der Auseinandersetzung mit diesem Teil der Harburger Vergangenheit, dekolonisiertem Erinnern und Gedenken dient. Im multiethnischen Harburg ist darüber hinaus die Auseinandersetzung mit der rassistischen Begründung des Kolonialwesens von besonderer Bedeutung.

 

Praktisch der gesamte koloniale und transimperiale Handel des 19. Und frühen 20. Jahrhunderts lief über den Seeweg. Das heißt, dass Palmkerne, Kautschuk, Elfenbein etc. alle im Binnenhafen anlandeten. Hier fokussiert sich somit das Geschehen wie durch ein Brennglas an einem Punkt: Denn was immer nach Harburg importiert werden sollte, musste erstmal durch die Schleuse im Binnenhafen. Dieser Ort bietet sich somit als Gedenkstätte an.

Petitum/Beschluss


 

Die Bezirksverwaltung wird gebeten:

 

1. in Zusammenarbeit mit dafür geeigneten Stellen und Institutionen wie z.B. der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ ein Konzept für eine würdige Form des dekolonisierenden Erinnerns und Gedenkens in Harburg zu entwickeln mit besonderem Fokus auf die Binnenhafenschleuse, die sich als Kulminationspunkt in dieser Hinsicht besonders eignet.

 

2. zu prüfen, ob hierzu eine Namensgebung für die bislang de facto namenlose Schleuse vorzunehmen sei.

 

3. ggf. Vorschläge für eine solche Namensgebung in Zusammenarbeit mit den hinzugezogenen externen Akteuren zu erarbeiten.

 

Ferner wird die Bezirksverwaltung ersucht, über die Ergebnisse dieser Arbeiten im Kulturausschuss zu berichten und hierzu Vertreter:innen der hinzugezogenen externen Stellen in den Ausschuss mit einzuladen.