Antwort Kleine Anfrage CDU betr. Mögliche Unterbringung von Familien mit Kindern über dem Abrigado
Letzte Beratung: 10.05.2022 Hauptausschuss Ö 1.4
Die Neubauplanung für das für das Harburger Suchthilfesystem wichtige Abrigado an der Buxtehuder Straße umfasst neben der Harburger Tafel auch die gleichzeitige Unterbringung von etwa fünfzig Sozialwohnungen auf demselben Grundstück im selben Gebäudekomplex.
Wie die Belegung dieser Wohnungen aussehen soll, ist bisher unklar.
Erste Überlegungen, dort alleinstehende obdachlose Männer unterzubringen, haben im Bezirk die nachvollziehbare Befürchtung ausgelöst, einen neuen sozialen Brennpunkt zu schaffen.
Auch eine Belegung der Wohnungen mit Familien mit Kindern ist bisher von Verwaltung und Politik nicht eindeutig ausgeschlossen worden.
Vielmehr hat der SPD-Fraktionsvorsitzende in der diesbezüglichen Debatte in der Harburger Bezirksversammlung für die SPD-Fraktion erklärt, hinsichtlich einer möglichen Wohnunterbringung von Kindern in den Wohnungen über dem Abrigado keine Probleme zu sehen. Bei diesbezüglichen Befürchtungen handele es sich lediglich um Schreckensbilder, in denen Kinder am Zaun stehen und ein paar Junkies sehen würden.
Auch eine Belegung der Wohnungen mit Flüchtlingsfamilien wurde dabei nicht ausgeschlossen.
Aus fachlicher Sicht wären angesichts einer Unterbringung von Familien mit Kindern auf demselben Grundstück und im selben Gebäudekomplex mit dem Abrigado jedoch ausdrücklich Fragen des Kinderschutzes betroffen.
Diesbezügliche berechtigte fachliche Bedenken bezüglich praktischer (z. B. Auffinden von Spritzen beim Spielen; Verfügbarkeit von Drogen im nahen räumlichen Umfeld Jugendlicher) als auch psychosozialer Risiken bedürfen einer ernsthaften Prüfung und sollten im Rahmen eines vernunftgeleiteten Planungsprozesses ausdrücklich nicht bagatellisiert werden.
Beim Abrigado handelt es sich um eine akzeptierend arbeitende Einrichtung, die ein sehr stark frequentiertes niedrigschwelliges Beratungs- und Aufenthaltsangebot für schwerst abhängigkeitserkrankte Konsumenten illegaler Drogen einschließlich Drogenkonsumräumen („Fixerräume“) bietet.
Im direkten Umfeld einer solchen Einrichtung sind - bei realistischer Betrachtung und wie auch die bisherige Erfahrung in Harburg zeigt - Drogenkonsum, das Auffinden von Konsumbestecken und Spritzen sowie Drogenhandel nie ganz auszuschließen. Auch die Berührung von Klienten mit kriminellen Milieus gehört zur Realität.
Viele Klienten sind - im Kontext schwerer Abhängigkeitserkrankungen, vor dem Hintergrund eigener schwerster biographischer Traumatisierungen sowie aufgrund von sozialer Armut - nicht in der Lage, eine ausreichende körperliche und gesundheitliche Selbstfürsorge aufzubringen und neigen zu sozioemotionaler Verwahrlosung sowie selbstschädigendem Verhalten. Für die hochfrequentierte Einrichtung und ihr direktes Umfeld wirkt sich diese Verdichtung komplexer menschlicher Not und Destruktivität im Sinne einer Milieubildung atmosphärisch deutlich aus.
Hinsichtlich einer Wohn- und Freizeitunterbringung von Familien mit Kindern in unmittelbarer Nähe zum Abrigado müsste insofern im Vorhinein auch klar gestellt werden, dass der Träger - der ja bewusst und konzeptionell Drogenkonsum akzeptierenden - Einrichtung nicht die Verantwortung für mögliche Auswirkungen einer solchen Planung auf auf dem Grundstück wohnende Kinder, Jugendliche und Familien übernehmen kann. Vielmehr müsste er von einer solchen ausdrücklich entlastet und die stattdessen bestehende Verantwortungsstruktur vorher klar definiert werden. Dieses müßte sowohl für mögliche konkrete Komplikationen (z. B. Auffinden von Drogenbestecken/Spritzen beim Spielen von Kindern) als auch für milieuatmosphärische und psychosoziale Wirkungen gelten.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
1) Hielte das Harburger Jugendamt die Wohn- und Freizeitunterbringung von Familien mit Kindern und Jugendlichen in Sozialwohnungen auf demselben Grundstück, im selben Gebäude und damit in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Abrigado und seinem direkten Umfeld aus Fachsicht und unter Aspekten des Kinder- und Jugendschutzes für verantwortbar? Bitte beantworten unabhängig vom aktuellen bzw. ggf. noch wechselnden Stand der Bauplanung.
2) Welche Risiken, Schwierigkeiten und Wirkungen für von einer solchen möglichen räumlichen Planung betroffene Kinder, Jugendliche und Familien sieht das Harburger Jugendamt?
3) Teilt die Harburger Verwaltung die Auffassung, dass die Verantwortung für mögliche durch die bauliche und Belegungsplanung entstehende Gefährdungsmomente für dann dort wohnende Kinder, Jugendliche und Familien nicht an den Träger und damit die Mitarbeiter des Abrigado delegiert werden dürfte?
Hamburg, 29.03.2022
Ralf-Dieter Fischer Brit-Meike Fischer-Pinz
Fraktionsvorsitzender Michael Schaefer
Dr. Antje Jaeger
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