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Barrierefreiheit ist mehr als ein Zugang ohne Stufen - Bezirkliche Sitzungen auch für Höreingeschränkte zugänglich machen! Stellungnahme der Verwaltung zu Punkt 4

Mitteilungsvorlage Bezirksamt

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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29.06.2023
06.06.2023
Sachverhalt

 

Der Ausschuss für Soziales hat sich in seiner Sitzung am 10.11.2022 mit der o.g. Thematik befasst und einstimmig die nachfolgende Beschlussempfehlung verabschiedet. Der Hauptausschuss folgte der Beschlussempfehlung am 06.12.2022:

 

  1. Die Bezirksversammlung Hamburg-Nord strebt an, gehörlosen und schwerhörenden Bürger:innen die Teilhabe am politischen Austausch im Rahmen der Sitzungen der Bezirksversammlung, ihrer Ausschüsse und weiterer vom Bezirk anberaumter Sitzungen besser als bislang zu ermöglichen.

 

  1. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, im Sinne einer inklusiven baulichen Gestaltung beim Neubau des Bezirksamts Hamburg-Nord die dortigen Sitzungsräume so konzipieren zu lassen, dass – neben einem barrierefreien Zugang auch die hörgerechte Barrierefreiheit sichergestellt wird.

 

  1. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten zu prüfen, inwieweit bereits jetzt vorhandene technische Möglichkeiten (Funk-Übertragungsanlagen) für öffentliche Ausschüsse im Sitzungssaal genutzt werden können. Dabei soll insbesondere geprüft werden, ob die derzeit vorhandene Anlage im Sitzungssaal des Bezirksamts schon jetzt entsprechend verbessert bzw. nachgerüstet werden kann.

 

  1. Der Bezirksamtsleiter möge prüfen, ob die Bereitstellung von Gebärden- und Schriftdolmetscher:innen auf Nachfrage betroffener Menschen für Sitzungen öffentlicher Ausschüsse und der Bezirksversammlung möglich ist und welche Kosten dafür schätzungsweise je Einsatz anfallen würden.

 

  1. Die Bezirksamtsleitung wird aufgefordert, regelmäßig im Ausschuss für Soziales über den Fortgang der Ergebnisse zu berichten.“

 

Hintergrund:

 

Menschen mit einer Behinderung sind täglich vielen Barrieren ausgesetzt. Dies trifft derzeit auch auf die Sitzungen der Bezirksversammlungen in Hamburg, der Ausschüsse der Bezirksversammlungen sowie auf öffentliche Veranstaltungen wie z.B. öffentliche Plandiskussionen zu. Während Belange von blinden Menschen oder von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen inzwischen baulich durch Leitsysteme oder barrierefreie Zugangsmöglichkeiten häufig planerisch von Anfang an berücksichtigt und umgesetzt werden, stehen gehörlose sowie schwerhörende Menschen immer noch häufig vor der Situation, nicht oder nur unzureichend an politischen Austauschprozessen teilnehmen zu können.

 

Auch das Live-Streaming für Sitzungen der Bezirksversammlungen und der Hauptausschüsse aller sieben Hamburger Bezirke ist so ausgestaltet, dass für gehörlose und schwerhörende Bürger:innen eine problemlose Teilhabe nicht oder nur unzureichend möglich ist.

 

Die Politik sollte dem Auftrag gerecht werden, der durch die entsprechenden Gesetze und Verordnungen vorgegeben ist (UN-Behindertenrechtskonvention, Bundesteilhabegesetz, Behindertengleichstellungsgesetz, Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung). Der barrierefreie Zugang von gehörlosen und schwerhörenden Bürger:innen zu politischem Austausch ist ebenso sicherzustellen wie derjenige für blinde und mobilitätseingeschränkte Menschen.

 

In Hamburg-Nord sollte dieser Grundsatz insbesondere bei der baulichen Planung des neuen Bezirksamts und den dort vorgesehenen neuen Sitzungsräumen im Sinne des inklusiven Bauens von Beginn an berücksichtigt werden.

 

Neue Sitzungsräume sollen unter Berücksichtigung des „akustischen Dreiklangs“ mit einer hochgradig schallabsorbierenden Decke, schallabsorbierender Wandpaneele und Teppichboden gegen Störgeräusche ausgestattet werden. Neue Sitzungsräume mit Beschallungsanlage sollen mit Sprach-Lautsprecher-Säulen sowie induktiven Höranlagen ausgestattet werden.

 

Für gehörlose Bürger:innen soll im neuen Bezirksamt die Möglichkeit geschaffen werden, Assistenzbedarf beispielweise in Form von Gebärden- und Schriftdolmetscher:innen anzumelden.

 

 

Stellungnahme der Verwaltung zu Punkt 4:

 

In Hamburg-Nord werden pro Jahr ca. 100-120 öffentliche Sitzungen von Bezirksversammlung, Hauptausschuss sowie der Fach- und Regionalausschüsse durchgeführt mit einer durchschnittlichen Sitzungsdauer von ca. 1,5 bis 2 Stunden. Der überwiegende Teil der Sitzungen findet aktuell in Präsenz statt.

 

Ein Einsatz von Simultan-Schrift- und/oder Gebärdendolmetscher:innen würde es hörgeschädigten Menschen ermöglichen, Diskussionen, Redebeiträgen und Vorträgen simultan zu folgen und eine aktive Teilnahme, z. B. durch Rückfragen, zulassen.

 

Schrift- und Gebärdensprachdolmetscher:innen können beim zuständigen Gehörlosenverband mindestens zwei Wochen vor dem Einsatztermin bestellt werden. Für eine optimale Vorbereitung müssen die Dolmetscher:innen vom Auftraggeber frühzeitig Themen, Fachtermini, Namen von Teilnehmenden und Referenten o.ä. erhalten. Ggf. müssen Kürzel/Textmakros angelegt oder in die jeweilige Software eingegeben und trainiert werden.

 

 

 

Kosten:

 

Grundlage für die Vergütung von Dolmetscher:innen sind die Kostenregelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für Simultandolmetscher:innen nach dem neuen Kostenrechtsänderungsgesetz 2021.

 

Gem. § 9 JVEG zählen Gebärden- und Schriftdolmetscher:innen zu den Simultandolmetscher:innen und berechnen ihre Einsatzzeiten entsprechend ihrer Ausbildung und Qualifizierung mit mind. 85 Euro pro Stunde.

 

Für Einsätze ab einer Stunde und mehr sind Dolmetscher:innen zudem auf eine Doppelbesetzung und/oder regelmäßige Pausen angewiesen.

 

Zusätzlich zu den reinen Einsatzstunden berechnen die Dienstleister:innen

-          mind. eine Stunde zusätzlich für Fahrzeit mit je 85 Euro

-          zum Teil zusätzliche km-Pauschalen oder HVV TIckets 

-          Pauschalen für die Technik mit 25-50 Euro pro Einsatz (nur bei Schriftdolmetscher:innen)

 

Ein Einsatz kostet daher etwa zwischen 200 und 400 Euro. Stornobedingungen sind jeweils zu verhandeln.

 

Die Bezirke haben bislang keine Vereinbarung mit Dienstleister:innen, die Dolmetscher:innenleistungen anbieten. Eine Rahmenvereinbarung für die Bezirksämter in diesem Bereich wird derzeit bei der Finanzbehörde erarbeitet.

 

Petitum/Beschluss

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

 

Michael Werner-Boelz