22-0951.1

Rettung des Not leidenden Schaustellergewerbes

Vorlage öffentlich

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28.05.2020
Sachverhalt

Der Hauptausschuss hat in seiner Sitzung am 05.05.2020 dem nachfolgend aufgeführten Antrag der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion Drs. Nr. 22-0951 mehrheitlich - gegen die Stimmen der GRÜNE-Fraktion - zugestimmt.

 

Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Schaustellerei am stärksten finanziell und wirtschaftlich von den Allgemeinverfügungen im negativen Sinne betroffen. Seit dem 1. Januar 2020 konnte von den Familienbetrieben bis heute kein einziger Cent eingenommen werden. Betriebe, die an keinem Weihnachtsmarkt teilnehmen konnten haben bereits seit Ende Oktober 2019 keine Einnahmen mehr zu verzeichnen.

Die Situation spitzt sich inzwischen zu und wird grundsätzlich zu einer Schicksalsfrage für die Fortexistenz der Schaustellerei in Hamburg, aber auch in Deutschland.

Die bisherigen Rettungssysteme des Bundes und Hamburgs reichen aufgrund der speziellen Situation des Schaustellergewerbes nicht aus. Deshalb ist es erforderlich, flankierende Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen können, die Überlebensfähigkeit des Gewerbes zu sichern. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte spricht sich dafür aus, die Einnahmemöglichkeiten für das Schaustellergewerbe vorübergehend auszuweiten.

 

Der Hauptausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte bittet den Bezirksamtsleiter, folgende Maßnahmen zur Unterstützung der Schaustellerei unter Einhaltung der Vorgaben der Polizei und der Feuerwehr umzusetzen:

 

  1. Schaustellerbetriebe können noch bis 31.08.2021 auf geeigneten Flächen Sondernutzung auch für einzelne Stände erlangen.
  2. Dem jeweiligen Regionalausschuss oder Cityausschuss werden die Sondernutzungsanträge zur Beschlussfassung vorgelegt.
  3. Die Genehmigungen sollen nur Schaustellerbetriebe erhalten, die gemäß § 55 Abs. 2 GewO eine Reisegewerbekarte, also eine behördliche Erlaubnis besitzen, dass sie dem Schausteller-Gewerbe nachgehen dürfen, die vor dem 01.März 2020 ausgestellt wurde. Die Genehmigungen sollen ausdrücklich auch solchen Betrieben erteilt werden, die z.B. Fahr-, Schau-, Belustigungs-, Spiel- oder Verlosungsgeschäfte betreiben.
  4. Das Bezirksamt wird gebeten in Abstimmung mit dem Hauptausschuss der Bezirksversammlung ein Verfahren zu definieren, welches transparente Vergabekriterien, maximale Standzeiten und gestalterische Mindestansprüche an eine Genehmigung enthält.

 

  1. Das Bezirksamt möge prüfen,
    1.          ob und wie durch die frühzeitige Einbindung von Schaustellerverbänden oder mit dem Thema befasster Vereine schon in dem unter 4. beschriebenen Verfahren Synergien in der Planung und Logistik zu heben sind.
    2.          ob die Genehmigung auf Betriebe gem. Ziffer 2 auf Hamburger Unternehmen beschränkt werden kann.
    3.          ob die Erhebung von Sondernutzungsgebühren bis zum 31.08.2021 entfallen kann.

 

 

Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen nimmt zu dem Beschluss mit Schreiben vom 25.05.2020 wie folgt Stellung:

 

Die Beschlussunterlagen reichen für eine abschließende Einschätzung nicht aus.

Der Oberbaudirektor schlägt dem Bezirksamt die Entwicklung eines Konzepts vor, das unter anderem auf die folgenden Punkte eingeht:

- Konkretisierte Darstellung der Flächen, die Schaustellerbetrieben zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden sollen,

- Differenzierung der zulässigen Nutzungen auf den freigegebenen Flächen (welche Schaustellerbetriebe sollen zugelassen sein),

- Betrachtung der Auswirkungen auf die stationäre Gastronomie, insbesondere im Bereich der Innenstadt,

- Berücksichtigung der Anstrengungen, um das gestalterisch angemessene Bespielen von Platzflächen in der Innenstadt (siehe zum Beispiel den Entwurf für ein Nutzungskonzept des Gerhart-Hauptmann-Platzes.

 

Das Bezirksamt nimmt wie folgt Stellung und schlägt am Ende eine Verfahrensweise vor:

 

Zunächst ist zu Punkt 5.3 des Beschlusses anzumerken, dass von der Begründung einer Gebührenforderung gemäß Nr. 4.1.2 der VV zu § 37 LHO nur in besonderen Ausnahmefällen abgesehen werden darf. Da hier ein generelles Vorgehen für eine unbestimmte Anzahl von Fällen angestrebt wird, scheidet diese Möglichkeit aus.

Muss das Bezirksamt demnach die Sondernutzungsgebühren grundsätzlich erheben und festsetzen, stellt sich die Frage nach einer möglichen Stundung oder Erlass der Gebühren. Nach einem Gebührenrundschreiben der Finanzbehörde zum Umgang mit Gebühren in der Corona-Krise heißt es, dass ein Gebührenpflichtiger, der aufgrund der erlassenen städtischen Allgemeinverfügungen nicht unerheblich in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (unmittelbar oder mittelbar) eingeschränkt wird, unter Darlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse einen Antrag auf Stundung oder Erlass stellen kann. Abhängig von der Prüfung des Einzelfalls kann das Bezirksamt dann eine Stundung oder einen Erlass ab dem Geltungsdatum der jeweiligen Allgemeinverfügung bis längstens zum 31.12.2020 vornehmen. Ein Erlass – also ein endgültiger Verzicht auf die Gebühr – kommt dabei als ultima ratio nur in den Fällen in Frage, in denen die der Gebührenfestsetzung zugrundeliegende Leistung ganz oder überwiegend entfällt (z.B. Ausfall von Veranstaltungen, eingeschränkte Nutzung öffentlicher Flächen). Angesichts dessen kann aus Sicht des Bezirksamtes die Sondernutzungsgebühr für die Nutzung der Flächen durch Schausteller nicht erlassen werden, da die zugrundeliegende Leistung – wenn auch nur unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen - erbracht wird.

Da es sich bei dieser Problematik nicht nur um einen einzelnen Gebührenpflichtigen und auch nicht um ein Problem nur des Bezirks Hamburg-Mitte handelt, wurde die Finanzbehörde ebenfalls beteiligt. Eine Rückmeldung liegt noch nicht vor.

 

Zu den übrigen Punkten wird Folgendes ausgeführt:

 

Hamburg versteht das Schaustellerwesen stets als historisch eng mit der Geschichte der Stadt verwobenen. Hieraus begründen sich das Wohlwollen und die Unterstützung für Veranstaltungen in zentralen Innenstadtlagen wie der Hamburger DOM oder der Hafengeburtstag, die identitätsstiftend für unsere Stadt sind.

Zugleich ist Hamburg nicht nur Stadt, sondern auch Metropole mit hohen Ansprüchen an den öffentlichen Raum, so dass regelmäßig Diskussionen über die Weiterentwicklung und Konkurrenzen innerstädtischer Flächen eine gesamtstädtische Perspektive benötigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn kontroverse Nutzungen, andere Nutzungsformen oder Interessenten ausschließen.

Die bereits Anträge eingegangen sind:

 

 

Nutzungsart

 

Größe

 

Fläche (Wo?)

 

Wann

 

Schwenkgrill

 

Durchmesser 6 m

 

Innenstadt

 

 

Fischimbiss

 

4 x 8 m

 

Innenstadt

 

 

Bauernschänke und Kühlwagen

 

8 x 4,5 m

4 x 2,5 m

 

Mönkebrunnen/Spitalerstr.

 

25.05. - 25.07.2020

 

Hofbäckerei und

Kühlwagen

 

8 x 4,5 m

4 x 2,5 m

 

Spitalerstraße

 

25.05. - 25.07.2020

 

Bauernkate

 

10 x 6 m

 

Jungfernstieg/Alsterpromenade

 

27.07. - 26.09.2020

 

Bauernkate

 

10 x 6 m

 

Spitalerstr./Lange Mühren

 

25.05. - 25.07.2020

 

Petit Paris

 

 

 

 

Obststand

 

6 x 2,50 m

 

Mönckebergbrunnen/Spitalerstr.

 

 

 

Zur Bratpfanne

und Kühlwagen

 

6 x 3 m

3x2,5 m

 

Jungfernstieg/Alsterterrassen

 

25.05. - 31.08.2020

 

Zur Bratpfanne

und Kühlwagen

 

6 x 3 m

3x2,5 m

 

Jungfernstieg/Alsterterrassen

 

31.05. - 11.07.2021

 

Getränkepavillion

und Kühlwagen

 

Durchmesser 6,50 m

3x2,5 m

 

Jungfernstieg/Alsterterrassen

 

25.05. - 31.08.2020

 

Getränkepavillion

und Kühlwagen

 

Durchmesser 6,50 m

3x2,5 m

 

Jungfernstieg/Alsterterrassen

 

31.05. - 11.07.2021

 

Glühweinpyramide

 

7,50 x 5 m

 

Jungfernstieg/Alsterterrassen

 

23.11. - 23.12.2020

 

Aus der Antragslage wird deutlich, dass einige wenige städtebaulich besonders sensiblen Lagen in den attraktiven Sommermonaten nahezu exklusiv beansprucht werden.

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte bat daher die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) sowie die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) um Stellungnahme gebeten.

Die Stellungnahme der BWVI liegt noch nicht vor.

 

Die BSW hat sich positioniert und erwartet die Entwicklung eines Konzeptes für die Flächenvergabe (s.o.)

In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war es bislang nicht möglich, anhand dieser Hinweise ein Konzept mit transparenten Vergabekriterien, maximalen Standzeiten und gestalterischen Mindestansprüche zu entwickeln und mit den maßgeblichen Innenstadtakteuren (z.B. den von der Flächennutzung betroffenen BIDs) abzustimmen.

Zugleich befindet sich das Bezirksamt in fortgeschrittenen Abstimmungen mit Anliegern, weitestgehend Gastronomen und Einzelhändeln, die aufgrund der Geschäftsunterbrechungen, der nun geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen sowie der zahlreichen Baustellen und Infrastrukturmaßnahmen erheblichen Platzbedarf zur Attraktivierung und Ausweitung des stationären Gewerbes angemeldet haben.  

 

Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, dass seitens des Schaustellergewerbes zunächst weitere Anträge gestellt werden. Nach Erfüllung der fachbehördlichen Kriterien werden anhand von Einzelfallprüfungen den Antragstellern Möglichkeiten zur Realisierung aufgezeigt. Hierzu gehört auch, dass in Abstimmung mit den Antragstellern ggfs. andere Lagen im Bezirk Hamburg-Mitte angeboten werden, sofern sie einen finanziell ausreichenden Ertrag versprechen.

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme und Zustimmung zum vom Bezirksamt vorgeschlagenen Verfahren wird gebeten.