20-1298

Straßenbenennungen

Antrag

Sachverhalt

Antrag des BAbg. Kleszcz, Omniczynski und SPD-Fraktion

des BAbg. Noetzel und CDU-Fraktion

 

Angeregt durch die von der Landeszentrale für Politische Bildung beauftragen Forschungsarbeiten für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ hat die Fraktion der Linken in der Bezirksversammlung beantragt, Straßennamen in Bergedorf daraufhin zu prüfen, ob sie nach Personen benannt sind, die wegen ihrer Aktivitäten zur Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten  (eher) nicht geeignet sind, als Namensgeber für Straßen geehrt zu werden. Die Bezirksversammlung hat  dazu eine aus fünf Personen bestehende „Bergedorfer Historikerkommission“ eingesetzt, die nach einem Jahr ehrenamtlicher Forschungsarbeit einen umfangreichen Bericht zu zehn, zum Zeitpunkt der Beauftragung in der Datenbank genannten „Namensgebern“ für Straßen in Bergedorf vorgelegt hat.

 

Bei acht Namen empfiehlt die Kommission „Umbenennung nicht erforderlich“. (Zu sechs dieser Namen wurden die Eintäge in der Datenbank zurückgezogen.) Für die Schorrhöhe empfiehlt die Kommission eine Umbenennung. (Die Universität hat dazu noch eine eigene Untersuchung angeboten.) Für die Kurt-A-Körber-Chaussee hält die Kommission eine Umbenennung für angeraten.

 

Wegen der Bekanntheit des Namengebers und der Bedeutung der Straße war es nicht überraschend, dass die folgende öffentliche Diskussion in erster Linie um die Person Herrn Körbers geführt wurde.

 

Die Kampchaussee wurde 1998 auf Antrag der Bezirksversammlung in Kurt-A-Körber-Chaussee umbenannt zur Würdigung der Verdienste Herrn Körbers um Bergedorf:

 

Gründer und Leiter des größten und wichtigsten Bergedorfer Unternehmens, ein sich seiner sozialen Verpflichtung bewusster Unternehmer (Mitbestimmungsmodell), Mäzen (Haus im Park), Stifter (Fachhochschule) und Anreger (Bergedorfer Gesprächskreis, Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten).

 

Aus ähnlichen, auf Hamburg bezogenen Gründen wurde Herr Körber 1991 zum Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg ernannt.

 

Sowohl bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde als auch bei der Straßenumbenennung war bekannt, dass Herr Körber in der NS-Zeit eine leitende Position bei der Dresdener Universelle hatte, einem Unternehmen, das  Rüstungsaufträge für das NS-Regime ausführte und das Zwangsarbeiterinnen und weibliche KZ-Gefangene beschäftigte.

 

Die Debatte nach der Vorlage des Berichts der Bergedorfer Historikerkommission ging in erster Linie um die Fragen

  1. Gibt es (möglicherweise neue) Belege dafür und/oder Erkenntnisse darüber, dass  Herr Körber persönlich bei der Unterbringung von und beim betrieblichen Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und KZ-Gefangenen mitgewirkt hat, Möglichkeiten zur Verbesserung  der Lebensbedingungen dieser Frauen (bewusst) nicht genutzt hat oder gar für die Verschlechterung der Lebensbedingungen gesorgt hat?  
  2. Gibt es in der Öffentlichkeit und/oder der Wissenschaft anerkannte neue Bewertungsmaßstäbe für moralische Verantwortung von Wirtschaftsführern für ihr Verhalten in der NS-Zeit?

 

Gegenwärtig müssen beide Fragen verneint werden. Es gibt keine neu gefundenen Dokumente oder sonstigen Erkenntnisse über das konkrete Verhalten Herrn Körbers zu den bei der Universelle eingesetzten Zwangsarbeiterinnen und KZ-Gefangenen. Ebenso wenig gibt es einen gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Konsens darüber, dass Mitgliedern von Unternehmensführungen  in ihrem Unternehmen begangene Fehlverhalten, Vergehen oder Verbrechen zugerechnet werden sollen, unabhängig von ihrer konkreten persönlichen Mitwirkung.

 

Die  Konsequenz aus der Verneinung dieser beiden Fragen ist dann auch die Verneinung der Frage, ob die Kurt-A-Körber-Chaussee umbenannt werden soll.

 

Die Debatten haben aber deutlich gezeigt, dass die Debatte damit nicht abgeschlossen sein darf, sondern dass es  weiteren Diskussionsbedarf  zur Aufhellung dunkler Flecken  in der Biographie eines Hamburger Ehrenbürgers gibt.

 

 

Petitum/Beschluss

 

Wir beantragen deshalb, die Bezirksversammlung möge beschließen:

1. Die Bezirksversammlung folgt den acht Empfehlungen der „Bergedorfer Historikerkommission“, die jeweiligen Straßen nicht umzubenennen.

2. Zur Frage der Umbenennung der Schorrhöhe wartet die Bezirksversammlung auf das von der Universität angekündigte Gutachten.

3 .Zur Kurt-A-Körber-Chaussee spricht sich die Bezirksversammlung gegen eine Umbenennung aus.

4. Die Bezirksversammlung  fordert aber, dass bei der Anhörung der Historiker im HauptA am 15.06. vorgetragene Anregungen zur weiteren Debatte über das gesamte unternehmerische Wirken von Herrn Körber und darüber hinausgehend über das Wirken und die Verantwortung von Unternehmern in der NS-Zeit aufgegriffen werden:

- An den Straßenschildern „Kurt-A-Körber-Chaussee“ sollen Erklärungsschilder angebracht werden (wie sie früher bei Hamburger Straßennamen üblich waren). Der kurze  Erklärungstext soll mit der KZ-Gedenkstätte und der Körber-Stiftung abgestimmt werden.

- An diesen Straßenschildern soll auch ein QR-Code angebracht werden, über den man weitere Informationen über Herrn Körber abrufen kann. Die so abzurufenden Informationsmaterialien sollen ebenfalls mit der KZ-Gedenkstätte und der Körber-Stiftung abgestimmt werden.

- Es soll die Einrichtung eines offenen Blogs oder eines anderen geeigneten Formats geprüft werden, um den Forschungsstand über Herrn Körber abrufen zu können und darüber diskutieren zu können.

- Es sollen Möglichkeiten zur Initiierung neuer Forschung(svorhab)en über Herrn Körber geprüft werden. Dabei soll auch überlegt werden, ob und wie man u.a. Schüler/innen des Körber-Gymnasiums mit einbeziehen kann.  

 

 

Anhänge

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