Prävention und Unterstützung bei geschlechtsspezifischer Gewalt in Hamburg-Bergedorf
Letzte Beratung: 30.01.2025 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.6
Auskunftsersuchen
der BAbg. Brodbeck, Basener und Fraktion der GRÜNEN
Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigen erschreckend deutlich: Männer verüben in Deutschland systematisch Gewalt gegen Frauen. Diese Taten sind Ausdruck von Hass, Machtansprüchen und dem Versuch, Kontrolle auszuüben. Besonders häufig geschieht dies im nahen sozialen Umfeld der Opfer, vor allem in Partnerschaften.
Im Jahr 2023 wurden allein durch Männer 938 Frauen und Mädchen in Deutschland durch versuchte oder vollendete Tötungsdelikte angegriffen. 80,6 % dieser vollendeten Taten waren Femizide, Morde an Frauen, allein aufgrund ihres Geschlechts. Mehr als 180.000 Frauen waren Opfer häuslicher Gewalt durch Männer. Über 52.000 Frauen und Mädchen erlitten sexualisierte Gewalt, darunter mehr als die Hälfte als Minderjährige. Bei den Delikten kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.
Auch in Hamburg-Bergedorf spiegeln sich diese alarmierenden Zahlen wider: Männer schränken Frauen durch Gewalt massiv in ihrer Sicherheit und Freiheit ein. Die Folgen für die Betroffenen sind gravierend: physisch, psychisch und sozial.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die zuständige Fachbehörde:
Vorbemerkung der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde)
Der Senat hat sich in seinem neuen „Konzept zur Umsetzung der Istanbulkonvention (Gewaltschutzkonzept)“, Drs. 22/15828, zu einem ganzheitlichen Ansatz bei der Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt bekannt. Die in dem Konzept dargestellten Maßnahmen beschreiben daher hamburgweite Ansätze. Eine rein bezirklich orientierte Betrachtung erfolgt nicht und ist aus fachlicher Sicht auch nicht angezeigt, weilBetroffene von Gewalt oft gerade an dem früheren Wohnort bedroht oder verfolgt sind oder aber sich in einem auch dem Täter vertrauten Umfeld unsicher fühlen.
Alle in dem Konzept dargestellten Ansätze stehen somit auch Betroffenen aus dem Bezirk Bergedorf zur Verfügung.
Im Einzelnen wird hier auf die Darstellung im Gewaltschutzkonzept sowie die Seitenhttps://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/sozialbehoerde/themen/soziales/opferschutz und https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/sozialbehoerde/themen/soziales/opferschutz/gemeinsam-gewaltfrei verwiesen.
Die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) nimmt zu den Fragen 1a) und 1.b) wie folgt Stellung:
Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird das Geschlecht der Verletzten einer Straftat nicht zuverlässig erfasst. Ferner wird in MESTA nicht zuverlässig erfasst, ob der Tatort im Bezirk Bergedorf gelegen ist. Zur Beantwortung der Fragen wäre eine händische Auswertung sämtlicher Verfahrensakten erforderlich, welche im Register der Abteilung 20 (Beziehungsgewalt) eingetragen wurden und bei denen u.a. als Tatvorwurf jedenfalls §§ 177, 211, 212, 223, 224, 226, 240 oder 241 Strafgesetzbuch erfasst wurde. Allein für den Aktenzeichenjahrgang 2024 handelt es sich um eine vierstellige Anzahl an Verfahren. Innerhalb der zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist eine solche Auswertung – insbesondere angesichts des zu beauskunftenden Zeitraums von zehn Jahren – nicht möglich
Stellungnahme der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) unter Einbeziehung der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz:
Siehe Vorbemerkung.
Stellungnahme der Behörde für Inneres und Sport:
Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die statistische Erfassung eines Falles in der PKS erfolgt mit Abschluss der polizeilichen Ermittlungen durch die für die Endbearbeitung zuständige Dienststelle. Eine statistische Erfassung der strafrechtlichen Folgen wird von der Polizei nicht vorgenommen.
Fälle werden in der PKS weder nach dem Geschlecht der Tatverdächtigen (TV) noch dem der Opfer klassifiziert. Ersatzweise wird die Anzahl der Opferwerdungen und die der ermittelten Tatverdächtigen für die ausgewählten PKS-Schlüssel „Gewaltkriminalität“ und „Vorsätzliche einfache Körperverletzung“ dargestellt.
Die Anzahl kann nicht in Relation zu den Fallzahlen gesetzt werden, da mehrere Opfer oder Tatverdächtige zu einem Fall erfasst worden sein können. Zu berücksichtigen ist, dass eine Person, die im Laufe eines Jahres mehrfach Opfer von Straftaten geworden ist, auch mehrfach erfasst wird. Im Gegensatz dazu wird bei der Berechnung der Tatverdächtigen in der PKS eine echte TV-Zählung vorgenommen. Dabei wird ein TV nur einmal gezählt,auch wenn er mehrfach registriert wurde. Dieses Prinzip wird sowohl für die Anzahl der TV insgesamt als auch für die Anzahl der TV für jedes Delikt angewendet. Wird ein TV mit zwei verschiedenen Delikten registriert, wird er für das jeweilige Delikt als TV gezählt. Es wird nicht unterschieden, ob es sich um ein versuchtes oder vollendetes Delikt gehandelt hat.
Gewaltkriminalität wird in der PKS durch den Summenschlüssel 892000
„Gewaltkriminalität“ dargestellt.
Er umfasst folgende Straftatenschlüssel oder Deliktsbereiche:
• Mord (PKS-Schlüssel 01****)
• Totschlag und Tötung auf Verlangen (PKS-Schlüssel 0200**)
• Vergewaltigung / sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge (PKS-Schlüssel 111***)
• Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (PKS-Schlüssel 21****)
• Körperverletzung mit Todesfolge (PKS-Schlüssel 2210**)
• Gefährliche und schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien (PKS-Schlüssel 222***)
• Erpresserischer Menschenraub (PKS-Schlüssel 233***)
• Geiselnahme (PKS-Schlüssel 234***)
• Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (PKS-Schlüssel 235000)
Sowohl die Opfer- als auch die TV-Zahlen werden in der PKS standardisiert nur für Hamburg gesamt berechnet. Für die Bezirksebene sind Sonderauswertungen erforderlich, die aus technischen Gründen nur für das aktuelle und das vorangegangene Jahr durchgeführt werden können. Ein 10Jahresvergleich für den Bezirk Bergedorf ist daher nicht möglich.
Aus länger zurückliegenden Anfragen in anderer Sache liegen jedoch Tabellen ab dem Jahr 2020 vor, so dass zumindest ein 5-Jahresvergleich vorgenommen werden kann. Die PKS ist auf Jahresauswertungen angelegt. Für das Jahr 2024 erfolgt die Berechnung aus Gründen der Validität als kumulative Dreivierteljahreszahl.
Zu den erfragten Daten siehe Anlage.
Stellungnahme der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) unter Einbeziehung der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz:
Siehe Vorbemerkung.
Im Hamburger Justizvollzug gibt es Resozialisierungsprogramme für inhaftierte Gewaltstraftäter. Es handelt sich – je nach den individuellen Behandlungsbedarfen der Insassen und nach Justizvollzugsanstalt – um Einzel- oder Gruppensettings, in denen eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung, soziales Training oder Delinquenzbearbeitung erfolgt. Insofern es sich bei der Anlasstat um geschlechtsspezifische Gewalt handelt, wird dies in den Behandlungsmaßnahmen berücksichtigt und aufgearbeitet.
Seit 2011 finanzieren die Sozialbehörde und die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz gemeinsam jährlich drei Anti-Gewalt- und Kompetenztrainings (AKT). Diese fünfmonatigen AKT-Trainingskurse, die als deliktspezifische sozialpädagogisch-psychologische Maßnahme für straffällige erwachsene Männer konzipiertsind, werden in bewährter Kooperation zwischen der Gemeinnützigen Wohnheimgesellschaft (GWG) des Hamburger Fürsorgevereins und dem Individuell Violence Management (IVM) praktiziert. Jeder der drei Kurse umfasst dabei 8 bis 12 Teilnehmer. Ein Drittel der Teilnehmer wird durch die Hamburger Justizvollzugsanstalten belegt, zwei Drittel durch das Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe, Abteilung Bewährungshilfe für Erwachsene. Katamnestische Daten hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen werden bislang nicht erhoben. Die Anzahl Teilnehmer aus der Zielgruppe der Fragestellung (Männer, die wegen eines Gewaltdelikts an Frauen verurteilt wurden) wird ebenfalls statistisch nicht erfasst.
Die Trainings werden über das Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe zuwendungsfinanziert.
Im Rahmen des Jugendstrafverfahrens stehen folgende Angebote für Jugendliche und Heranwachsende zur Verfügung, die durch Gewalttaten auffällig geworden sind.
Das konfrontative soziale Training / Anti Gewalt Training richtet sich an männliche Täter, wobei eine Fokussierung auf Täter, die wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt wurden, nicht erfolgt.
Seit dem Jahr 2013 haben insgesamt 182 Täter die Kurse absolviert.
Einzeltraining wird ebenfalls angeboten und richtet sich sowohl an männliche als auch an weibliche Täter. Eine Erhebung entsprechender Zahlen erfolgt nicht, sodass lediglich eine Annahme darüber getroffen werden kann, dass auch bei diesem ambulanten Angebot die Anzahl der männlichen Täter überwiegt. Seit dem Jahr 2013 haben insgesamt 362 Täter und Täterinnen ein Training absolviert.
In Bezug auf die Entwicklung lässt sich festhalten, dass die Weisungen, ein Einzeltraining zu absolvieren, seit 2013 kontinuierlich zugenommen haben, während zu den Gruppenangeboten weniger Täter zugewiesen wurden. Im Jahr 2022 sowie im darauffolgenden Jahr 2023 hat sich die Anzahl der Täter, denen ein Trainingskurs zugewiesen wurde, wieder leicht erhöht.
Derzeit werden in Hamburg keine Evaluationen durchgeführt, welche die Wirksamkeit der Maßnahmen untersuchen. Rückfallquoten der betreffenden Gruppe werden ebenfalls nicht erhoben.
Im Vollzugsverlauf wird einzelfallbezogen geprüft, ob Vollzugslockerungen zur Erprobung des Resozialisierungserfolgs durchgeführt werden können.
Siehe Vorbemerkung.
Die genannten Themen werden in den zuvor genannten Maßnahmen behandelt.
Siehe Vorbemerkung.
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