21-0730.01

Hartz-IV-Sanktionen: Wie ist der Stand in Bergedorf?

Antwort

Letzte Beratung: 25.02.2021 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.4

Sachverhalt

Auskunftsersuchen der BAbg. Westberg, Mirbach, Jobs, Heilmann, Gruber – Fraktion DIE LINKE

 

Seit bald 16 Jahren ersetzt das Arbeitslosengeld II, Hartz IV, die frühere Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Das ALG-II soll das Leben am absoluten Existenzminimum ermöglichen. Seit diesem Jahr beträgt der Regelsatz für eine alleinstehende Person 446 Euro. Dieser ohnehin schon viel zu geringe Regelsatz kann allerdings sanktioniert, das heißt gekürzt, werden. Es wird dabei unterschieden zwischen kleinen Sanktionen um je 10 Prozent und großen Sanktionen um je 30 Prozent für drei Monate.

Bei einer Vollsanktionierung von 100 Prozent werden außerdem keine Gelder für Wohnen und Heizen und auch kein Zuschuss zur Krankenversicherung gezahlt.

Vor gut einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass Sanktionen auf ALG-II

teilweise verfassungswidrig sind. Kürzungen von mehr als 30 Prozent sind nicht mit der Würde des Menschen vereinbar. Dieser Beschluss gilt allerdings nicht für unter 25-Jährige.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

 

 

Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zum oben genannten Auskunftsersuchen vom 26.01.2021 wie folgt Stellung:

 

Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es, die Eigenverantwortung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu stärken und sie bei der Aufnahme oder Erhaltung der Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Dies bedeutet, dass alle Beteiligten – Leistungsberechtigte wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters – in den Integrationsprozess eingebunden sind, verbunden mit entsprechenden Rechten und Pflichten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 SGB II, Grundsatz des Forderns). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter sind verpflichtet, die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten umfassend zu unterstützen und die für die Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen zu erbringen (§ 14 SGB II, Grundsatz des Förderns).

 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) weder den Grundsatz des Förderns und Forderns noch die Sanktionen grundsätzlich in Frage gestellt. Um die Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zu wahren, muss die Sanktion jedoch verhältnismäßig sein. Sanktionen bis zu 30 % können demnach zulässig, die bisherigen Sanktionsstufen von 60 und 100 % der maßgeblichen Regelleistung wurden hingegen als nicht verhältnismäßig verworfen. Zudem muss den Betroffenen Gelegenheit gegeben werden, die Mitwirkung nachzuholen und so die Sanktion zu beenden. Damit ist die bislang vorgegebene starre Dauer von drei Monaten für die Leistungsminderung aufgehoben.

 

Zudem ist jetzt im Rahmen jeder Sanktionsentscheidung zu prüfen, ob

  • die Sanktion unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde und
  • nach Einschätzung der Behörde der Zweck des Gesetzes nur dann erreicht wird, wenn eine Sanktion erfolgt.

 

Es handelt sich hierbei um Ermessensentscheidungen, die den bisherigen „wichtigen Grund“ erweitern.

 

Das Urteil des BVerfG bezieht sich nur auf Leistungsberechtigte über 25 Jahre und ausdrücklich nicht auf Jugendliche und Jungerwachse unter 25 Jahren sowie Sanktionen bei Meldeversäumnissen.

 

Das zuständige Bundesministerium hat die Entscheidung des BVerfG durch eine neue Weisung zu §§ 31 ff SGB II umgesetzt. Diese gilt bis zu einer gesetzlichen Neuregelung.

 

Die Weisung regelt die

-          Schriftform der Rechtsfolgenbelehrung,

-          Begrenzung der Leistungsminderung auf max. 30 % der maßgeblichen Regelleistung,

-          nachträgliche Mitwirkung bzw. Bereiterklärung zur Mitwirkung und daraus folgende Aufhebung der Sanktion,

-          Übernahme der Regelungen für U 25-jährige, wenn dies nicht zu einer Schlechterstellung im Vergleich zur Regelung des § 31a Abs. 2 SGB II führt.

 

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist mit dem letzten Punkt (Übernahme der Regelung für U 25) über die Entscheidung des BVerfG hinaus gegangen.

 

Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) hat sich seit März 2020 auf die pandemiebedingte Lage auf Grundlage der Corona-Eindämmungsverordnungen sowie der Weisungen der Bundesagentur für Arbeit eingestellt. Im Rahmen des Sozialschutzpaketes I wurden ab März 2020 Leistungsminderungen durch Sanktionen ausgesetzt. Erst mit der schrittweisen Öffnung der Jobcenter (auf der Basis einer Gemeinsamen Empfehlung des Bund-Länder-Ausschusses nach § 18c SGB II - „Schrittweise Erweiterung des Publikumsverkehrs in den Jobcentern“ vom 22. Mai 2020) wurde die Umsetzung von Rechtsfolgenbelehrungen und ggf. Minderungen unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit für die Kundinnen und Kunden grundsätzlich ab 1. Juli 2020 wieder aufgenommen. Eine persönliche Vorsprache ist bspw. unzumutbar wegen Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, Anordnung von Quarantäne, aktuell fehlender Kinderbetreuung (Schließung von Kindertagesstätten/Schulen), Pflege von Angehörigen. Vor Eintritt einer Leistungsminderung müssen die vorgenannten Prüfungen (z.B. außergewöhnliche Härte) erfolgen.

 

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen auf Grundlage der Auskünfte von Jobcenter und dem Statistikamt Nord sowie des Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit (BA) wie folgt beantwortet:

 

 

 

  1. Wie viele Menschen empfangen im Bezirk Bergedorf Arbeitslosengeld II? Bitte nach Dauer des Bezugs und Größe der Bedarfsgemeinschaft aufschlüsseln. Falls Angaben auf Bezirksebene nicht möglich, dann bitte nach Bergedorfer Postleitzahlen angeben.

 

Zu 1.:

 

SGBII Leistungsberechtigte im Bezirk Bergedorf im September 2020

SGBII Bedarfsgemeinschaften

Personen

insgesamt

mit 1 Person

mit 2 Personen

mit 3 und mehr Personen

in Bedarfs-gemeinschaften insgesamt

 6 637

 3 308

 1 272

 2 057

 14 138

 

Quelle: Statistikamt Nord

 

Daten mit Stand 31.12.2020 liegen nicht vor April 2021 vor.

 

Daten zur Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld II liegen im Statistikamt Nord nicht vor.

Hilfsweise wird auf die Statistik der BA für Hamburg gesamt hingewiesen:

https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202006/iiia7/dauern/dauern-d-0-202006-xlsm.xlsm?__blob=publicationFile&v=1

Register „Tabellenblatt“: Auswahl der Region und Art der Leistungsberechtigung mit Hilfe der Favoritenbox unter der Überschrift.

Hinweis: Die Veröffentlichung der Verweildauern im SGB II erfolgt für die Berichtsmonate Juni und Dezember eines Jahres.

 

 

  1. Wie viele Sanktionen nach § 31, 32 SGB-II gab es in den letzten fünf Jahren im Bezirk Bergedorf? Bitte nach Jahren, Gründen und Höhe dieser Sanktionen in Prozent des Regelbedarfs aufschlüsseln.

 

Zu 2.:

Eine Antwort im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich, da der Statistik-Service der BA keine statistischen Daten auf Bezirksebene erhebt.

 

Hilfsweise wird auf die Statistik der BA für Hamburg gesamt hingewiesen:

https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/Aktuell/iiia7/zr-sanktionen/zr-sanktionen-d-0-xlsm.xlsm?__blob=publicationFile&v=1

Register „Tab 2“: Sanktionsgründe, Auswahl der Region mit Hilfe der Favoritenbox unter der Überschrift.

 

 

  1. Gab es auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Bezirk Sanktionen über 30 Prozent? Wenn ja: Aus welchem Grund und in welcher Höhe in Prozent des Regelbedarfs und wie lange dauerten diese an?

 

  1. Wurden im letzten Jahr aufgrund der Pandemie Sanktionen im Bezirk ausgesetzt? Wenn ja: In welcher Höhe wären diese Sanktionen gewesen und seit wann wird wieder sanktioniert?

Zu 3. und 4.:

Siehe Vorbemerkung.

 

 

  1. In wie vielen Fällen einer Vollsanktionierung ist eine anschließende Obdachlosigkeit im Bezirk bekannt?

Zu 5.:

Eine Antwort im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich, da keine statistische Erhebung erfolgt.

 

 

 

 

 

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