21-1927

Empfehlungen der AG Straßenumbenennung zur Um- und Mitbenennung von Straßen

Bericht

Letzte Beratung: 16.11.2023 Hauptausschuss Ö 6

Sachverhalt

Berichterstatterin: Petra Petersen-Griem

In seiner Sitzung am 15.09.2022 hat der Hauptausschuss auf Vorschlag des Vorsitzenden des HA entschieden, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die alle Fragen im Zusammenhang mit der Um- oder Mitbenennung von Straßen erörtern und Vorschläge erarbeiten soll. Dazu gehören die Aufstellung von Info-Tafeln zur Kontextualisierung der Kurt-A.-Körber-Chaussee ebenso wie die Erstellung eines Textes für diese Tafeln, als auch eine mögliche Mitbenennung des Harnackringes nach Mildred und Arvid Harnack und die Suche nach einem neuen Namen für die Schorrhöhe und Erarbeitung eines Textes für die aufzustellende Informationstafel sowie die Umbenennung des Elingius-Platzes. Jede Fraktion soll je ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied benennen. Im Oktober 2022 hat die Arbeitsgruppe ihre Arbeit unter dem Vorsitz von Peter Gabriel aufgenommen. Seit September 2023 hat die Unterzeichnende mit Einverständnis der Mitglieder den Vorsitz der Arbeitsgruppe inne.

Die hier vorgelegten Empfehlungen orientieren sich an den Beschlüssen der Bezirksversammlung und an den Ausführungen und Feststellungen aus dem Abschlussbericht der Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg. Berücksichtigt wurden auch gesetzliche Vorgaben sowie Informationen des Staatsarchivs Hamburg zur Benennung von Straßen und Plätzen.  Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene, umfassende Recherchen vorgenommen. Die von den Fraktionen vorgetragenen Vorschläge wurden teilweise kontrovers, aber immer konstruktiv diskutiert. Mit Ausnahme des Namenvorschlags zur Schorrhöhe liegen den Empfehlungen einstimmige Beschlüsse zugrunde. 

Dies vorabgeschickt, ist das Gremium zu folgenden Empfehlungen gekommen, die zum besseren Verständnis jeweils kurz erläutert werden:

 

 

 

 

 

 

  1. Mitbenennung der Straßen Schulenburgring und Sterntwiete

 

Mit Beschluss vom 23.02.2023 zur Drucksache 21-1640 wurde die Mitbenennung des Schulenburgrings nach Tisa von Schulenburg und die Mitbenennung der Sterntwiete nach Clara Stern beim Staatsarchiv beantragt. Die zuständige Referentin für Verkehrsflächenbenennung und historisch-politische Bildung hat zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die dazu jeweils eingereichten Erläuterungstexte zu kurz sind, zu wenig die eigenständigen Leistungen der mit zu benennenden Frauen würdigt und daher eine Überarbeitung der Erläuterungstexte erwartet werde. Infolgedessen sind auch die an den Straßenschildern anzubringenden Zusatzschilder entsprechend zu ändern bzw. zu ergänzen.

 

Das Gremium hat die Erläuterungstexte ihren Hinweisen entsprechend überarbeitet.  Es empfiehlt die als Anlagen 1 und 2 beigefügten Erläuterungstexte zur Mitbenennung beim Staatsarchiv Hamburg einzureichen. Die Texte für die Erläuterungsschilder/Zusatzschilder für die Sterntwiete und den Schulenburgring werden entsprechend überarbeitet.

 

 

  1. Mitbenennung der Straße Harnackring

 

Geprüft werden sollte, ob die bisher nur nach Ernst von Harnack benannte Straße nftig auch nach dem Ehepaar Arvid und Mildred Harnack benannt werden soll. Grundsätzlich gilt, dass eine Straße auch nach einer weiteren Person mit gleichem Familiennamen für ihre eigenen Verdienste gewidmet werden kann. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gremiums erfüllt. Ebenso wie Ernst von Harnack (1888-1945) wurden auch Mildred Harnack (1902-1943) und Arvid Harnack (1902-1942) in Berlin-Plötzensee wegen ihres Widerstandes gegen die Nationalsozialisten hingerichtet. Beide waren führende Mitglieder der sogenannten „Roten Kapelle“.

Das Gremium hat sich darüber hinaus mit der Frage befasst, ob auch Falk Harnack mitbenannt werden sollte. Falk Harnack hatte enge Kontakte zur Widerstandsgruppe Weiße Rose. Wegen dieser Kontakte wurde er verhaftet und am 19. April 1943 mit Mitgliedern der Weißen Rose in München vor den „Volksgerichtshof“ gestellt. Als Einziger wird er wegen „einmalig besonderer Verhältnisse“ freigesprochen. Anschließend als Soldat in Griechenland eingesetzt, desertiert Falk Harnack 1943 und schließt sich der Partisanenbewegung ELAS an und gründet dort das Antifaschistische Komitee „Freies Deutschland“. Nach dem Kriegsende kehrt er nach Deutschland zurück und arbeitete als Regisseur und Drehbuchautor.  Neben vielen weiteren Auszeichnungen wurde ihm 1989 das Bundesverdienstkreuz für sein ehrenamtliches Engagement und sein künstlerisches Lebenswerk verliehen.

 

Das Gremium empfiehlt die Mitbenennung des Harnackring nach dem Ehepaar Mildred und Arvid Harnack und nach Falk Harnack. An den Straßenschildern werden jeweils erläuternde Zusatzschilder zur Mitbenennung angebracht.

 


 

  1. Umbenennung der Schorrhöhe

 

Bereits mit Beschluss vom 27.03.2019 zur Drucksache 20-1979 sollte die Schorrhöhe in Bernhard-Schmidt-Höhe umbenannt werden. Nach Mitteilung des Staatsarchivs Hamburg gibt es in Bergedorf bereits einen Schmidtweg, dessen Erläuterungsschild auf den Astronomen Bernhard Schmidt hinweist. Mit Beschluss vom 19.05.2022 zur Drucksache 21-1373.01 hat die BV darüber beraten und beschlossen: Es soll ein neuer Name für die Schorrhöhe gefunden und im Hauptausschuss vorgestellt werden, insbesondere sollte geprüft werden, ob es eine Astronomin/Astrophysikerin gibt, die unter den Nationalsozialisten gelitten hat. Der Hauptausschuss soll dann über den Vorschlag beraten und entscheiden.

 

Es ist dem Gremium nicht gelungen, eine Namensgeberin zu finden, die die im Antrag zu prüfenden Kriterien erfüllt. Das darf niemanden verwundern. Schließlich wurden in Deutschland Frauen erst Anfang des 20. Jahrhundert zum Studium zugelassen. Dennoch wurde eine Astronomin gefunden, Caroline Lucrezia Herschel (1750 1848), die zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat, darunter 1928 die goldene Medaille der Royal Astronomical Society, zu deren Ehrenmitglied sie 1835 ernannt wurde. Allerdings gibt es nach den Recherchen des Gremiums in Hamburg bereits eine Herschelstraße. Das Gremium hat sich nach intensiver Diskussion mehrheitlich für die Benennung nach Prof. Dr. Arnold Schwaßmann, geb. 25.03.1870 in Hamburg, gestorben 19.01.1964 in Bergedorf entschieden. 1902 holte ihn Prof. Dr. Richard Schorr als Observator an die Hamburger Sternwarte am Millerntor, dort bereitete er den Neuaufbau auf dem Gojenberg in Bergedorf vor und führte den Umzug mit Schorr durch. Schwaßmann gilt als Vertreter der „jungen Astrophysik“. Als Hauptobservator entdeckte er in Bergedorf 22 Asteroide und vier Kometen. Zu seiner weltweiten astronomischen Reputation trug auch die gewaltige Durchmusterung der Spektren von vielen Tausenden von Sternen bei. Daneben war er an der gerade erst gegründeten Hamburger Universität als Professor für Astrophysik tätig und arbeitete nach seiner (zwangsweisen) Pensionierung noch 30 Jahre ehrenamtlich an der Bergedorfer Sternwarte. Der Text für die am Eingang zur Schorrhöhe aufzustellenden Info-Tafel wird derzeit erarbeitet.

 

Das Gremium empfiehlt, die Schorrhöhe nach Prof. Dr. Arnold Schwaßmann, mithin in Schwaßmannhöhe umzubenennen. 

 

 

  1. Umbenennung Elingius-Platz

 

Das Gremium schlägt als neuen Namensgeber Otto Johann Heinrich Möller vor. Die Gründe ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen: Otto Johann Heinrich Möller wurde am 5. April 1888 in Glave, Mecklenburg-Schwerin, geboren. In den 1910er-Jahren kam er nach Hamburg.  Nach seiner Heirat 1912 wohnte er zunächst am Weidenbaumsweg.  1914 wurde er zum Militärdienst eingezogen. Nach seiner Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg begann er als Glasmacher bei der Firma Hein & Dietrichs und wurde Anfang der 1920er-Jahre Mitglied der Siedlungsgenossenschaft Nettelnburg. 1933 war es dann endlich soweit: Die Familie bezog ein Haus in Alt-Nettelnburg. Ab 1930 arbeitete Otto Möller als Maschinenwart bei Blohm & Voss und schloss sich der Widerstandsgruppe „stlein-Jacob-Abshagen“ an, die nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges u. a. Unterstützung für ausländische Zwangsarbeiter organisierte.


 

Wegen dieser Unterstützung 1942 wurde er verhaftet und kam in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt (Holstenclacis 3). Er wurde wegen „Feindbegünstigung“ zu einer Zuchthausstrafe im Zuchthaus Celle verurteilt. Kurz vor Kriegsende wurden die Zuchthausinsassen evakuiert und in das Zuchthaustzow-Dreibergen deportiert. Es besteht Unklarheit über sein genaues Todesdatum: Nach Mitteilung des Komitees ehemaliger politischer Gefangener ist Otto Möller auf dem Transport von Celle nach Bützow-Dreibergen an der Ruhr verstorben. Laut Eidesstattlicher Erklärung eines Mithäftlings soll er als KZ-Häftling im Lager Bützow verstorben sein. Er hinterließ 3 Töchter, die vierte Tochter Käthe Anna Möller, geboren am 26.01.1919, verstarb am 31. Mai 1941, 1:30 Uhr in Rickling Haus Falkenhorst. Sie litt an den Folgen einer Infektionskrankheit, vermutlich einer Gehirnhautentzündung. Die konkreten Umstände ihres Todes sind nicht bekannt. Es wird vermutet, dass sie mittels einer Injektion zu Tode kam. Eine seiner Töchter lebt noch heute in dem alten Siedlerhaus in Alt-Nettelnburg.

 

Es ergibt sich mit dieser Namensgebung die Gelegenheit, einen Menschen zu ehren, der für sein zutiefst menschliches Handeln in Haft und letztlich zu Tode kam. Er hat getan, was jeder anständige Mensch zu jener Zeit hätte tun sollen. Als einer der ersten Mitglieder der Anfang der 1920er-Jahre gegründeten Siedlungsgenossenschaft Nettelnburg ergibt sich ein enger örtlicher Bezug. Er war ein typischer Vertreter der Siedlungsgemeinschaft zu jener Zeit. Sie galt als rote Siedlung und leistete schon sehr früh Widerstand gegen den Nationalsozialismus. So erreichte die NSDAP bei den Wahlen 1933 nur 16%. Der Elingius-Platz liegt am Rande dieser Siedlung.

Das Gremium hat darüber hinaus einen Entwurf für einen Infobrief verfasst, der dem Bericht als Anlage 3 beigefügt ist.

 

Das Gremium empfiehlt, den Elingius-Platz nach Otto Johann Heinrich Möller zu benennen. Außerdem soll eine Informationstafel am Elingius-Platz aufgestellt werden, die auf die Umbenennung und ihre Gründe hinweist. Das Gremium empfiehlt, die Anwohnerinnen und Anwohner rechtzeitig über die Umbenennung zu informieren.

 

 

  1. Kontextualisierung Kurt-A.-Körber-Chaussee

 

Die Bezirksversammlung hat sich in ihrer Sitzung am 20.07.2017 gegen eine Umbenennung der Kurt-A.-Körber-Chaussee ausgesprochen. Stattdessen sollen Erklärungsschilder, die auch einen QR-Code aufführen, über den weitere Informationen über Körber abgerufen werden können, an den jeweiligen Straßenschildern angebracht werden.

 

Wie eingangs ausgeführt, wurde zwischenzeitlich das Gremium damit beauftragt, einen Text zur Kontextualisierung der Kurt-A.-Körber-Chaussee für die aufzustellenden Info-Tafeln zu entwerfen. Dieser Aufgabe ist das Gremium mit anliegendem Text nachgekommen. Das Amt hat bereits zwei Orte, an denen die Tafeln aufgestellt werden können, identifiziert.

 

Das Gremium empfiehlt, den als Anlage 4 beigefügten Text für die aufzustellenden Informationstafeln zu verwenden.


 

  1. Kontextualisierung des Klophausrings

 

Der Abschlussbericht der Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg empfiehlt die Kontextualisierung des Klophausrings. Das Gremium hat sich mit der Person Rudolf Klophaus (1885-1957), ein Architekt, der in großem Umfang Aufträge von den Nationalsozialisten erhalten hat, befasst. Er wirkte seit 1920 vorwiegend in Hamburg.

 

Das Gremium schließt sich der Auffassung der Kommission an und empfiehlt die Kontextualisierung des Klophausrings.

 

 

  1. Liste für neu zu benennende Straßen

 

Dem Gremium liegen bereits weitere mögliche Namen für neu zu benennende Straßen vor. Das Gremium spricht sich dafür aus, eine Liste zu erstellen, in der weitere mögliche Namen zusammengetragen werden, die dann später für neu entstehende Straßen verwendet werden sollen. Bei der Benennung neu entstehender Straßen sollen insbesondere Frauen Berücksichtigung finden. Denkbar wäre, einen neu entstehenden Stadtteil oder ein Gebiet darin nach Wissenschaftlerinnen zu benennen.

 

Das Gremium empfiehlt, eine Liste möglicher Namensgeberinnen und Namensgeber zu erstellen, die jeweils die Gründe für die mögliche Benennung enthält.

 

 

Petitum/Beschluss

 

Der Hauptausschuss schließt sich den Empfehlungen der Arbeitsgruppe für Straßenumbenennung an.

 

 

Bera­tungs­reihen­folge
Datum/Gremium
TOP
Anhänge

-          Informationsbrief an die Anwohnenden Elingiusplatz

-          Erläuterungstext Mitbenennung Clara Joseephy Stern

-          Erläuterungstext Mitbenennung Tisa

-          Vorschlag Körber Tafel

   

Lokalisation Beta

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