Schwerverletzte und Tote im Straßenverkehr Vision ZERO Hamburg Auskunftsersuchen von Gesche Beohlich, Lars Boettger, Stephanie Faust-Weik-Roßnagel, Benjamin Harders, Rolf Stünitz und Dana Vornhagen (alle Fraktion GRÜNE)
Im Jahr 2007 hat sich Hamburg als Mitglied des Deutschen Verkehrssicherheitsrats zur Vision Zero als Grundlage der Verkehrssicherheitsarbeit verpflichtet. Keine Toten und keine Schwerverletzten sind das Ziel der Vision Zero. Diese ethische Sichtweise steht im Einklang mit den Wertevorstellungen unserer Gesellschaft. Um das Ziel zu erreichen muss das Menschenmögliche getan werden. Für die Verkehrssicherheitsarbeit ist die Erkenntnis entscheidend, dass sich Menschen oft nicht fehlerfrei verhalten. Daher muss ihr Umfeld – Fahrzeuge und Infrastruktur – so gestaltet werden, dass schwere Crashs verhindert werden.
Die Bundesregierung hatte für den Zeitraum 2011 – 2020 das Ziel ausgegeben, dass die Zahl der Getöteten um 40 % sinken sollte. Für den Zeitraum 2021 bis 2030 wurde das Ziel jüngst als „gemeinsame Strategie für die Verkehrssicherheitsarbeit – Pakt für Verkehrssicherheit“ erneuert. Die EU-Kommission möchte die Zahl der Verkehrstoten bis 2050 auf null senken.
Während sich die Zahl der Verkehrstoten in Hamburg über zehn Jahre – abgesehen von 2014 – stetig reduziert hat und das 40 Prozent-Ziel bei einer Ermittlung des Mittelwerts über 10 Jahre nahezu erreicht wurde, ist die Zahl der Schwerverletzten deutlich geringer zurück gegangen.
Jahr |
2011 |
2012 |
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
2020 |
ø |
Schwer-verletzte |
853 |
787 |
806 |
812 |
880 |
830 |
850 |
856 |
777 |
720 |
817 |
Tote |
34 |
33 |
26 |
38 |
20 |
29 |
28 |
29 |
28 |
15 |
28 |
Im Jahr 2021 ist Geschwindigkeit Schwerpunkt der Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei, weil Geschwindigkeit die Hauptunfallursache Nr. 1 sei, so die Stabsleitung der Verkehrsdirektion.
Die 1997 in Schweden beschlossene „Nullvision“ berücksichtigt die begrenzte „biologische Toleranz des Menschen gegenüber äußerer Gewalt. [...] Die meisten Menschen, die von einem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h angefahren werden, überleben. Die meisten Menschen, die von einem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h angefahren werden, sterben.“ (Vgl. Vagverket/Schwedisches Zentralamt für Straßenwesen: Die Nullvision in Schweden https://www.dvr.de/fileadmin/downloads/vision-zero/vision-zero-vaegverket.pdf)
Jeder schwere Crash wird in Hamburg individuell erfasst und ausgewertet. Es wird selten kommuniziert, mit welchen Veränderungen der Infrastruktur oder mit welchen straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen auf schwere Crashs in Hamburg im Einzelfall konkret reagiert wird.
Die zuständige oberste Straßenverkehrsbehörde Behörde für Inneres und Sport, Amt A3, kann gemäß § 46 Absatz 2 StVO für bestimmte Stellen von allen Vorschriften der StVO Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller*innen genehmigen. Zudem kann die Behörde für Inneres und Sport, Amt A3, gemäß Randnummer 149 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VWV-StVO) Abweichungen von allen Bestimmungen dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zulassen. Damit hat Hamburg die Möglichkeit mit Hilfe eigener Richtlinien wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit umzusetzen, die gemäß StVO und VWV-StVO sonst nicht umsetzbar wären.
Vor diesem Hintergrund ersuchen wir die Behörde für Inneres und Sport um Auskunft:
Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) beantwortet die Fragen wie folgt:
Gem. § 27 Abs. 1 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) sind solche Angelegenheiten zu beantworten, die für den Bezirk von Bedeutung sind. Dies setzt insbesondere voraus, dass die Angelegenheit gerade die Einwohner des jeweiligen Bezirks betrifft. Es muss ein ausdrücklicher Bezug zu dem jeweiligen Bezirk bestehen. Eine allgemeinpolitische Bedeutung genügt nicht. Im Übrigen sieht § 27 BezVG keine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen vor; es müssen lediglich unter den genannten Voraussetzungen Fragen beantwortet werden.
Vor diesem Hintergrund wird dem Auskunftsersuchen der Ziffern 3 bis 8 nicht entsprochen. Die Auskunftsersuchen zu Ziffer 3, 4, 7 und 8 lassen keinen ausdrücklichen Bezug zum Bezirk Altona erkennen. Vielmehr handelt es sich jeweils um Angelegenheiten die keinen direkten Bezug zu einem bestimmten Bezirk aufweisen, sondern von allgemeinem Interesse sein mögen.
Die Ziffern 5 und 6 des Auskunftsersuchens zielen auf die Vorlage von Unterlagen ab; es werden keine inhaltlichen Fragen gestellt. Eine Vorlagepflicht besteht nicht.
Dies vorausgeschickt, beantwortet die BIS die Fragen wie folgt:
Frage 1:
Die Örtlichkeiten und Umstände von Verkehrsunfällen mit getöteten Personen werden durch die Verkehrsdirektion der Polizei Hamburg tagesaktuell analysiert. Sind anlassbezogene Maßnahmen an oder nahe der Unfallstellen geboten, werden diese grundsätzlich unverzüglich initiiert. Liegen keine strukturellen Defizite vor und wird ausschließlich individuelles Fehlverhalten beim Verursacher als Ursache festgestellt, erfolgen nur in Ausnahmefällen anlassbezogene Maßnahmen.
Neben baulichen Maßnahmen kommen auch polizeiliche Präventionsaktionen und einsatztaktische Maßnahmen in Betracht. Statistisch erfasst und standardisiert dokumentiert werden die letztgenannten nicht, eine Auflistung dieser Maßnahmen im Sinne der Anfrage ist nicht möglich. Durchgeführte Umbaumaßnahmen oder entsprechende Anordnungen sind aufgeführt, sofern entsprechende Unterlagen vorliegen; auf die begrenzten Aufbewahrungsfristen wird hingewiesen.
Anlassunabhängige Straßenbaumaßnahmen, die sich auch auf die Verkehrssicherheitslage vor Ort auswirken können, werden nicht aufgeführt. Eine Überprüfung der Verkehrsunfalllage vor Durchführung strukturverändernder Maßnahmen ist grundsätzlich Bestandteil vorheriger Planungen.
Die 31 registrierten Verkehrsunfälle im Sinne der Fragestellung sind als Anlage 1 getrennt nach den Zuständigkeitsbereichen der Polizeikommissariate aufgeführt, die Unfallhergänge sind gesondert als Anlage 2 beigefügt.
Frage 2
Die Örtlichkeiten und Umstände von Verkehrsunfällen, insbesondere der mit schwerverletzten Personen, werden durch die Verkehrsdirektion der Polizei Hamburg analysiert. Darüber hinaus erfolgt eine jährliche Überprüfung und Erhebung von Unfallhäufungsstellen nach den Richtlinien des „Merkblatts zur örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen“ (M-Uko); Näheres dazu siehe Bürgerschaftsdrucksache Drs. 20/5300. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 1.
Die 81 registrierten Verkehrsunfälle im Sinne der Fragestellung sind als Anlage 3 getrennt nach den Zuständigkeitsbereichen der Polizeikommissariate aufgeführt, die Unfallhergänge sind gesondert als Anlage 4 beigefügt.
:
Die Bezirksversammlung wird um Kenntnisnahme gebeten.
Anlage 1: Tabellarische Darstellung im Sinne der Frage 1
Anlage 2: Unfallhergänge im Sinne der Frage 1
Anlage 3: Tabellarische Darstellung im Sinne der Frage 2
Anlage 4: Unfallhergänge im Sinne der Frage 2