21-3961

S-Pedelecs und E-Bikes – Ein Verkehrsversuch für neue Führungsformen Mitteilungsdrucksache zum Beschluss der Bezirksversammlung vom 23.02.2023

Mitteilungsdrucksache öffentlich

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27.04.2023
17.04.2023
Sachverhalt

Die Bezirksversammlung Altona hat in ihrer Sitzung vom 23.02.2023 anliegende Drucksache 21-3827B beschlossen.

 

Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) hat hierzu mit Schreiben vom 03.04.2023 wie folgt Stellung genommen:

 

Zu 1:

Ein Verkehrsversuch im Sinne des § 45 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 StVO ist rechtlich nicht zulässig. Eine probeweise Freigabe von überbreiten Radfahrsteifen oder Bussonderfahrstreifen für S-Pedelecs und E-Bikes im Sinne der StVO kommt damit nicht in Betracht. Im Einzelnen:

 

Anderer Verkehr als der Radverkehr darf Radwege grundsätzlich nicht nutzen (vgl. Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 StVO, Zeichen 237, lfd. Nr. 16, Spalte 3). Bei den genannten S-Pedelecs mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h handelt es sich jedoch nicht um Fahrräder. Dies ergibt sich unter anderem aus § 63a Absatz 2 Satz 1 StVZO. Danach gilt als Fahrrad auch ein Fahrzeug im Sinne des Absatzes 1, das mit einer elektrischen Trethilfe ausgerüstet ist, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer größten Nenndauerleistung von 0,25 kW ausgestattet ist, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder wenn der Fahrer mit dem Treten oder Kurbeln einhält, unterbrochen wird. Dies ist bei S-Pedelecs nicht der Fall. Hierbei handelt es sich damit vielmehr um Kraftfahrzeuge im Sinne der StVO (vgl. §§ 1 Absatz 2 und 1 Absatz 3 Satz 1 StVG).

 

Auch E-Bikes mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h stellen keine Fahrräder im Sinne der StVO dar. E-Bikes im Sinne von §§ 2 Absatz 4 Satz 6, 39 Absatz 7 StVO sind einsitzige zweirädrige Kleinkrafträder mit elektrischem Antrieb, die sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h fahren lassen, auch ohne dass der Fahrer gleichzeitig in die Pedale tritt (vgl. BR-Drs. 332/16, S. 9).

 

Damit gilt für S-Pedelecs und E-Bikes gemäß § 2 Absatz 1 StVO eine Fahrbahnbenutzungspflicht. Die Vorschriften für Fahrräder gelten für diese Kleinkrafträder hingegen nicht (vgl. § 1 Absatz 3 Satz 3 StVG).

 

Von dem Verbot, dass anderer Verkehr als der Radverkehr Radwege grundsätzlich nicht nutzen darf, gelten gemäß § 2 Absatz 4 Satz 6 StVO Ausnahmen außerhalb geschlossener Ortschaften. Dort ist eine Benutzung von Radwegen mit Mofas und E-Bikes zulässig. Der Bundesgesetzgeber hat ausdrücklich lediglich eine Ausnahme für Gebiete außerhalb geschlossener Ortschaften geschaffen, nicht hingegen innerhalb geschlossener Ortschaften. Diese Ausnahme dient der Trennung des schnellen Kfz-Verkehrs von E-Bikes wegen zu hoher Differenzgeschwindigkeiten außerorts und unterstützt damit die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs insgesamt (vgl. BR-Drs. 332/16, S. 10). Solche hohen Differenzgeschwindigkeiten finden sich in der Regel innerorts gerade nicht. Zwischen E-Bikes – und auch S-Pedelecs – und dem Radverkehr sind vielmehr innerorts hohe Differenzgeschwindigkeiten möglich, was die Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs auf Radfahrstreifen gefährden würde. Die Trennung von E-Bikes und S-Pedelecs und des Radverkehrs innerorts dient der Verkehrsentmischung und Unfallverhütung.

 

Es widerspräche also dem Willen des Gesetzgebers, E-Bikes innerorts auf Radfahrstreifen zuzulassen. Der Landesgesetzgeber darf hier keine anderweitige Regelung treffen, denn das Straßenverkehrsrecht ist Bundesrecht. Nach Artikel 74 Absatz 1 Nr. 22 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen. Dagegen steht den Ländern das originäre Recht zu, das Straßen- und Wegerecht zu ordnen (BVerfG NJW 76 559). Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind landesrechtliche Regelungen ausgeschlossen, wenn die bundesrechtlichen Vorschriften erschöpfend sind und die Rechtsmaterie damit abschließend geregelt ist (Artikel 72 Absatz 1 GG); die Befugnis zur Abweichungsgesetzgebung umfasst das Straßenverkehrsrecht nicht (Artikel 72 Absatz 3 GG). Verkehrsversuche nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 zweiter Halbsatz StVO sind ausschließlich im Rahmen des geltenden Rechts, das heißt, nur mit den Mitteln der Straßenverkehrs-Ordnung möglich (vgl. BR-Drs. 591/19, S. 86). Eine weitergehende Öffnung des Straßenverkehrsrechts für zeitlich und örtlich begrenzte Verkehrsversuche bedarf einer Änderung auf Gesetzesebene.

 

Hinzu kommt, dass es für S-Pedelecs weder ein Verkehrszeichen noch ein Zusatzzeichen im Sinne der StVO gibt. In der StVO steht damit kein Zusatzzeichen zur Verfügung, mit dem der Verkehr für S-Pedelecs auf Radfahrstreifen oder Bussonderfahrstreifen freigegeben werden könnte. Es dürfen nur die in der StVO abgebildeten Verkehrszeichen verwendet werden oder solche, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden durch Verlautbarung im Verkehrsblatt zulässt (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, III. Rn. 7).

 

S-Pedelecs und E-Bikes dürfen Bussonderfahrstreifen nicht benutzen. Dies ergibt sich aus der abschließenden Aufzählung in der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, zu Zeichen 245, lfd. Nr. 25 Spalte 3.

 

Zu 2:

Entfällt. Dies liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Behörde für Inneres und Sport.

 

 

Zu 3:

Entfällt, da ein Verkehrsversuch im Sinne des § 45 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 StVO aus den oben genannten Gründen unzulässig ist.

 

Petitum/Beschluss

:

Die Bezirksversammlung wird um Kenntnisnahme gebeten.

 

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