Bauliche Mindeststandards in öffentlicher Unterbringung von Kindern und Jugendlichen jetzt verbindlich machen! Mitteilungsdrucksache zum Beschluss der Bezirksversammlung vom 27.03.2025
Die Bezirksversammlung Altona hat in ihrer Sitzung vom 27.03.2025 anliegende Drucksache 22-0732.1B beschlossen.
Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) hat mit Schreiben vom 07.05.2025 wie folgt Stellung genommen:
Die Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden stellt aufgrund der in den letzten Jahren sehr hohen Zugangszahlen und der damit verbundenen fortwährend hohen Auslastung des Gesamtsystems (Stand 22. April 2025: 95,1 %) sowie nicht hinreichend geeigneter Immobilienpotenziale weiterhin eine erhebliche Herausforderung dar. Die Sozialbehörde und Fördern & Wohnen AöR (F&W) bemühen sich dennoch, für jede Person eine möglichst bedarfsgerechte Lösung zu finden. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung dient vorrangig der Vermeidung von Obdachlosigkeit und ist als Notmaßnahme zu verstehen. Ziel bleibt die schnellstmögliche Vermittlung in eigenen Wohnraum, um das System zu entlasten und die Situation für die Betroffenen nachhaltig zu verbessern.
Not- und Interimsstandorte
Kurzfristig herzurichtende und langfristig nutzbare geeignete Immobilien sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden, um ausschließlich reguläre Wohnunterkünfte oder Unterkünfte auf Basis des Projekts In Zukunft Wohnen (IZW) umzusetzen. Um die Unterbringung überhaupt sicherzustellen und Obdachlosigkeit zu vermeiden, ist die Unterbringung in Unterkünften mit niedrigeren baulichen Standards – notgedrungen auch mit längeren Verweildauern – daher weiterhin eine unvermeidbare Maßnahme. In vielen Fällen wird aufgrund der höchst angespannten Situation auch noch immer auf Grundlage des Gesetzes zur Sicherheit und Ordnung gehandelt, um die notwendigen Plätze schnellstmöglich in Betrieb nehmen zu können. Aus diesem Grund müssen auch Hallen sowie Zelte zur Unterbringung genutzt werden.
Trotz der angespannten Unterbringungssituation gelten auch für Interims- und Notstandorte bestimmte Anforderungen. Im Rahmen einer Eignungsprüfung müssen Mindestkriterien erfüllt sein, damit ein Standort überhaupt in Betracht gezogen wird. Bei Bestandsimmobilien gehört dazu beispielsweise die Verfügbarkeit geeigneter Räumlichkeiten für soziale Angebote. Zum Prüfverfahren siehe im Übrigen Drs. 22/15335.
Abgesehen von diesen ohnehin zu berücksichtigenden Eignungskriterien für einen Standort ist die Festlegung weitergehender allgemeingültiger baulicher Mindeststandards im Hinblick auf Not- und Interimsstandorte nicht möglich. Die Gestaltung der Unterbringungsbedingungen muss in Abhängigkeit der jeweiligen konkreten baulichen Gegebenheiten, der Belegungsplanung und gegebenenfalls daraus folgender Schutzbedarfe sowie weiterer standortspezifischer Faktoren erfolgen. Ziel ist dabei stets eine möglichst angemessene und bedarfsgerechte Unterbringung im Rahmen der jeweils bestehenden Möglichkeiten.
Wird ein Standort als geeignet bewertet, erfolgt seine Herrichtung unter Berücksichtigung von Größe, Zuschnitt, voraussichtlicher Nutzungsdauer sowie der geltenden rechtlichen Vorgaben. Bei Hallenstandorten – wie dem Notstandort Tasköprüstraße – gehört etwa die Einrichtung von Kompartiments zur Abtrennung von Bereichen für die Bewohnerinnen und Bewohnern zum Standard, um ein Mindestmaß an Privatsphäre zu schaffen. Je nach Standortbedingungen und Schutzbedarfen werdendarüber hinaus bauliche und betriebliche Maßnahmen für besonders schutzbedürftige Personen umgesetzt. Am Standort Tasköprüstraße umfasst dies zum Beispiel die grundsätzlich getrennte Unterbringung von Frauen und Männern sowie die Präsenz eines Sicherheits- und Ordnungsdienstes, der gezielt auf Schutzbedarfe achtet, siehe hierzu auch Drs. 22-0796 sowie Drs. 22/17702.
Soweit eine langfristige Nutzungsperspektive besteht, die baulichen Voraussetzungen gegeben sind und der rechtliche Rahmen dies zulässt, werden Interims- und Notstandorte auch mittel- bis langfristig zu regulären Wohnunterkünften weiterentwickelt. Dies betrifft beispielsweise die Notstandorte Veermoor und Vorhornweg, in denen – nach Umbau der ehemaligen Schulgebäude sowie am Standort Vornweg auch ergänzender Aufstellung von Containermodulgebäuden – teilweise abgeschlossene Wohnbereiche sowie Küchen zur Selbstversorgung geschaffen werden, siehe hierzu Drs. 21-4464 (Vorhornweg). Der Standort Vorhornweg ist hierbei zum Teil bereits wieder in Betrieb.
Ist eine solche Weiterentwicklung nicht möglich, erfolgen – auch im Hinblick auf die teils langen Verweildauern – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten standortbezogen bauliche und betriebliche Anpassungen mit dem Ziel einer Verbesserung der Unterbringungsstandards.
Die Unterbringung an Notstandorten ist im Übrigen grundsätzlich zeitlich begrenzt, siehe hierzu auch Drs. 22/15335. Im Anschluss erfolgt – abhängig vom individuellen Anspruch – eine Verlegung innerhalb des Erstaufnahme- bzw. öffentlich-rechtlichen Unterbringungs-Systems oder idealerweise der Umzug in privaten Wohnraum. Die Be- und Verlegungsplanung übernimmt F&W generell mit besonderer Sorgfalt. Dabei wird im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten und unter Berücksichtigung der Systemauslastung geprüft, wer an welche Standorte verlegt wird. Besondere Dringlichkeitsgründe – etwa bei vulnerablen Personengruppen oder bei Menschen mit besonderem Schutzbedarf – finden bei der Be- und Verlegungsplanung vorrangig Berück-sichtigung, siehe Drs. 22/16737.
Langfristig ist vorgesehen, Not- und Interimsstandorte sukzessive und schließlich möglichst vollständig abzulösen. Derzeit ist dies jedoch aufgrund der geschilderten Situation keine Option in absehbarer Zeit. Bei einzelnen Standorten sind aktuell Verbesserungen vorgenommen worden (Schnackenburgallee, Veermoor).
Reguläre öffentlich-rechtliche Unterbringungs-Standorte
Im Nachgang der hohen Zugangszahlen der Jahre 2015 und 2016 wurden Vorgaben für allgemeine bauliche und infrastrukturelle Standards für neu zu schaffende, reguläre Standorte der öffentlich-rechtlichen Unterbringung zwischen Sozialbehörde und F&W erarbeitet. Aufgrund der beschriebenen Krisensituation seit Beginn des Ukraine-Krieges wurde die Fertigstellung zunächst angehalten. Die Fortführung des Prozesses wurde im April 2025 wieder aufgenommen. Derzeit erfolgt eine Überprüfung und Aktualisierung des bereits erarbeiteten Entwurfs, insbesondere in Bezug auf die Erfahrungen des erneuten Kapazitätsaufbaus der letzten Jahre. Bauliche Fortentwicklungen, wie die flächendeckende Einführung einer Internetversorgung in öffentlich-rechtlicher Unterbringung, werden ebenfalls aufgenommen. Ein Termin zur Verab-schiedung bzw. Veröffentlichung kann derzeit noch nicht genannt werden. Die Vorgaben befassen sich weiterhin mit neu zu schaffenden regulären Standorten. Die Notwendigkeit der Entwicklung von Not- und Interimsstandorte bleibt davon unberührt. Die Bemühungen zu deren Weiterentwicklung werden wie beschrieben parallel verfolgt. Erstaufnahmen sind hiervon nicht umfasst, die Zuständigkeit zu deren Errichtung liegt bei der Behörde für Inneres und Sport (BIS). Die Prioritäten der BIS umfassen derzeit die Unterbringung und Versorgung der geflüchteten Personen, inkl. der Überresidenten.
Dem Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in öffentlich-rechtlicher Folgeunterbringung kommt bei der Erarbeitung der Standards im Besonderen selbstredend eine wichtige Bedeutung zu. Trotz anhaltender Krisensituation wurde der Schutz der untergebrachten Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen vorangebracht. So wurde beispielsweise das Kinderschutzkonzept von F&W erarbeitet und Ende 2024 fertiggestellt.
Inhalt sind unter anderem auch bauliche Rahmenbedingungen, die an Standorten an denen Kinder untergebracht sind, umgesetzt werden. Die Umsetzung des Konzeptes und der darin beschriebenen Maßnahmen erfolgt schrittweise in einem längerfristigen Prozess unter der Maßgabe der Behebung des grundsätzlichen Kapazitätsmangels sowie dem Abbau der überresidenten Personen in den Erstaufnahmen. Am Beispiel der Etablierung der kinderfreundlichen Räume kann die sukzessive Umsetzung gut erläutert werden. Ziel ist es, dass jede Unterkunft der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, in der Minderjährige untergebracht sind, einen kinderfreundlichen Raum erhält. Für die Umsetzung ist die Bereitstellung der räumlichen, finanziellen und personellen (pädagogische Fachkraft) Voraussetzungen nötig. Dies erfolgt stufenweise. Neben der Absicherung der bestehenden kinderfreundlichen Räume sowie dem ersten Ausbauschritt im Jahr 2024, können im Jahr 2025 insgesamt sieben neue Räume (jeweils einer pro Bezirk) geschaffen werden. Neben den bestehenden kinderfreundlichen Räumen an den Standorten Albert-Einstein-Ring, August-Kirch-Straße sowie Sieversstücken finden derzeit Gespräche zwischen Sozialbehörde, Bezirk und F&W zur Errichtung eines weiteren kinderfreundlichen Raumes in Altona statt. Maßnahmen aus dem Kinderschutzkonzept, die – wie die Einrichtung von kinderfreundlichen Räumen – auch bauliche und strukturelle Auswirkungen haben, werden bei der Erarbeitung der allgemeinen baulichen Standards berücksichtigt. Grundsätzlich gilt das Kinderschutzkonzept neben der regulären öffentlich-rechtlichen Unterbringungauch an Interimsstandorten. Aufgrund der besonderen baulichen, personellen und zeitlichen Gegebenheiten an Interimsstandorten wird die Umsetzung entsprechend den Möglichkeiten angepasst. Bei fremdbetriebenen Standorten bzw. Hotels kann das Konzept nur in geringem Umfang umgesetzt werden (aufgrund von bestehenden Verträgen, Hotelpersonal etc.). F&W wird u.a. Gespräche mit den Betreibern zum Thema Kinderschutz führen.
Weiter hat die zuständige Behörde das befristete Konzept der Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen (UPW) als „In Zukunft Wohnen“(IZW) erstmals an der Wichmannstraße weiterentwickelt. Dabei wird der hohe bauliche Standard des geförderten Wohnraums bereits im Bau für die Nutzung als öffentlich-rechtliche Unterbringung hergestellt, um perspektivisch als geförderter Wohnraum vermietet zu werden. Mit dem Fokus auf die Zugangsentwicklung wurden im IZW-Konzept unter anderem die Laufzeiten der jeweiligen Nutzungsphase flexibilisiert und können entsprechend gewählt werden. Anschließend an die öffentlich-rechtlichen Unterbringung-Nutzungsphase werden die Wohnungen in der Wichmanstraße an sowohl dort bereits untergebrachten Haushalten und weiteren Zielgruppen des geförderten Wohnraums vermietet und bieten damit ein Angebot auch für nicht untergebrachte Haushalte.
Mit dem Fokus auf die langfristige Nutzung kann der bessere Standard wie an der Wichmannstraße gefördert umgesetzt werden und bietet für die untergebrachten als auch einziehenden Personen ein Ankommen im Sozialraum. Dies insbesondere im Vergleich zu den kurzfristig genutzten Standorten wie den Notstandorten, welche die Kriterien der regulären öffentlich-rechtlichen Unterbringung-Standards nicht erfüllen. Ziel ist es daher, diese zu ersetzen und durch langfristige, höherwertige Standorte in abgeschlossenem Wohnraum zu ersetzen.
Darüber hinaus hat die Sozialbehörde auf Bundesebene im letzten Jahr an Gesprächen zur Erarbeitung von Bundesempfehlungen für die Unterbringung wohnungsloser Menschen mitgewirkt. Diese befinden sich in der Endredaktion, konnten unter der vorherigen Regierung jedoch nicht fertiggestellt werden. Weitere Termine auf Bundesebene sind im zweiten Quartal 2025 angesetzt. Wie der Abschluss des Prozesses durch die neue Regierung ausgestaltet wird, ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
Die Bezirksversammlung wird um Kenntnisnahme gebeten.
Die Erkennung von Orten anhand des Textes der Drucksache kann ungenau sein. Es ist daher möglich, das Orte gar nicht oder falsch erkannt werden.