21-5487.1

Wie wird der Beratungsauftrag des Pflegestützpunktes für Kinder und Jugendliche erfüllt? Auskunftsersuchen vom 20.06.2022

Antwort zu Anfragen

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19.09.2022
08.09.2022
Sachverhalt

 

Wandsbek verfügt über keinen eigenen Pflegestützpunkt für Kinder und Jugendliche, dieser liegt, zuständig für ganz Hamburg, im Bezirk Nord. Laut des statistischen Amts für Hamburg und Schleswig Holstein beziehen in der Hansestadt mehr als 4500 Kinder und Jugendliche Leistungen aufgrund von Pflegebedürftigkeit, nahezu 100 Prozent werden von Angehörigen zu Hause gepflegt (Stand 2019).

Die Linksfraktion Wandsbek begrüßt den Beschluss der Bezirksversammlung vom 5. Mai 2022 ein*e Referent*in des bezirksübergreifenden Pflegestützpunktes mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche sowie eine*n Referent*in eines Betroffenennetzwerkes (z.B. allipa) in den Ausschuss für Soziales einzuladen, um von ihrer Arbeit zu berichten (s. Drs. 21-5199). Ziel dieser Anfrage ist es, weitere Informationen über die Arbeit des oben genannten Pflegestützpunktes sowie über  Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien mit pflegebedürftigen Kindern zu erfahren, um möglichst viel aus dem Gespräch mit den Referent*innen ziehen zu können.

 

Daher fragen wir die Verwaltung:

Das Bezirksamt Hamburg-Nord beantwortet das Auskunftsersuchen wie folgt:         03.08.2022

 

  1. Wie wird das Beratungsangebot des Pflegestützpunktes Nord mit Schwerpunkt pflegende Eltern angenommen? Welche Bedarfe bestehen aktuell?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Der Pflegestützpunkt für Kinder und Jugendliche mit Sitz in Hamburg Nord arbeitet für ganz Hamburg und ist der einzige spezialisierte Pflegestützpunkt für Kinder und Jugendliche in ganz Deutschland. Das Land Berlin hat für Kinder einen Kinderbeauftragten in seinen Pflegestützpunkten, ansonsten ist eine spezielle Anlaufstelle für Familien mit Kindern kaum bekannt. Das führt dazu, dass gelegentlich Eltern oder Institutionen aus anderen Bundesländern bei uns beraten werden möchten, weil sie vor Ort kein spezifisches Angebot finden.

 

Die Beratung wird sehr gut angenommen. Es gibt eine Vernetzung mit allen anderen Beratungsstellen wie z. B. den ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB), den Frühförderstellen, den Kitas, den Jugendpsychiatrischen Diensten etc.

 

Der Pflegestützpunkt für Kinder und Jugendliche ist angebunden an das Beratungszentrum ‚sehen hören bewegen sprechen (shbs). Dies ist die Dienststelle der Landesärztinnen für körperbehinderte, seh-oder hörbehinderte und sprachbehinderte Menschen aller Altersstufen zur Beratung und Begutachtung von Eingliederungshilfeleistungen nach dem BTHG, aber auch Leistungen nach SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz und anderen einschlägigen Sozialgesetzen. 

 

Auch diese Dienststelle ist für ganz Hamburg tätig und gut vernetzt mit allen Akteuren der Eingliederungshilfe und den Hamburger Behörden. Bei Kindern und Jugendlichen gibt es häufig Bedarfe sowohl in der Eingliederungshilfe als auch in der Hilfe zur Pflege.

 

Der Pflegestützpunkt weist bei Bedarf auf die Angebote der Eingliederungshilfe hin und stellt, wenn notwendig den Kontakt her. Auch Krankenversicherungen verweisen auf den Pflegestützpunkt für Kinder und Jugendliche.

 

 

a)      Wie viele Anfragen/Beratungen haben sie pro Jahr? Wie viele Beratungen gab jeweils in 2018, in 2019, in 2020, in 2021 und im 1. Quartal 2022?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Die Anzahl der Beratungen liegt über die Jahre konstant bei ca. 400 Beratungen im Jahr, im 1. Quartal 2022 sind es 93 gewesen.

 

 

b)      Ist das Aufkommen seit Corona höher?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Dies ist zurzeit nicht erkennbar.

 

 

c)      Wie wurde die fehlende Aufsuchbarkeit der Dienststelle im Lockdown aufgefangen?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Eine Aufsuchbarkeit war grundsätzlich immer gegeben für Fälle, die ohne persönlichen Kontakt nicht zu lösen gewesen wären. Allerdings ist es fast immer ohne weiteres möglich gewesen, die Fragen am Telefon zu beantworten. Die telefonische Beratung wurde von den Anfragenden unter Corona-Bedingungen uneingeschränkt als positiv bewertet.

 

 

d)      Gibt es auch digitale Beratungsmöglichkeitn, bspw. Videokonferenzen?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Die Nutzung von Fax und E-Mail ist durchgehend gegeben. Videokonferenzen waren nicht erforderlich.

 

 

 

 

 

e)      Wie kommunizieren Sie mit gehörlosen Menschen oder Menschen, die über keine bis geringen Deutschkenntnisse verfügen? 

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

r beide Personenkreise kann ein Dolmetscher bestellt werden. Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch sind ebenfalls vorhanden. Die Kunden und Kundinnen haben im allg. bereits eine Person zum Übersetzen, da das Problem der Sprachbarriere im Alltag in allen Bereichen des Lebens besteht.

 

 

f)        Gibt es mehrsprachige Broschüren? Wenn ja, welche Broschüren in welcher Sprache?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Ein ausführlicher kostenfreier Ratgeber zu Pflegefragen ist auf Englisch, Türkisch und Russisch vorrätig.

 

 

g)      Gibt es Infomaterial in Leichter Sprache oder Einfacher Sprache? Liegen diese analog und/oder digital vor?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Infomaterial in Leichter Sprache wurde bisher nicht nachgefragt.

 

 

h)      Ist die Website des Pflegestützpunktes barrierearm?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Die Website im vorgeschriebenen Hamburg- Design ist insofern barrierearm, als dass man sich den Text vorlesen lassen kann, Leichte Sprache und Videos in Gebärdensprache stehen noch nicht zur Verfügung.

 

 

i)        An welche Beratungsstelle wird man verwiesen, wenn die Dienststelle geschlossen ist - Stichwort: Akutunterbringung?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Eine Akutunterbringung von Kindern und Jugendlichen aufgrund der Behinderung kam bisher seit Gründung des Pflegestützpunktes 2009 nicht vor. Bei Kindeswohlgefährdung erfolgt eine Unterbringung über das Jugendamt.

 

 

j)        Wie viele Mitarbeiter*innen gibt es, bitte auch in Vollzeitäquivalenten darstellen? Sind Stellen unbesetzt? Wenn ja, warum?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Die personelle Ausstattung besteht aus 2 Vollzeitäquivalenten. Alle Stellen waren durchgehend besetzt. Eines der Vollzeitäquivalente wird von den Mitarbeiterinnen des Beratungszentrums sehen hören bewegen sprechen (shbs) aus dem Bereich Bewegen mit 4 Kolleginnen gespeist, so dass immer eine exzellente Vertretungsmöglichkeit besteht.

 

 

k)      Liegen dem Pflegestützpunkte Nord mit Schwerpunkt pflegende Eltern Listen von stationären Pflegeplätzen vor? Gibt es Listen für Kurzeitpflegeplätze?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Dem Pflegestützpunkt sind die stationären Unterbringungsmöglichkeiten in Hamburg und im Umland (Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) bekannt. Dies gilt ebenso für die wenigen verfügbaren Kurzzeitpflegeplätze.

Dazu sei angemerkt, dass die Herausgabe einer Liste an die Eltern im Allgemeinen wenig zielführend ist. Wir beraten die Eltern ausführlich zu den einzelnen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen und überlegen gemeinsam, was infrage kommen kann. Mitarbeiterinnen des Beratungszentrums shbs tragen ebenfalls mit ihrem Wissen über Plätze in der Eingliederungshilfe dazu bei.

Reine Pflegeplätze und Kurzzeitpflegeplätze sind auch überregional nur in geringem Maß verfügbar.

 

 

  1. Wie läuft die Koordinierung mit anderen involvierten Ämtern und Organisationen ab?

a)      Viele pflegende Angehörige von Kindern mit Behinderung bekommen Transferleistungen:

                    werden pflegende Angehörige seitens des Pflegestützpunktes proaktiv über ihre Ansprüche gegenüber Jobcenter und Grundsicherungsamt aufgeklärt?

                    Gibt es für pflegende Angehörige bei der Antragsstellung für Leistungen an das Grundsicherungsamt bzw. Jobcenter vom Pflegestützpunkt Unterstützungsangebote? Wenn ja, welche?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Der Pflegestützpunkt ist primär für die Beratung zu allen Leistungen der Pflegeversicherung auch in Abgrenzung zu anderen Sozialleistungen da. Selbstverständlich werden die Anfragenden auf Leistungen der Grundsicherungsämter hingewiesen und Ansprechpartner genannt. Anträge bei Ämtern können zunächst immer formlos gestellt werden, auch mündlich. Den Anfragenden können Hinweise dazu gegeben werden. Das Ausfüllen von Formularen für die Grundsicherung gehört nicht zu den Aufgaben des Pflegestützpunktes.

 

 

b)      Welche weiteren Kooperationsmöglichkeiten sind im Schulterschluss mit den jeweiligen Fachbehörden (Jugend-/Gesundheit-/Eingliederungs-amt, Schulbehörde) denkbar, unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse bezogen auf körperliche Behinderungen, Sinnesbehinderungen oder sog. unsichtbare Behinderungen? Wie sieht die derzeitige Zusammenarbeit mit oben genannten Behörden aus?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

In der Beratung werden die Eltern bei Bedarf auf weitere Unterstützungsmöglichkeiten aus der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe hingewiesen und die Ansprechpartner genannt. Dies ist am häufigsten der Jugendpsychiatrische Dienst, das Beratungszentrum shbs, das Jugendamt, die Schulbehörde und das Fachamt Eingliederungshilfe. Typische Themen sind Sozialpädagogische Familienhilfe, Integrationskitaplatz, Schulassistenz, Hilfsmittelversorgung. Umgekehrt weisen diese Ämter auch dem Pflegestützpunkt zu, bei Bedarf kann von beiden Seiten eine direkte Kontaktaufnahme erfolgen.

Die Kontaktvermittlung erfolgt je nach Fragestellung spezifisch für die verschiedenen Behinderungsarten. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Hamburger Behörden ist problemlos möglich.

 

 

c)      Mit welchen anderen Organisationen ist der Pflegestützpunkt Nord in Bezug auf pflegende Angehörige von pflegebedürftigen Kindern vernetzt?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Die Vernetzung mit anderen Institutionen ist gut, der Pflegestützpunkt kennt alle Akteure für die Belange von Kindern in Hamburg. Die Kontakte erfolgen unbürokratisch. Alle aufzuzählen würde hier unseres Erachtens nach zu weit führen, stellvertretend nennen möchten wir die EUTBs, Organisationen wie z.B. Leben mit Behinderung, die Lebenshilfe und ASBH, das Kinderversorgungsnetz Hamburger Intensiv-Kinder, die Mütterberatungsstellen, die Hamburger Frühförderstellen, die sozialpädiatrischen Zentren, die Sozialdienste der Kinderkrankenhäuser und  die Nachsorge-Organisationen für Kinder nach Krankenhausaufenthalten.

 

 

  1. Gibt es Kurzzeitpflegeplätze für Kinder mit Sinnesbehinderungen, körperlichen Behinderungen, sog. unsichtbaren Behinderungen in Hamburg?

a)      Wenn ja, wo?

b)      Wie lange sind die Wartezeiten?

c)      Wenn keine Plätze in Hamburg zur Verfügung stehen: Wie weit müssen die Eltern für einen Kurzzeitpflegeplatz fahren?

d)      Ist die Finanzierung für Kurzzeitpflegeplätze in Hamburger Einrichtungen gesichert? Wie werden Finanzierungslücken gefüllt, wenn die staatlichen Finanzierungen nicht ausreichen?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord zu den Fragen 3 a - d:

Kurzzeitpflegeplätze stehen z.B. in geringem Maße in der Einrichtung „Der Neue Kupferhof (Hände für Kinder) zu Verfügung. Es besteht eine lange Warteliste. Teilkosten können über die gastweise Unterbringung über Eingliederungshilfe finanziert werden.

 

Kurzzeitpflege bietet auch das Hamburger Kinderhospiz Sternenbrücke für Kinder mit lebenslimitierenden Erkrankungen an. Leben mit Behinderung und das Rauhe Haus bieten Ferienplätze an, die mit Kurzzeitpflegegeld teilfinanziert werden können.

 

Reine Kurzzeitpflegeeinrichtungen gibt es in Hamburg nicht. Weil bei Kindern immer auch ein Eingliederungshilfebedarf unterstellt wird, sind die stationären Einrichtungen für Kinder in der Eingliederungshilfe angesiedelt. Es gibt es keine Pflegeheime, die auch Kurzzeitpflege haben wie bei Erwachsenen. Auch in anderen Bundesländern gibt es kein ausreichendes Angebot.

 

 

  1. Wie können mehr digitale Angebote zur Beratung pflegender Angehöriger von pflegebedürftigen Kindern realisiert werden? Wie können die Beratungsangebote möglichst barrierefrei oder -arm gestaltet werden?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Digitale Angebote können die Beratung sehr gut ergänzen, werden bisher aber nicht verstärkt nachgefragt. Eine umfassende, persönliche und vertrauliche Beratung zu teilweise diffizilen und in die Intimsphäre gehenden Themen stellt eine besondere Herausforderung an das Setting dar. Der Pflegestützpunkt ist mit kindgerechten Räumlichkeiten ausgestattet, es kann auch ein Hausbesuch erfolgen. Eine telefonische Beratung ist die von den Betroffenen am häufigsten gewünschte Beratungsform.

 

 

  1. Welchen Beitrag kann der Bezirk leisten, um aus der Pflegewüste für betroffene Eltern eine fruchtbare Pflegealltagsstruktur zu etablieren, die tatsächlich hilft, entlastet sowie perspektivisch nicht nur in Wandsbek, sondern hamburgweit aktivierend nachhaltig tätig ist?

 

Bezirksamt Hamburg-Nord:

Der Gründung eines Pflegestützpunkts für Kinder und Jugendliche für ganz Hamburg wurde genau deshalb und als einziger spezialisierter Pflegestützpunkt von den zur Hälfte an den Kosten beteiligten Pflegekassen akzeptiert und gefördert, weil erkannt wurde, dass die Pflegefragen Kinder und Jugendliche betreffend ein Spezialwissen erfordern.

 

Die Eltern behinderter Kinder finden den Kontakt zu uns häufig über Mund-zu-Mund-Propaganda von anderen Eltern, weil diese mit der Beratung zufrieden waren und ihre Ziele erreichen konnten. Eine regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit trägt zum Bekanntheitsgrad des Pflegestützpunktes bei. Sehr viele Eltern oder Angehörige finden uns im Internet, auch aus anderen Bundesländern, oder werden sogar von dortigen Pflegestützpunkten an uns verwiesen. Öffentlichkeitsarbeit über Flyer und andere Hinweise ist selbstverständlich.

 

Da in Hamburg eine gute Kenntnis und Vernetzung zu anderen Beratungsstellen und Dienstleistern im sozialen Bereich besteht, kann man davon ausgehen, dass alle Eltern den gewünschten Zugang zu Pflegestützpunkt erreichen, egal an wen sie sich primär wenden.

 

Die Schaffung von Kurzzeitpflegeplätzen für Kinder auf politischer Ebene zu bewegen, sehen wir als ein wichtiges Ziel an. Die Hürden dafür sind allerdings hoch, da es schwierig sein wird, eine ausreichende Wirtschaftlichkeit des Angebotes zu erreichen und der Fachkräftemangel ganz besonders an Kinder-Fachpflegepersonal auch hier zum Tragen kommt.

 

Zusätzlich sehen wir das Problem, dass man ein Kind mit einer sichtbaren oder unsichtbaren Behinderung, vor allem, wenn es noch klein ist, nicht akut in fremde Hände geben kann. Viele Kinder haben sehr spezielle Anforderungen im Handling, in der Ernährung, im Hilfsmittelgebrauch und in der pädagogischen Betreuung, die nicht in einem einmaligen Übergabegespräch zu klären und einzuüben sind.

 

Anhänge

keine Anlage/n