Vereinsamung entgegenwirken - Hamburger Hausbesuch für Seniorinnen und Senioren im Bezirk Wandsbek erfolgreich? Beschluss der Bezirksversammlung vom 14.12.2023 (Drs. 21-7781.1)
Letzte Beratung: 11.03.2024 Ausschuss für Soziales Ö 7.1
Folgender Beschluss wurde gefasst:
1. Die zuständige Fachbehörde wird gebeten, im zuständigen Ausschuss der Bezirksversammlung in Textform zu berichten, wie die Umsetzung und der Erfolg der Hamburger Hausbesuchs im Bezirk Wandsbek sind, damit die Seniorinnen und Senioren rechtzeitig über Hilfs- und Unterstützungsangebote im Bezirk Wandsbek informiert werden.
Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zu dem o. g. Beschluss wie folgt Stellung:
Die Stellungnahme erfolgt auf Basis der Auswertung der Fachstelle Hamburger Hausbesuch für Seniorinnen und Senioren am Albertinen Haus (im Weiteren Fachstelle) für die Monate Januar bis September 2023. Daten aus dem 4. Quartal 2023 lagen zum Zeitpunkt der Erstellung der Stellungnahme noch nicht vor.
Der Hamburger Hausbesuch für Seniorinnen und Senioren (im Weiteren Hamburger Hausbesuch) wird seit dem 01.01.2020 in allen Hamburger Bezirken allen Seniorinnen und Senioren anlässlich ihres 80. Geburtstags im Rahmen eines Gratulationsschreibens mit einem konkreten Besuchstermin und einer persönlich benannten Besuchskraft angeboten. Darüber hinaus können sich alle Hamburgerinnen und Hamburger in ihrer nachberuflichen Phase an die Fachstelle wenden und einen Hausbesuch anfordern ("Selbstmelder").
Die Drucksache 21/10874 Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Gesundheitsdienstgesetzes anlässlich der Einführung des Hamburger Hausbesuchs für Seniorinnen und Senioren sieht eine Evaluation der Modellphase des Angebots vor. Diese wurde von Mai bis November 2022 durch die Firma Ramboll Management Consulting durchgeführt. Das Gutachten über die Evaluation wurde im Hamburgischen Transparenzregister veröffentlicht.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere durch den Träger der Fachstelle, die Albertinen-Krankenhaus/ Albertinen-Haus gGmbH, der Aufbau eines flächendeckenden Angebots erreicht wurde. Mit diesem ist die Zielgruppe der besuchten Seniorinnen und Senioren sehr zufrieden, wie sich aus Rückmeldungen vieler Seniorinnen und Senioren zu den Gratulationsschreiben als auch insbesondere aus den Ergebnissen der Evaluation des Modellprojektes ergibt. Sie fühlen sich durch das Gratulationsschreiben und das Besuchsangebot wahrgenommen und wertgeschätzt. Viele Besuchte erhalten für sie neue Informationen. Manche können diese direkt verwenden oder bewahren sie auf für den Fall, dass sie einmal gebraucht werden. Es ist davon auszugehen, dass ihre Selbsthilfekompetenzen so gestärkt werden konnten.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Wirkungsorientierung in der Arbeit noch gesteigert werden kann. Außerdem hat sich gezeigt, dass für einen Teil der für den Hamburger Hausbesuch formulierten Ziele (vgl. Drs. 21/10874) deren Erreichung nicht messbar ist. Dies gilt insbesondere für das Ziel, den Eintritt der Pflegebedürftigkeit zu vermeiden bzw. zu verzögern.
Das bisherige Vorgehen beeindruckt durch den hohen Anteil erreichter Personen. Jedoch hat nur ein kleinerer Anteil der Besuche auch nachweisbare Folgen im Sinne der Ziele. Insgesamt wurden die Ziele nur ansatzweise erreicht, so dass Steuerungsmaßnahmen erforderlich sind. Grundlegend ist eine realistische Definition der Ziele, die durch ein Gratulationsschreiben und einen in der Regel einmaligen Hausbesuch erreicht werden können. Außerdem ist die Wirkungsorientierung der Besuche durch geeignete Maßnahmen zu stärken.
Um die sehr guten Ergebnisse bezüglich der positiven Wahrnehmung in der Zielgruppe weiterhin zu erreichen und andererseits die Ergebnisqualität des Angebots im Sinne der Zielerreichung zu verbessern, wird der Hamburger Hausbesuch im Rahmen des bisherigen Ansatzes – offensives Vorgehen mit terminiertem Besuchsangebot im Rahmen des Gratulationsschreibens an alle 80-Jährigen - weiterentwickelt. Das Konzept wurde durch folgende Maßnahmen angepasst:
Das angepasste Konzept wird ab März 2024 umgesetzt, die Ergebnisse der Anpassungsmaßnahmen im 1. Halbjahr 2025 ausgewertet.
Ergebnisse des Angebots Hamburger Hausbesuch im Zeitraum 01.01. bis 30.09.2023
Im Zeitraum 01.01. bis 30.09.2023 erlebten 2.946 Menschen im Bezirk Wandsbek ihren 80. Geburtstag und erhielten zu diesem Anlass ein Gratulationsschreiben der Sozialsenatorin mit Informationsflyer zum Hamburger Hausbesuch (Abdeckung: 100%). Darüber hinaus meldeten sich 19 Selbstmelderinnen und Selbstmelder, die einen Hausbesuch wünschten. Insgesamt 2.965 Personen wurde somit ein konkretes Terminangebot für einen kostenlosen, freiwilligen, informativen Hausbesuch zu Fragen des Älterwerdens in Hamburg und im Bezirk Wandsbek gemacht.
a) Ergebnisse zu spezifischen Merkmalen der 2.965 Personen, denen ein Hausbesuch angeboten wurde:
Das Geschlecht wird erhoben um zu ermitteln, ob es Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Annahme des Angebots gibt. 57% der Angeschriebenen waren weiblich, 43% männlich.
Diese wird aus den übermittelten Meldedaten erhoben, um zu dokumentieren, ob die Annahmequote bei Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit abweicht von denen mit deutscher Staatsangehörigkeit. 92% der Angeschriebenen hatten eine deutsche Staatsangehörigkeit, 5% hatten andere Staatsangehörigkeiten, 3% hatten eine deutsche und eine weitere Staatsbürgerschaft. Für fünf (knapp 0,2%) Personen umfassten die gesendeten Meldedaten keine Staatsangehörigkeit,
b) Annahmen und Ablehnungen des Angebots:
Die Annahmequote lag somit im Bezirk Wandsbek bei 29,7% und damit etwa gleich wie in Hamburg insgesamt im selben Zeitraum (29,6%).
Aktive Ablehnungen eines Besuchsangebots nutzt die Fachstelle, um die Ablehnungsgründe zu erfragen. Die folgende Tabelle stellt die Ablehnungsgründe in Übersichtsform dar:
Tabelle 1: Ablehnungsgründe Personen mit 80. Geburtstag inkl. Selbstmelder im Zeitraum Januar
2023 – September 2023; Wandsbek die aktiv vor dem angekündigten Hausbesuchstermin absagten
Ablehnungsgründe Hamburger Hausbesuch |
n |
% |
Aktive Ablehnungen von Personen mit 80. Geburtstag inkl. Selbstmeldern |
1.675 |
|
Kein Bedarf |
951 |
57% |
|
220 |
13% |
|
551 |
33% |
|
180 |
11% |
Keine Zeit, kein Interesse, kein Vorteil |
303 |
18% |
Ohne Grund |
43 |
3% |
Corona (wg. Ansteckungsgefahr, nicht geimpft, keine Impfung gewünscht, keine Impfung möglich) |
4 |
0,2% |
Zu krank |
71 |
4% |
Sonstiges (Verdrossenheit, in anderen Projekten beteiligt) |
375 |
22% |
Hinweise: Rechnerische Abweichungen zu 100% resultieren aus Rundungsdifferenzen, Mehrfachnennungen möglich.
Die Verteilung der Ablehnungsgründe des Besuchsangebots entspricht damit im Wesentlichen der Verteilung in Hamburg insgesamt.
c) Ergebnisse aus den durchgeführten Hausbesuchen:
Im Bezirk Wandsbek wurden im Bezugszeitraum 880 Hausbesuche durch 26 Besuchskräfte durchgeführt.
59% weibliche, 41% männliche Besuchte. Im Vergleich zur Geschlechtsverteilung bei den Angeschrieben zeigt sich eine leichte Tendenz, dass Frauen eher einen Hausbesuch annehmen.
93% der durchgeführten Hausbesuche fanden bei Seniorinnen und Senioren mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit statt. Bei diesen lag die Annahmequote bei 29,8%. 4% der Hausbesuche wurden bei Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (Annahmequote 26,1%) und 3% bei Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten (Annahmequote 30,3%) durchgeführt. Damit sind die Annahmequoten zwischen Menschen mit deutscher oder anderer bzw. mehrfacher Staatsangehörigkeit etwa gleich. Auffällig ist, dass die Annahmequote bei Menschen ohne übermittelte Staatsangehörigkeit 80% beträgt. Von fünf Personen nahmen vier an einem Hamburger Hausbesuch teil.
Die folgende Übersicht informiert über Ort und Teilnehmerkreis der Hausbesuche.
Wandsbek |
Gesamt |
|||
|
n |
% |
n |
% |
Durchgeführte Hausbesuche bei Personen mit 80. Geburtstag inkl. Selbstmeldern |
880 |
30% |
3.093 |
30% |
Ort, an dem das Angebot stattfand |
||||
Durchführung in der eigenen Häuslichkeit |
826 |
94% |
2.912 |
94% |
Durchführung im Bezirksamt |
11 |
1% |
34 |
1% |
Durchführung im Pflegeheim |
41 |
5% |
136 |
4% |
Durchführung als Telefonat |
2 |
0,2% |
11 |
0,4% |
Teilnehmerkreis durchgeführter Hausbesuche |
||||
Gespräch unter vier Augen |
429 |
49% |
1.543 |
50% |
Teilnahme einer Vertrauensperson |
451 |
51% |
1.550 |
50% |
|
|
|
|
|
Hinweis: Rechnerische Abweichungen zu 100% resultieren aus Rundungsdifferenzen.
Prinzip des Hamburger Hausbesuches ist es, dass die Besuchten die Gesprächsinhalte bestimmen. Die alternsbezogenen Themen, zu denen sie Informationen von den Besuchspersonen erhalten können, sind ihnen aus dem mit dem Gratulationsschreiben zugesendeten Flyer bekannt. Die Erhebungen der Fachstelle haben ergeben, dass für die besuchten Wandsbeker Bürgerinnen und Bürger die in der folgenden Tabelle dokumentierten Gesprächsschwerpunkte relevant waren:
Tabelle 3: Gesprächsschwerpunkte aller durchgeführter Hamburger Hausbesuche im Zeitraum
Januar 2023 – September 2023; Wandsbek
Berichtete Gesprächsschwerpunkte durchgeführter Hausbesuche gemäß Gesprächsleitfaden (drei Schwerpunkte je dokumentiertem Besuch möglich) |
n |
% |
Durchgeführte Hausbesuche bei Personen mit 80. Geburtstag inkl. Selbstmeldern |
880 |
|
Modul 1: Wohnumfeld/ Wohnsituation (insb. Barrierefreiheit) |
|
|
M 1.1 Wohnumfeld |
128 |
15% |
M 1.2 Wohnsituation |
375 |
43% |
M 1.3 Digitale Kommunikations- und Informationstechnologie |
65 |
7% |
M 1.4 Finanzielle Situation |
54 |
6% |
Modul 2: Soziale Kontakte, Einsamkeit, gesellschaftliche Einbindung und ehrenamtliches Engagement |
|
|
M 2.1 Soziale Kontakte |
256 |
29% |
M 2.2 Einsamkeit |
43 |
5% |
M 2.3 Gesellschaftliche Einbindung |
87 |
10% |
M 2.4 Ehrenamtliches Engagement |
80 |
9% |
Modul 3: Ernährung, Bewegung und Mobilität |
|
|
M 3.1 Mobilität |
302 |
34% |
M 3.2 Bewegung/ Sturz |
101 |
11% |
M 3.3 Ernährung |
18 |
2% |
Modul 4: Gesundheitliche Situation |
|
|
M 4 Gesundheitliche Situation |
536 |
61% |
Modul 5: Hauswirtschaftliche Hilfen, sich abzeichnender Pflegebedarf und Angehörigenpflege |
|
|
M 5.1 Hauswirtschaftliche Hilfen |
147 |
17% |
M 5.2 Pflegebedarf |
146 |
17% |
M 5.3 Angehörigenpflege |
89 |
10% |
Hinweis: Mehrfachnennungen möglich
Die Priorität der Thermen in Wandsbek entspricht damit den Ergebnissen in Hamburg insgesamt.
Ziel des Hamburger Hausbesuchs ist es unter anderem, im Gespräch mit der Besuchsperson Unterstützungs- und Hilfebedarfe zu erkennen. Bei geäußerten und nicht bereits befriedigten Bedarfen werden die Besuchten informiert, welche Angebote im Bezirk oder überregional für sie geeignet sein können. Sie erhalten entsprechendes Informationsmaterial und können entscheiden, ob sie oder eine Vertrauensperson sich um eine Kontaktaufnahme kümmern oder die Besuchskraft sie bei der Kontaktaufnahme zu einer Institution unterstützen soll. Aus Gründen des Schutzes personenbezogener gesundheitlicher Daten ist eine Weitergabe der Daten der Besuchten an andere Stellen wie z.B. Besuchs- und Begleitdienste, Pflegestützpunkte oder Seniorentreffs nur auf ihren Wunsch und mit ihrer schriftlichen Einwilligungserklärung möglich. In den meisten Fällen wird eine solche Vermittlung nicht gewünscht, wie die oben genannten Zahlen belegen.
Tab. 4: Hilfe- und Unterstützungsbedarf sowie Vermittlungen für Wandsbek und für alle Hamburger Bezirke im Zeitraum 01.01.2023 bis 31.09.2023
Durchgeführte Hamburger Hausbesuche |
Wandsbek |
Gesamt |
||
Kein Bedarf an Hilfs- u. Unterstützungsleistungen |
572 |
65% |
2.213 |
72% |
Bedarf an Hilfs- u. Unterstützungsleistungen |
308 |
35% |
880 |
28% |
|
289 |
94% |
773 |
88% |
|
19 |
6% |
107 |
12% |
2.1 ddavon Vermittlung an das zuständige PBM1) |
6 |
32% |
74 |
69% |
2.2 ddavon Vermittlung an das zuständige PBM und andere Beratungsstellen |
0 |
0% |
9 |
8% |
2.3 ddavon Vermittlung an andere Beratungsstellen |
13 |
68% |
22 |
21% |
2.4 ddavon Vermittlung nicht zustande gekommen |
0 |
0% |
2 |
0,1% |
1) Pflegestützpunkt und Beratungszentrum für ältere, pflegebedürftige und körperbehinderte Menschen (PBM)
Der Bedarf an Hilfe- und Unterstützungsleistungen stellt sich bei den 80-jährigen Seniorinnen und Senioren und den Selbstmeldern in Wandsbek höher dar als in der Gesamtheit der Hamburgerinnen und Hamburger gleichen Alters im selben Zeitraum. Dennoch zeigt die Erhebung, dass der Wunsch nach einer Vermittlung an eine Institution zur Befriedigung des Hilfs- und Unterstützungsbedarfs in Wandsbek geringer ist als in Hamburg insgesamt.
Auch im Bezugszeitraum des Jahres 2023 war die Fachstelle sehr aktiv, um das Angebot des Hamburger Hausbesuchs in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Im Bezirk Wandsbek wurde das Angebot bei der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Hamburg Sasel im 2. Quartal 2023 vorgestellt. Der Bezirksseniorenbeirat wurde bereits im Vorjahr beteiligt.
Um das Angebot des Hamburger Hausbesuchs auch im Bezirk Wandsbek noch bekannter zu machen und so zu erreichen, dass noch mehr ältere Bürgerinnen und Bürger davon profitieren können, kann das Bezirksamt Wandsbek unterstützen. Die im Sozialraummanagement, im Kommunalen Gesundheitsförderungsmanagement und im Pflegestützpunkt und Beratungszentrum für ältere, pflegebedürftige und körperbehinderte Menschen (PBM) bereits etablierten Kontakte, Netzwerke und Kommunikationsstrukturen mit Wohlfahrtsverbänden und anderen bezirklich geförderten und auch kirchlichen Angeboten für Seniorinnen und Senioren, migrantischen Vereinen und Interessenvertretern, Pflegediensten und Servicewohnanlagen könnten durch das Bezirksamt genutzt werden, um dort über das Angebot des Hamburger Hausbesuchs zu informieren. Auch bei allen individuellen Bürgerkontakten mit älteren Menschen könnte das Bezirksamt über den Hamburger Hausbesuch informieren.
Die Bezirksversammlung nimmt Kenntnis.
keine Anlage/n
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