20-3720.2

Tarifverträge und Finanzierung der offenen Kinder- und Jugendarbeit

Antwort zu Anfragen

Sachverhalt

 

Der Jugendhilfeausschuss Wandsbek nimmt die Antwort der zuständigen Fachbehörde (Drs. 3339.1) auf die Anfrage nach § 27 BezVG „Tarifverträge und Finanzierung der offenen Kinder- und Jugendarbeit“ mit Verwunderung zur Kenntnis. 

 

Gegenstand der Anfrage war insbesondere die öffentlich und in der Presse diskutierte Frage, ob der Bezirk Wandsbek in der Förderung der Personalkosten freier Träger anders vorgeht, als andere Bezirke der Freien und Hansestadt Hamburg. Vor diesem Hintergrund ist auch die Förderpraxis anderer Bezirke für den Jugendhilfeausschuss Wandsbek von Belang und fachlichem Interesse.

 

Vor diesem Hintergrund bittet der Ausschuss die zuständigen Fachbehörden und begehrt von diesen und ggf. weiteren zuständigen Dienststellen in der Freien und Hansestadt Hamburg zu erfahren,

Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) antwortet wie folgt:

 

 

 

  1. welchen Dienststellen, Fachbehörden und Bezirken der FHH die Anfrage (Drs. 3339) wann und warum (ggf. auch nicht) jeweils zur Beantwortung vorgelegt wurde und welche (Teil-)Antworten welcher Dienststellen (ggf. auch nicht) berücksichtigt wurden;

 

Zu 1.:

 

Das Auskunftsersuchen wurde vom Bezirksamt Wandsbek der BASFI zugeleitet. Die BASFI hat die Frage 14 des Auskunftsersuchens der Behörde für Inneres und Sport zur Beantwortung vorgelegt und den Antwortbeitrag des Statistikamts Nord bei der Bearbeitung des Auskunftsersuchens unverändert berücksichtigt. Der Antwortbeitrag der BASFI wurde den Fragestellern vom Bezirksamt Wandsbek übermittelt.

 

  1. ob die zuständigen Fachbehörden oder Bezirke Kenntnis darüber haben, nach welchen Tarifverträgen Angestellte in Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit entlohnt werden? Welche Dienststellen? Angestellte welcher Einrichtungen nach welchen Tarifverträgen? Bitte nach Einrichtungen in kommunaler und freier Trägerschaft differenzieren.

 

Zu 2.:

 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit in öffentlicher Trägerschaft werden bekanntermaßen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vergütet. Teilweise erfolgt die Vergütung bei freien Trägern in Anlehnung an den TV-L. Dem Bezirksamt Hamburg-Mitte sind folgende Ausnahmen bekannt, die aber nicht zwingend alle Sachverhalte abbilden, da manche Träger schon im Rahmen der Antragstellung den TV-L als Maßstab für die Personalkostenberechnung berücksichtigen und die Personalkosten entsprechend ermitteln:

 

  • Arbeiterwohlfahrt Landesverband Hamburg e.V., Projekt Sonnenland: TV Arbeiterwohlfahrt Hamburg analog TV-L
  • Timotheusgemeinde zu Hamburg Horn: Kirchlicher Angestellten Tarifvertrag (KAT)
  • IN VIA Hamburg e.V., Mädchenarbeit Billeinsel: Caritas AVR

 

Auch hier erfolgt eine Zuwendung nach TV-L. Im Bezirk Altona beantragen lediglich der Arbeiter-Samariter-Bund Sozialeinrichtungen (Hamburg) GmbH (ASB) und Kirchengemeinde St. Pauli abweichend vom TV-L die Personalkosten. Im Übrigen s. Anlage 1 und Drs. 20-3339.1.

 

  1. Unter welchen Bedingungen ist es fachlich geboten und wann - unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung und des Standes der rechtswissenschaftlichen Literatur - den Bezirken rechtlich möglich, Angestellte in Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit (in kommunaler und freier Trägerschaft) nach anderen Tarifverträgen als dem TV-L zu vergüten?

 

Zu 3.:

 

Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die Zuwendungen erhalten, dürfen ihre Beschäftigten grundsätzlich nach anderen Tarifverträgen als dem TV-L vergüten. Für den Erhalt von Zuwendungen darf die Vergütung jedoch nicht höher sein als im TV-L festgelegt (sog. Besserstellungsverbot). Das Verbot findet bei abweichenden tarifvertraglichen Regelungen keine Anwendung, wenn die oder der Zuwendungsempfangende zu deren Einhaltung verpflichtet ist (s. jeweils Art. 12 der Haushaltsbeschlüsse 2015/2016 und 2017/2018). Abweichende tarifvertragliche Regelungen sollen demnach aber nicht zu einer Erhöhung der Zuwendung führen, d.h. dass der begrenzende Maßstab für die Bemessung der Zuwendungshöhe der TV-L ist (vgl. auch die VV zu den die Zuwendungen behandelnden § 46 Landeshaushaltsordnung). Im Übrigen s. zu 2.

 

  1. Soweit in den oder einzelnen Bezirken der begründete Bedarf nach einer anderen (ggf. höheren) Vergütung als nach dem TV-L besteht, wird sich die zuständige Fachbehörde dafür einsetzen einen hieraus entstehenden Mehrbedarf den Bezirken durch Erhöhung des Rahmenzuweisung oder anders zu erstatten? In welchem Umfang ist dies erforderlich?

 

Zu 4.:

 

Die haushalterische Veranschlagung der Rahmenzuweisung „Betriebsausgaben für die Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit“ richtet sich nach den gesamten Kosten einer wirtschaftlichen und angemessenen Aufgabenerfüllung unter Berücksichtigung der Haushaltseckwerte. Darin gehen Veränderungen ein, etwa notwendige und angemessene Erhöhungen von Personalkosten. Sofern die bestehenden finanziellen Rahmenbedingungen es zulassen, veranschlagt die BASFI bei Bedarf erforderliche Erhöhungen bei der Rahmenzuweisung. Für die Jahre 2019 und 2020 sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen s. Drs. 20-3339.1.

 

  1. Einen Referenten in den Jugendhilfeausschuss Wandsbek zu entsenden, um diesem zu erläutern, in welchen Fällen Regelungen zum Besserstellungsverbot bzw. Gleichstellungsgebot aus bundesrechtlichen Vorgaben (insbes. § 74 SGB VIII) und in welchen Regelungen aus dem hamburgischen Landesrecht (Haushaltsbeschluss) Anwendung zu finden haben und welche Rechtsfolgen sich aus der Anwendung dieser Normen jeweils ergeben.

 

Zu 5.:

 

Zur Anwendung der Regelungen im Leitfaden „Prüfung des Besserstellungsverbots“ der Finanzbehörde vom 16.12.2016 kann die Bezirksverwaltung Wandsbek Auskunft geben.

 

  1. Hat eine Fachbehörde oder ein Bezirksamt Kenntnis darüber, ob in der Vergangenheit rechtliche Auseinandersetzungen zwischen freien Trägern und der FHH über die Vergütung und Zuwendungs- bzw. Erstattungsfähigkeit von Personalausgaben der OKJA oder Familienförderung nach anderen Tarifverträgen als dem TV-L Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Auseinandersetzungen geworden sind? Welche Dienststellen der FHH haben hiervon Kenntnis? Wie oft war dies der Fall? Aus welchem Grund und mit welchem Ergebnis jeweils?

 

Zu 6.:

 

Im Zuständigkeitsbereich des Bezirksamts Wandsbek hat es nach dortiger Auskunft zwei entsprechende verwaltungsgerichtliche Verfahren gegeben. Das Streitverfahren zwischen ASB als Trägerin der freien Jugendhilfe und dem Bezirksamt Wandsbek bezüglich der Zuwendungen für das Jahr 2011 ist mit einer Klageabweisung beendet worden. Gegenstand des Verfahrens waren u.a. die von der ASB in Ansatz gebrachten Personalkosten (Entlohnung der Fachkräfte nach dem Tarifvertrag für die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (TV-AVH)). Das Verwaltungsgericht bestätigte die Auffassung des Bezirksamts Wandsbek, dass nur diejenigen Personalkosten als zuwendungsfähig angesehen werden dürfen, die nicht den Betrag übersteigen, der sich bei Zugrundelegung der Entgelte für die Fachkräfte nach den Vorgaben des TV-L errechnet. Außerdem gab es fünf Widerspruchsverfahren zwischen verschiedenen Kirchengemeinden als Träger der freien Jugendhilfe und dem Bezirksamt Wandsbek bezüglich Zuwendungen ab dem Jahr 2007. Das gerichtliche Musterverfahren endete mit Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2015. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht bestätigte darin eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 19. Februar 2013. Gegenstand des Verfahrens waren u.a. von den Kirchengemeinden geforderte zusätzliche Zuwendungsmittel in Höhe der Arbeitgeberbeiträge, die die Kirchen nach § 26 Abs. 1 KAT für eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Beschäftigten einzahlt. Auch in diesem Verfahren hat das Verwaltungsgericht die Auffassung des Bezirksamts Wandsbek bestätigt, dass nur diejenigen Personalkosten als zuwendungsfähig angesehen werden, die nicht den Betrag übersteigen, der sich bei Zugrundelegung der Entgelte für die Mitarbeitende nach den Vorgaben des TV-L errechnet. Die Klage wurde daher abgewiesen. Weitere Verfahren sind nicht bekannt.

 

  1. In welcher Höhe erhalten die Bezirke seit 2001 Mittel aus der Rahmenzuweisung der offenen Kinder- und Jugendarbeit? Bitte jeweils in absoluten Zahlen nach Jahren und und pro Kopf der unter 18jährigen Bewohner/innen der Bezirke sowie nach Jugendeinwohnerwert aufschlüsseln.

 

  1. In welcher Höhe erhalten die Bezirke seit 2001 Mittel aus der Rahmenzuweisung Familienförderung? Bitte jeweils in absoluten Zahlen nach Jahren und und pro Kopf der unter 18jährigen Bewohner/innen der Bezirke sowie nach Jugendeinwohnerwert aufschlüsseln.

 

  1. In welcher Höhe erhalten die Bezirke seit 2001 Mittel aus Rahmen- oder Zweckzuweisungen sozialräumlicher Angebote? Bitte jeweils in absoluten Zahlen nach Jahren und und pro Kopf der unter 18jährigen Bewohner/innen der Bezirke sowie nach Jugendeinwohnerwert aufschlüsseln.

 

Zu 7. bis 9.:

 

Die erbetene Aufschlüsselung der erhaltenen Mittel nach dem Jugendeinwohnerwert wird bezogen auf die Kinder- und Jugendarbeit dahingehend verstanden, dass der Jugendeinwohnerwert bezogen auf die Zahl der Unter-18-Jährigen gemeint ist. S. Anlagen 2 bis 4.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass die Daten „Wert pro Kopf der Unter-18-jährigen Bevölkerung“ und „Jugendeinwohnerwert nach der Zahl der Unter-18-Jährigen“ nur begrenzte bis sehr geringe Aussagekraft aufweisen, weil die regionale Kinder- und Jugendarbeit/ Jugendsozialarbeit, Familienförderung und Sozialräumlichen Angebote der Jugend- und Familienhilfe auf eine Förderung von Personen abzielen, die teilweise bis überwiegend nicht der Altersgruppe der Unter-18-Jährigen angehören. Außerdem ist die Nutzung der Angebote etwa bei Jugendsozialarbeit und Sozialräumlichen Angeboten an Voraussetzungen geknüpft, die in der Regel nur ein kleiner Teil der genannten Alterskohorte erfüllt.

 

Eine Verteilung der Mittel ausschließlich nach dem Jugendeinwohnerwert der Unter-18-Jährigen berücksichtigt keine sozioökonomischen Merkmale und erscheint deshalb selbst für die Verteilung der Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit ungeeignet. Im Übrigen s. zu 13. Entsprechendes gilt für die Rahmenzuweisungen Familienförderung und Sozialräumliche Angebote. Mittel aus dem Programm Sozialräumliche Angebote der Jugend- und Familienhilfe (SAJF) werden demnach gezielt für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf eingesetzt. Die Angebote wurden deshalb in Gebieten mit  besonders hohem Fallaufkommen an Hilfen zur Erziehung eingerichtet. SAJF nutzen und erweitern die vorhandene Infrastruktur sozialer Unterstützungsangebote. In Kontraktgesprächen mit den Bezirksämtern wird das vorhandene Unterstützungssystem überprüft und bei Bedarf weiterentwickelt.

 

  1. Warum ist die zuständige Fachbehörde der Auffassung, dass eine Darstellung der rechnerischen Verteilung der Mittel auf die Unter-18 jährige Bevölkerung nicht aussagekräftig sei? Inwieweit entbindet diese Auffassung diese Fachbehörde von der Verpflichtung, Fragen hierzu nach § 27 BezVG zu beantworten.

 

Zu 10.:

 

Bei der Beantwortung des Auskunftsersuchens Drs. 20-3339.1 sind von der BASFI alle mit den Fragen 9. bis 11. erbetenen Daten für die Jahre 2007 bis 2016 übermittelt worden – allerdings verbunden mit dem Hinweis auf die sehr geringe Aussagekraft des Datums „Verteilung der Mittel auf die Unter-18-jährige Bevölkerung“. Im Übrigen s. zu 7. bis 9. und Drs. 20-3339.1.

 

  1. Hat eine Fachbehörde oder ein Bezirksamt Kenntnis darüber, welche Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung, die bis 2011 aus Mitteln der OKJA-Rahmenzuweisung finanziert wurden, nun stattdessen oder ergänzend Zuwendungen aus anderen Rahmen- oder Zweckzuweisungen bzw. anderen bezirklichen Haushaltstiteln (Maßnahmen) erhalten? Welche Dienststellen sind dies jeweils? Um welche Einrichtungen handelt es sich? Mit welchen Haushaltsmitteln und in welcher Höhen werden oder wurden diese jeweils in welchem Haushaltsjahr finanziert?

 

Zu 11.:

 

Die Bezirksämter besitzen solche Kenntnisse für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich. Im Übrigen s. Anlage 5.

 

  1. Welcher Mehrbedarf ist dem Bezirk Wandsbek seit 2001 durch tarifliche Steigerungen und Stufensprünge im TV-L in den einzelnen Jahren jeweils entstanden? In welcher Höhe wurde dieser Mehrbedarf in den einzelnen Jahren in den Zuwendungen an den Bezirk jeweils berücksichtigt.

 

Zu 12.:

 

Der TV-L ist seit dem 1. November 2006 in Kraft. Entsprechende Mehrkosten durch tarifliche Steigerungen oder Stufensprünge können daher erst ab diesem Datum entstanden sein. Im Übrigen s. Anlage 6.

 

  1. Wann wurde der Schlüssel, mit dem die Rahmenzuweisung der offenen Kinder- und Jugendarbeit auf die Bezirke verteilt wird, entwickelt? Welche fachlichen Überlegungen lagen diesem Schlüssel zu Grunde? Wie hat der Schlüssel sich seitdem jährlich entwickelt?

 

Zu 13.:

 

Die Rahmenzuweisung „Betriebsausgaben für die Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit“ wurde bis 2007 nach einem Schlüsselungsverfahren (94 % als Sockelbetrag und 6 % nach unterschiedlichen Bedarfskriterien) auf die Bezirke verteilt. Nach dem Wegfall aktueller berechnungsrelevanter Daten (u.a. zu Haushalten von Alleinerziehenden) gab es keine Einigung auf ein anderes Berechnungsverfahren. Aus diesem Grund wird die Mittelverteilung auf die Bezirke seit 2008 auf der Basis der zuletzt vorgenommenen Schlüsselung fortgeschrieben.

 

  1. Gibt es Bezirke, die der Auffassung sind, dass ihre offene Kinder und Jugendarbeit strukturell unterfinanziert sei? Welche?

 

  1. r den Fall, dass die Rahmenzuweisung der offenen Kinder- und Jugendarbeit 2017 nicht nach dem tradierten Schlüssel, sondern nach dem Jugendeinwohnerwert auf die Bezirke verteilt werden würde, welche Auswirkungen hätte dies auf die Höhe des Anteils (in Euro), welchen die jeweiligen Bezirke erhalten würden?

 

  1. Wie hoch wäre der, durch den Haushalt aufzubringende Mehrbedarf (in Euro) in der Rahmenzuweisung der offenen Kinder- und Jugendarbeit 2017, wenn diese mit der Maßgabe nach dem Jugendeinwohnerwert verteilt würde, dass kein Bezirk weniger  erlt, als vorher?

 

  1. Wie hoch wäre der durch den Haushalt aufzubringende Mehrbedarf (in Euro) in der Rahmenzuweisung der offenen Kinder- und Jugendarbeit 2017, wenn diese mit der Maßgabe der Berücksichtigung der Preissteigerungen  seit 2006 und der Tariferhöhungen seit 2013 verteilt würden?

 

Zu 14. bis 17.:

 

Der Haushaltsplan für die Jahre 2017 und 2018 ist von der Hamburgischen Bürgerschaft am 15.12.2016 beschlossen worden. Im Übrigen beantwortet die Fachbehörde hypothetische Fragen grundsätzlich nicht.

 

Anhänge

Anlage 1 zu Frage 2

Anlage 2 zu Frage 7

Anlage 3 zu Frage 8

Anlage 4 zu Frage 9

Anlage 5 zu Frage 11

Anlage 6 zu Frage 11