Besetzung der Ausschüsse in der Bezirksversammlung Wandsbek Ersetzungsantrag der SPD-Fraktion (Bezug: Drs. 21-8187)
Durch den Zugewinn eines Mandats der Fraktion Die Grünen hat diese nunmehr 13 Mandate, wie auch die CDU-Fraktion. Vorausgegangen hatte die grüne Fraktion mehrere Mandate verloren. Erstmals konnten sich die Fraktionen der Bezirksversammlung nicht auf die notwendige Neuberechnung der Ausschusszusammensetzungen (§ 17 BezVG) verständigen. Nach Hare/Niemeyer stünden sowohl den Grünen als auch der CDU-Fraktion der letzte, 15. Sitz in den Ausschüssen zu.
Die Fraktion der Grünen beantragte, ihr den Sitz analog zur Zugriffsreihenfolge bei Ausschussvorsitzen zuzuschlagen. „Diese sieht vor, dass die Anzahl der Stimmen bei der letzten Wahl zur Bezirksversammlung ausschlaggebend für die Auflösung einer solchen Situation ist (Vgl. BezVwG §17(4)). Bei der letzten Wahl zur Bezirksversammlung in Wandsbek 2019 erhielt die CDU 207.652 Stimmen und die GRÜNEN 246.166 Stimmen“ (Drs. 21-8108.1)
Die CDU-Fraktion beantragte zuletzt in der Bezirksversammlung mit einer Tischvorlage am 14.12.2023 (Drs. 21-8187) die bisherigen 15er-Ausschüsse in 16er-Ausschlüsse umzuwandeln. Unter Verweis auf eine Stellungnahme der RAe Klemm + Partner trug sie vor, der § 17 I Satz 3 BezVG sei in diesem Fall zwingend anzuwenden. Diese Stellungnahme konnte nicht alle Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift ausräumen.
Zu einigen Fragen, welche die CDU-Fraktion und ihre Stellungnahme aufgeworfen haben, wird im Folgenden Stellung genommen.
In Fragen der Selbstorganisation kann die Bezirksversammlung ihre Angelegenheiten im Übrigen selbst regeln, solange sie die Grenzen des Entscheidungsrechts nach § 21 BezVG beachtet. Es wäre eine Fehlannahme davon auszugehen, dass das Besetzungsverfahren von Ausschüssen zwingend abschließend durch Vorgaben des Landesgesetzgebers geregelt sein müsste.
Dass der Gesetzgeber nicht die Absicht hat, die Selbstorganisationsfragen der Bezirksversammlungen abschließend zu regeln, dokumentiert u.a. auch § 4 Hmb. AG SGB VIII, wonach die Bezirksversammlung frei ist, die Zusammensetzung des Jugendhilfeausschuss dergestalt zu regeln, dass das Stärkeverhältnis der Fraktionen in der Bezirksversammlung schlechter abgebildet wird, als in den klassischen 15er-Ausschüssen. Maßstab ist hierbei offenkundig nicht die exakte Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse, sondern ihre Arbeitsfähigkeit.
Auch durch § 12 II BezVG wird die Kompetenz der Bezirksversammlung, die Zusammensetzung ihrer Ausschüsse zu regeln nur insoweit beschränkt, dass hierbei die Grenzen nach § 21 BezVG zu beachten sind.
“Bei gleicher Fraktionsstärke ist für die Reihenfolge die Zahl der bei der letzten Wahl zur Bürgerschaft erzielten Wählerstimmen maßgebend.”
“Das Verwaltungsgericht weist in seinem Urteil (UA S. 28) zu Recht darauf hin, dass das Ziel einer effektiven, das Gemeinderatsgremium entlastenden Ausschussarbeit wesentliches Kriterium bei der Festlegung der Ausschussgröße sein soll. Die Mitgliederzahl eines Ausschusses darf lediglich nicht so gering bemessen werden, dass ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von einer Vertretung im Ausschuss ausgeschlossen wären, sodass der Ausschuss kein Spiegelbild der Zusammensetzung des Gemeinderats mehr darstellen würde. Denn Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO verlangt nicht die Festlegung einer im Sinne des Spiegelbildlichkeitsgebots optimierten Ausschussgröße, sondern verbietet lediglich grobe Verzerrungen der Stärkeverhältnisse im Plenum.”
(Rn. 17)
“Der Landesgesetzgeber hat zu dieser Frage keine näheren Vorgaben gemacht und insbesondere nicht das für die Kommunalwahlen geltende Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. Art. 35 Abs. 2 GLKrWG) verbindlich vorgeschrieben. Die kommunalen Gremien haben daher grundsätzlich die Auswahl unter den verschiedenen Berechnungsverfahren, die den aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und aus dem Gebot der Wahlgleichheit folgenden ungeschriebenen Anforderungen gerecht werden (BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.1159 - VGH n.F. 57, 49/51 = BayVBl 2004, 429 m.w.N.). Zu diesen verfassungsrechtlich zulässigen Verfahren gehört nach ständiger Rechtsprechung nicht nur das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt, sondern auch das Verfahren nach Hare-Niemeyer (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2004 a.a.O. Rn.16; VerfGH vom 10.6.1994, VerfGH 47, 154/156 = BayVBl. 1994, 656 m.w.N.), das im Vergleich zum Verfahren nach d`Hondt kleinere Parteien und Wählergruppen begünstigt, auch wenn es die Erfolgswertgleichheit nicht in exakt gleichem Maße erfüllt wie etwa das in neuerer Zeit vielfach verwendete Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2020 - 4 CE 20.2166 - juris Rn. 21).
Einen Anspruch auf Anwendung dieses aus Sicht der Klägerin vorzugswürdigen Verfahrens gibt es jedoch nicht. Der Kommunalgesetzgeber hat, nachdem sich mit keinem der Verfahren eine exakte Spiegelbildlichkeit der Sitzverteilung erreichen lässt, ebenso wie der Verfassungsgeber darauf verzichtet, die örtlichen Volksvertretungen auf die Wahl des jeweils "bestmöglichen" Verfahrens festzulegen (vgl. BayVGH, U.v. 8.5.2015 - 4 BV 15.201 - VGH n.F. 68, 112 Rn. 30 = BayVBl 2015, 712; VerfGH, E.v. 26.10.2009, a.a.O., 206; VerfGH RhPf, U.v. 23.1.2018 - VGH O 17/17 - NVwZ-RR 2018, 546 Rn. 71 m.w.N.; Lohner/Zieglmeier, BayVBl 2007, 481/487 f.; a. A. Schreiber, BayVBl 1996, 134 ff., 170 ff.).
Die kommunalen Vertretungskörperschaften sind daher frei, eines der zulässigen Berechnungsverfahren für die Ausschussbesetzung zu wählen. Die Beweggründe der Gemeinde- oder Stadtratsmitglieder sind grundsätzlich unerheblich. Maßgebend für die Wahl eines bestimmten Verfahrens können je nach Konstellation im Gremium grundsätzliche Erwägungen sein, wie etwa der Wunsch, die Mehrheit im Gemeinde- oder Stadtrat auch in den Ausschüssen, vor allem den beschließenden Ausschüssen abzubilden oder die Beteiligung möglichst vieler Parteien und Wählergruppen auch in den Ausschüssen anzustreben. Als legitim können aber auch eigennützige Gründe anzusehen sein, wie etwa die Wahl desjenigen Verfahrens, das der eigenen Partei oder Wählergruppe oder
(kommunal-)politisch nahestehenden Parteien oder Wählergruppen eine größere Zahl an Ausschusssitzen einbringt (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 15.12.2020 - 4 CE 20.2166 - juris Rn. 22).”
(Rn 21 ff.)
“Die Besetzung der Ausschüsse erfolgt nach Maßgabe des Stärkeverhältnisses der Fraktionen auf der Grundlage des Berechnungsverfahrens nach Hare-Niemeyer. Jede Fraktion der Bezirksversammlung kann beanspruchen, in jedem Ausschuss mit mindestens einem Sitz vertreten zu sein (Grundmandat). Die in § 15 Absatz 1 Satz 1 und § 16 Absatz 1 Sätze 1 und 3 genannten Höchstzahlen der Mitglieder können überschritten werden, sofern dies erforderlich ist, um die Mehrheitsverhältnisse der Bezirksversammlung in den Ausschüssen abzubilden.”
Die CDU-Stellungnahme erklärt die Vorschrift pauschal für anwendbar, ohne sich mit ihrem Inhalt überhaupt hinreichend konkret auseinanderzusetzen. So verweist § 17
BezVG insbesondere einmal auf das “Stärkeverhältnis der Fraktionen” (Satz 1), ein anderes Mal auf die “Mehrheitsverhältnisse der Bezirksversammlung" (Satz 3). Nur wenn es erforderlich ist, letztere abzubilden, darf die Grenze von 15 Ausschussmitgliedern überschritten werden. An dieser Stelle fehlt es aber an jeglicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Vorschriften in der Stellungnahme für die CDU, was ihre Berücksichtigung in der aktuellen Problemstellung erheblich erschwert.
“Würde man den letzten und 15. Sitz an die Grünen-Fraktion vergeben, so hätte die Koalition eine Mehrheit von 9 Sitzen gegenüber 6 Oppositionssitzen (60 % Mehrheit). Das entspricht nicht den Mehrheitsverhältnissen in der Bezirksversammlung, da die Koalition dort eine Mehrheit von 30 Sitzen gegenüber 27 Oppositionssitzen hat und damit eine Mehrheit von nur
rund 52 %.
Bei 16 Sitzen in den Ausschüssen und der dargestellten Besetzung ergibt sich wiederum ein Verhältnis von 9 Sitzen für die Koalition und 7 Sitzen für die Opposition, was dann einer Mehrheit von etwa 56 % entspricht und im Rahmen der unvermeidbaren Abweichungen immerhin den Mehrheitsverhältnissen in der Bezirksversammlung deutlich näher ist.” (Seite 11)
So richtig diese Überlegungen grundsätzlich mathematisch sind, so weist die Stellungnahme selbst schon darauf hin, dass
“es bei jedem bekannten Berechnungsverfahren zwangsläufig zu über- und Unterrepräsentationen kommen kann. Kein Wahlsystem kann die Spiegelbildlichkeit bei der Ausschussbesetzung in letzter Konsequenz herstellen.” (Seite 3)
Es dürfte schon zweifelhaft sein, dass der Gesetzgeber den Bezirksversammlungen die Möglichkeit einräumen wollte, die Grenze von 15 Mitgliedern zu überschreiten nur um die Spiegelbildlichkeit des Ausschusses (das Stärkeverhältnis) zu optimieren. Denkt man das Argument zu Ende, gäbe es auch nur eine Ausschussgröße, welche das Problem der Über- oder Unterrespräsentation bestmöglich löst, nämlich wenn die Mitgliedszahl der Ausschüsse derjenigen der Bezirksversammlung entspräche. „Ausschüsse“ mit 57 Mitgliedern wären nicht arbeitsfähig, es darf daher bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber mit § 17 I S. 3 BezVG gerade sicherstellen wollte, einen Patt auszuschließen.
Die Möglichkeit, dass zwei gleich starke Fraktionen eine unterschiedliche Anzahl Sitze zugewiesen bekommen, stellt in der Regel auch keine grobe Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse im Plenum dar, sondern ist eine zwingende Folge des gewählten Berechnungsverfahren, über welches der Bezirksversammlung eine Entscheidung gerade nicht zusteht.
“Die Novelle des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) im Jahre 2006 zielte insbesondere darauf ab, die demokratische Beteiligung der Bezirksversammlungen zu verbessern.
Die Bezirksversammlung kann gemäß § 16 BezVG zur Vorbereitung ihrer
Beschlüsse Ausschüsse mit jeweils höchstens 15 Mitgliedern einsetzen. Die Ausschüsse der Bezirksversammlung sollen die Zusammensetzung der Bezirksversammlung widerspiegeln, bestehende Koalitionen in der Bezirksversammlung sollen sich in den Mehrheitsverhältnissen abbilden und den (kleinen) Fraktionen steht in allen Ausschüssen
der Bezirksversammlung – mit Ausnahme des Jugendhilfeausschusses –
jeweils ein Grundmandat zu.” (Seite 1)
Die CDU-Stellungnahme nimmt zwar selbst mehrfach Bezug auf diese Drs. (S. 10.), unterschlägt hierbei aber gerade den entscheidenden Verweis auf ggf. bestehende Koalitionen in den Bezirksversammlungen, die sich in den Mehrheitsverhältnissen der Ausschüsse abbilden sollen.
Der Gesetzgeber wollte mit
“der Neufassung (...) die Möglichkeit der Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen Ausschussmitgliederhöchstgrenzen (klarstellen), sofern dies unter Berücksichtigung der Grundmandate zur Abbildung der Mehrheitsverhältnisse der Bezirksversammlung in den Ausschüssen erforderlich ist.“ (Drs. 21/19075, Seite 2, auch: Stellungnahme, S.10.)
Auch durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Grundmandate wird klargestellt, dass gerade nicht davon auszugehen ist, dass eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, die Stärkeverhältnisse zwischen den Fraktionen in BV und Ausschüssen zu optimieren und einen „Patt“ abzuwenden, sondern der Fall normiert werden sollte, dass eine Koalition oder Mehrheitsfraktion in der BV aufgrund einer Vielzahl von Grundmandaten in Ausschüssen dort keine Mehrheit mehr erlangen kann.
Wäre dies nicht der Fall, würden die Grenzen in § 15 I BezVG (“mit höchstens 15 Mitgliedern”) und § 16 I BezVG (“mit jeweils höchstens 15 Mitgliedern”) auch in der Praxis leerlaufen, da ein größerer Ausschuss immer das Stärkeverhältnis besser repräsentiert, als ein kleinerer Ausschuss und die Bezirksversammlung § 17 I S. 3 BezVG fast immer anwenden könnte. Da Fraktionen vor dem Hintergrund der in den Ausschüssen behandelten fach-, bzw. regionalspezifische Themen regelhaft davon Gebrauch machen würden, mehr als weniger Mitglieder in die Ausschüsse zu entsenden.
Ein fiktives Beispiel: Die Fraktion A (20 Mitglieder) und die Fraktion B (9 Mitglieder) bilden eine Koalition. Die Opposition stellen die Fraktionen C (3 Mitglieder), D (3), E (3), F (3), G (3), H (4), I (3), J (3) und K (3). Den Oppositionsfraktionen C, D, E, F, G, H, I, J und K stünde jeweils ein Grundmandat aus § 17 I S. 2 BezVG zu (9 Grundmandate). Um die Mehrheitsverhältnisse in der Bezirksversammlung abzubilden, würden nach § 17 I S. 3 BezVG den Fraktionen A und B nicht nur die verbleibenen 6 Mandate zustehen, sondern 4 weitere. Im Ausschuss hätte die Koalition mit 10:9 dann wieder eine Mehrheit.
In der hier vorliegenden Konstellation hat die aktuelle Koalition aus SPD und Grünen aber eine Mehrheit in der Bezirksversammlung und den 15er-Ausschüssen. Dies gilt unabhängig davon, ob bei einer Neuberechnung das 15. Mandat in den Ausschüssen an die CDU (5+3) oder die Grünen (5+4) fällt, demnach dürfte die Anwendung von § 17 I S.3 BezVG wohl gesperrt sein. Auch hiermit setzt sich die Stellungnahme für die CDU-Bezirksfraktion nicht auseinander.
Soweit die Stellungnahme in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass „eine Bestimmung durch die Bezirksversammlung im Angesicht des Wahlergebnisses und der Verteilung der Fraktionsmitglieder (...) grundsätzlich bedenklich“ wäre (Seite 8 der Stellungnahme), sei darauf verwiesen, dass die Geschäftsordnung der Hamburgischen Bügerschaft jedoch eine solche Regelung enthält (s.o. unter 3.). Auch mit dieser Vorschrift setzt sich die Stellungnahme nicht auseinander. Warum sollte eine solche Regelung für die Bezirksversammlung(en) bedenklich sein, für das Landesparlament aber nicht?
Die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in Berlin räumt den Bezirksverordnetenversammlungen im zudem „grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum“ bei „der Verteilung der Sitze in den Ausschüssen“ ein, die Bezirksverordnetenversammlungen sind bei der Verteilung der Sitze nach den Mehrheits- und Stärkeverhältnissen nicht an ein bestimmtes Berechnungsverfahren gebunden (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 02.02.2017 - 2 L 11.17).
ob und ggf. welche Bedenken und Grenzen bestehen, wenn die Bezirksversammlung diese Fragen in ihrer Geschäftsordnung regelt (vgl. § 8 II der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft).
keine Anlage/n