21-8190

Besetzung der Ausschüsse in der Bezirksversammlung Wandsbek Ersetzungsantrag der SPD-Fraktion (Bezug: Drs. 21-8187)

Antrag

Letzte Beratung: 18.12.2023 Hauptausschuss Ö 2.1.1

Sachverhalt

 

Durch den Zugewinn eines Mandats der Fraktion Die Grünen hat diese nunmehr 13 Mandate, wie auch die CDU-Fraktion. Vorausgegangen hatte die grüne Fraktion mehrere Mandate verloren. Erstmals konnten sich die Fraktionen der Bezirksversammlung nicht auf die notwendige Neuberechnung der Ausschusszusammensetzungen (§ 17 BezVG) verständigen. Nach Hare/Niemeyer stünden sowohl den Grünen als auch der CDU-Fraktion der letzte, 15. Sitz in den Ausschüssen zu.

 

Die Fraktion der Grünen beantragte, ihr den Sitz analog zur Zugriffsreihenfolge bei Ausschussvorsitzen zuzuschlagen. „Diese sieht vor, dass die Anzahl der Stimmen bei der letzten Wahl zur Bezirksversammlung ausschlaggebend für die Auflösung einer solchen Situation ist (Vgl. BezVwG §17(4)). Bei der letzten Wahl zur Bezirksversammlung in Wandsbek 2019 erhielt die CDU 207.652 Stimmen und die GRÜNEN 246.166 Stimmen“ (Drs. 21-8108.1)

 

Die CDU-Fraktion beantragte zuletzt in der Bezirksversammlung mit einer Tischvorlage am 14.12.2023 (Drs. 21-8187) die bisherigen 15er-Ausschüsse in 16er-Ausschlüsse umzuwandeln. Unter Verweis auf eine Stellungnahme der RAe Klemm + Partner trug sie vor, der § 17 I Satz 3 BezVG sei in diesem Fall zwingend anzuwenden. Diese Stellungnahme konnte nicht alle Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift ausräumen.

 

Zu einigen Fragen, welche die CDU-Fraktion und ihre Stellungnahme aufgeworfen haben, wird im Folgenden Stellung genommen.

 

  1. Der Ansatz, die Bezirksversammlung könne nur aufgrund einer expliziten gesetzlichen Vorschrift handeln, wird nicht geteilt. Wenn es sich bei den Bezirken auch nicht um Selbstverwaltungskörperschaften im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG handelt, sind die Bezirksversammlungen doch mehr als reine Verwaltungsausschüsse. Sie sind im Gegensatz zu den klassischen Verwaltungsausschüssen   durch das Volk direkt gewählte Organe der unmittelbaren Staatsverwaltung und üben ihrerseits selbst Staatsgewalt aus (vgl. zur Einordnung u.a. Art. 4 III HV, Art, 6 II HV,  § 108e III Nr. 2 StGB, BVerfG, Urteil vom 31.10.1990 - 2 BvF 3/89).

 

In Fragen der Selbstorganisation kann die Bezirksversammlung ihre Angelegenheiten im Übrigen selbst regeln, solange sie die Grenzen des Entscheidungsrechts nach § 21 BezVG beachtet. Es wäre eine Fehlannahme davon auszugehen, dass das Besetzungsverfahren von Ausschüssen zwingend abschließend durch Vorgaben des Landesgesetzgebers geregelt sein müsste.

 

Dass der Gesetzgeber nicht die Absicht hat, die Selbstorganisationsfragen der Bezirksversammlungen abschließend zu regeln, dokumentiert u.a. auch § 4 Hmb. AG SGB VIII, wonach die Bezirksversammlung frei ist, die Zusammensetzung des Jugendhilfeausschuss dergestalt zu regeln, dass das Stärkeverhältnis der Fraktionen in der Bezirksversammlung schlechter abgebildet wird, als in den klassischen 15er-Ausschüssen. Maßstab ist hierbei offenkundig nicht die exakte Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse, sondern ihre Arbeitsfähigkeit.

 

Auch durch § 12 II BezVG wird die Kompetenz der Bezirksversammlung, die Zusammensetzung ihrer Ausschüsse zu regeln nur insoweit beschränkt, dass hierbei die Grenzen nach § 21 BezVG zu beachten sind.

 

  1. Weder das hamburgische Landesrecht noch die Geschäftsordnungen der sieben Bezirksversammlungen enthalten konkrete Vorgaben, wie mit einem “Patt” bei der Berechnung nach Hare/Niemeyer umzugehen ist.

 

  1. Die Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft regelt in § 8, dass die Besetzung der bürgerschaftlichen Ämter und der Sitze in den Ausschüssen sowie die Besetzung anderer Ämter, für die die Bürgerschaft ein Wahlrecht hat, nach  Maßgabe des Stärkeverhältnisses auf der Grundlage des Berechnungsverfahrens nach Hare/Niemeyer erfolgt und stellt in Abs. 2 klar: 

 

Bei gleicher Fraktionsstärke ist für die Reihenfolge die Zahl der bei der letzten Wahl zur Bürgerschaft erzielten Wählerstimmen maßgebend.

 

  1. Die Rechtsprechung geht für die Legislative davon aus, dass sowohl das Abstellen auf das Wahlergebnis als auch das Losverfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.2009 - 8 C 17.08) zulässige Verfahren sind, um einen Patt bei der Berechnung der Ausschusssitze aufzulösen. Das Kommunalverfassungsrecht der Bundesländer legt hierbei teilweise nicht einmal das Berechnungsverfahren (in Hamburg zwingend: Hare/Niemeyer) fest, so dass Koalitionen der Weg eröffnet wird, auch über die Wahl eines anderen Verfahrens die Zusammensetzung der Ausschüsse zu verändern. Den kommunalen Gremien wird hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum zugestanden. Vgl. die von den Grünen zitierte Entscheidung Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.10.2021 - 4 ZB 21.1776):

 

Das Verwaltungsgericht weist in seinem Urteil (UA S. 28) zu Recht darauf hin, dass das Ziel einer effektiven, das Gemeinderatsgremium entlastenden Ausschussarbeit wesentliches Kriterium bei der Festlegung der Ausschussgröße sein soll. Die Mitgliederzahl eines Ausschusses darf lediglich nicht so gering bemessen werden, dass ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von einer Vertretung im Ausschuss ausgeschlossen wären, sodass der Ausschuss kein Spiegelbild der Zusammensetzung des Gemeinderats mehr darstellen würde. Denn Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO verlangt nicht die Festlegung einer im Sinne des Spiegelbildlichkeitsgebots optimierten Ausschussgröße, sondern verbietet lediglich grobe Verzerrungen der Stärkeverhältnisse im Plenum.”

 

(Rn. 17)

 

Der Landesgesetzgeber hat zu dieser Frage keine näheren Vorgaben gemacht und insbesondere nicht das für die Kommunalwahlen geltende Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. Art. 35 Abs. 2 GLKrWG) verbindlich vorgeschrieben. Die kommunalen Gremien haben daher grundsätzlich die Auswahl unter den verschiedenen Berechnungsverfahren, die den aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und aus dem Gebot der Wahlgleichheit folgenden ungeschriebenen Anforderungen gerecht werden (BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.1159 - VGH n.F. 57, 49/51 = BayVBl 2004, 429 m.w.N.). Zu diesen verfassungsrechtlich zulässigen Verfahren gehört nach ständiger Rechtsprechung nicht nur das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt, sondern auch das Verfahren nach Hare-Niemeyer (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2004 a.a.O. Rn.16; VerfGH vom 10.6.1994, VerfGH 47, 154/156 = BayVBl. 1994, 656 m.w.N.), das im Vergleich zum Verfahren nach d`Hondt kleinere Parteien und Wählergruppen begünstigt, auch wenn es die Erfolgswertgleichheit nicht in exakt gleichem Maße erfüllt wie etwa das in neuerer Zeit vielfach verwendete Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2020 - 4 CE 20.2166 - juris Rn. 21).

 

Einen Anspruch auf Anwendung dieses aus Sicht der Klägerin vorzugswürdigen Verfahrens gibt es jedoch nicht. Der Kommunalgesetzgeber hat, nachdem sich mit keinem der Verfahren eine exakte Spiegelbildlichkeit der Sitzverteilung erreichen lässt, ebenso wie der Verfassungsgeber darauf verzichtet, die örtlichen Volksvertretungen auf die Wahl des jeweils "bestmöglichen" Verfahrens festzulegen (vgl. BayVGH, U.v. 8.5.2015 - 4 BV 15.201 - VGH n.F. 68, 112 Rn. 30 = BayVBl 2015, 712; VerfGH, E.v. 26.10.2009, a.a.O., 206; VerfGH RhPf, U.v. 23.1.2018 - VGH O 17/17 - NVwZ-RR 2018, 546 Rn. 71 m.w.N.; Lohner/Zieglmeier, BayVBl 2007, 481/487 f.; a. A. Schreiber, BayVBl 1996, 134 ff., 170 ff.).

 

Die kommunalen Vertretungskörperschaften sind daher frei, eines der zulässigen Berechnungsverfahren für die Ausschussbesetzung zu wählen. Die Beweggründe der Gemeinde- oder Stadtratsmitglieder sind grundsätzlich unerheblich. Maßgebend für die Wahl eines bestimmten Verfahrens können je nach Konstellation im Gremium grundsätzliche Erwägungen sein, wie etwa der Wunsch, die Mehrheit im Gemeinde- oder Stadtrat auch in den Ausschüssen, vor allem den beschließenden Ausschüssen abzubilden oder die Beteiligung möglichst vieler Parteien und Wählergruppen auch in den Ausschüssen anzustreben. Als legitim können aber auch eigennützige Gründe anzusehen sein, wie etwa die Wahl desjenigen Verfahrens, das der eigenen Partei oder Wählergruppe oder

(kommunal-)politisch nahestehenden Parteien oder Wählergruppen eine größere Zahl an Ausschusssitzen einbringt (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 15.12.2020 - 4 CE 20.2166 - juris Rn. 22).”

 

(Rn 21 ff.)

 

  1. Zutreffend geht die Stellungnahme für die CDU-Bezirksfraktion davon aus, dass ein Rückgriff auf eine Analogie, wie im Antrag der Grünen (Drs. 21-8108.1) angeregt, etwa durch das Abstellen auf das Wahlergebnis oder ein Losverfahren, jedenfalls dann unzulässig wäre, wenn eine zwingende gesetzliche Vorschrift bestünde, die durch die Bezirksversammlung zwingend anzuwenden wäre.

 

  1. Die Stellungnahme der RAe Klemm + Partner für die CDU meint, in § 17 I Satz 3 BezVG eine solche Vorschrift, die direkt auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden sein soll, identifiziert zu haben. Sie lautet vollständig (Satz 3 hervorgehoben):

 

Die Besetzung der Ausschüsse erfolgt nach Maßgabe des Stärkeverhältnisses der Fraktionen auf der Grundlage des Berechnungsverfahrens nach Hare-Niemeyer. Jede Fraktion der Bezirksversammlung kann beanspruchen, in jedem Ausschuss mit mindestens einem Sitz vertreten zu sein (Grundmandat). Die in § 15 Absatz 1 Satz 1 und § 16 Absatz 1 Sätze 1 und 3 genannten Höchstzahlen der Mitglieder können überschritten werden, sofern dies erforderlich ist, um die Mehrheitsverhältnisse der Bezirksversammlung in den Ausschüssen abzubilden.”

 

Die CDU-Stellungnahme erklärt die Vorschrift pauschal für anwendbar, ohne sich mit ihrem Inhalt überhaupt hinreichend konkret auseinanderzusetzen. So verweist § 17

BezVG insbesondere einmal auf das “Stärkeverhältnis der Fraktionen (Satz 1), ein anderes Mal auf die “Mehrheitsverhältnisse der Bezirksversammlung" (Satz 3). Nur wenn es erforderlich ist, letztere abzubilden, darf die Grenze von 15 Ausschussmitgliedern überschritten werden. An dieser Stelle fehlt es aber an jeglicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Vorschriften in der Stellungnahme für die CDU, was ihre Berücksichtigung in der aktuellen Problemstellung erheblich erschwert.

 

  1. Die Stellungnahme geht davon aus, dass ein Fall des § 17 I S. 3 BezVG vorliegen solle, da eine Überschreitung der 15er-Grenze geboten sei, um die Mehrheitsverhältnisse in der Bezirksversammlung besser abzubilden und stellt hierfür mathematisch insoweit korrekt darauf ab, dass ein größerer Ausschuss die Zusammensetzung der Bezirksversammlung besser widerspiegeln würde, als ein kleiner Ausschuss.

 

rde man den letzten und 15. Sitz an die Grünen-Fraktion vergeben, so hätte die Koalition eine Mehrheit von 9 Sitzen gegenüber 6 Oppositionssitzen (60 % Mehrheit). Das entspricht nicht den Mehrheitsverhältnissen in der Bezirksversammlung, da die Koalition dort eine Mehrheit von 30 Sitzen gegenüber 27 Oppositionssitzen hat und damit eine Mehrheit von nur

rund 52 %.

Bei 16 Sitzen in den Ausschüssen und der dargestellten Besetzung ergibt sich wiederum ein Verhältnis von 9 Sitzen für die Koalition und 7 Sitzen für die Opposition, was dann einer Mehrheit von etwa 56 % entspricht und im Rahmen der unvermeidbaren Abweichungen immerhin den Mehrheitsverhältnissen in der Bezirksversammlung deutlich näher ist.” (Seite 11)

 

So richtig diese Überlegungen grundsätzlich mathematisch sind, so weist die Stellungnahme selbst schon darauf hin, dass

 

 es bei jedem bekannten Berechnungsverfahren zwangsläufig zu über- und Unterrepräsentationen kommen kann. Kein Wahlsystem kann die Spiegelbildlichkeit bei der Ausschussbesetzung in letzter Konsequenz herstellen.” (Seite 3)

 

Es dürfte schon zweifelhaft sein, dass der Gesetzgeber den Bezirksversammlungen die Möglichkeit einräumen wollte, die Grenze von 15 Mitgliedern zu überschreiten nur um die Spiegelbildlichkeit des Ausschusses (das Stärkeverhältnis) zu optimieren. Denkt man das Argument zu Ende, gäbe es auch nur eine Ausschussgröße, welche das Problem der Über- oder Unterrespräsentation bestmöglich löst, nämlich wenn die Mitgliedszahl der Ausschüsse derjenigen der Bezirksversammlung entspräche. „Ausschüsse“ mit 57 Mitgliedern wären nicht arbeitsfähig, es darf daher bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber mit § 17 I S. 3 BezVG gerade sicherstellen wollte, einen Patt auszuschließen.

 

Die Möglichkeit, dass zwei gleich starke Fraktionen eine unterschiedliche Anzahl Sitze zugewiesen bekommen, stellt in der Regel auch keine grobe Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse im Plenum dar, sondern ist eine zwingende Folge des gewählten Berechnungsverfahren, über welches der Bezirksversammlung eine Entscheidung gerade nicht zusteht.

 

  1. Der gemeinsame Bürgerschaftsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP vom 20.11.2019 (Bezirksverwaltungsgesetz den aktuellen Gegebenheiten in unseren Bezirksversammlungen anpassen, Drs. 21/19075) weist in der Begründung darauf hin:

 

Die Novelle des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) im Jahre 2006 zielte insbesondere darauf ab, die demokratische Beteiligung der Bezirksversammlungen zu verbessern.

Die Bezirksversammlung kann gemäß § 16 BezVG zur Vorbereitung ihrer

Beschlüsse Ausschüsse mit jeweils höchstens 15 Mitgliedern einsetzen. Die Ausschüsse der Bezirksversammlung sollen die Zusammensetzung der Bezirksversammlung widerspiegeln, bestehende Koalitionen in der Bezirksversammlung sollen sich in den Mehrheitsverhältnissen abbilden und den (kleinen) Fraktionen steht in allen Ausschüssen

der Bezirksversammlung mit Ausnahme des Jugendhilfeausschusses

jeweils ein Grundmandat zu. (Seite 1)

 

Die CDU-Stellungnahme nimmt zwar selbst mehrfach Bezug auf diese Drs. (S. 10.), unterschlägt hierbei aber gerade den entscheidenden Verweis auf ggf. bestehende Koalitionen in den Bezirksversammlungen, die sich in den Mehrheitsverhältnissen der Ausschüsse abbilden sollen.

 

Der Gesetzgeber wollte mit

 

der Neufassung (...) die Möglichkeit der Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen Ausschussmitgliederhöchstgrenzen (klarstellen), sofern dies unter Berücksichtigung der Grundmandate zur Abbildung der Mehrheitsverhältnisse der Bezirksversammlung in den Ausschüssen erforderlich ist.  (Drs. 21/19075, Seite 2, auch: Stellungnahme, S.10.)

 

Auch durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Grundmandate wird klargestellt, dass gerade nicht davon auszugehen ist, dass eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, die Stärkeverhältnisse zwischen den Fraktionen in BV und Ausschüssen zu optimieren und einen „Patt“ abzuwenden, sondern der Fall normiert werden sollte, dass eine Koalition oder Mehrheitsfraktion in der BV aufgrund einer Vielzahl von Grundmandaten in Ausschüssen dort keine Mehrheit mehr erlangen kann.

 

re dies nicht der Fall, würden die Grenzen in § 15 I BezVG (“mit höchstens 15 Mitgliedern”) und § 16 I BezVG (“mit jeweils höchstens 15 Mitgliedern”) auch in der Praxis leerlaufen, da ein größerer Ausschuss immer das Stärkeverhältnis besser repräsentiert, als ein kleinerer Ausschuss und die Bezirksversammlung § 17 I S. 3 BezVG fast immer anwenden könnte. Da Fraktionen vor dem Hintergrund der in den Ausschüssen behandelten fach-, bzw. regionalspezifische Themen regelhaft davon Gebrauch machen würden, mehr als weniger Mitglieder in die Ausschüsse zu entsenden.

 

Ein fiktives Beispiel: Die Fraktion A (20 Mitglieder) und die Fraktion B (9 Mitglieder) bilden eine Koalition. Die Opposition stellen die Fraktionen C (3 Mitglieder), D (3), E (3), F (3), G (3), H (4), I (3), J (3) und K (3). Den Oppositionsfraktionen C, D, E, F, G, H, I, J und K stünde jeweils ein Grundmandat aus § 17 I S. 2 BezVG zu (9 Grundmandate). Um die Mehrheitsverhältnisse in der Bezirksversammlung abzubilden, würden nach § 17 I S. 3 BezVG den Fraktionen A und B nicht nur die verbleibenen 6 Mandate zustehen, sondern 4 weitere. Im Ausschuss hätte die Koalition mit 10:9 dann wieder eine Mehrheit.

 

In der hier vorliegenden Konstellation hat die aktuelle Koalition aus SPD und Grünen aber eine Mehrheit in der Bezirksversammlung und den 15er-Ausschüssen. Dies gilt unabhängig davon, ob bei einer Neuberechnung das 15. Mandat in den Ausschüssen an die CDU (5+3) oder die Grünen (5+4) fällt, demnach dürfte die Anwendung von § 17 I S.3 BezVG wohl gesperrt sein. Auch hiermit setzt sich die Stellungnahme für die CDU-Bezirksfraktion nicht auseinander.

 

  1. Die Stellungnahme übersieht offenkundig, dass der Verfassungsgerichtshof Berlin am 19.10.1992 (36/92) entschieden hat, dass für den Fall, dass die Anwendung des Berechnungsverfahrens zu einer Patt-Situation in der Bezirksverordnetenver-sammlung führt, zu dessen Auflösung zur Gewährleistung der Chancengleichheit der Parteien allein das Losverfahren zulässig sei und nicht statt des sog. Höchstzahlverfahren nach d'Hondt auch das Verfahren Hare-Niemeyer anzuwenden sei, wie das OVG im Verfahren vorher festgestellt hatte (OVG Berlin, 1992-06-24, 8 S 195.92, OVGE BE 20, 71).  Orientierungssatz: „4a. Führt die Anwendung des Berechnungsverfahrens zu einer Patt- Situation, so ist zu dessen Auflösung zur Gewährleistung der Chancengleichheit der Parteien allein das Losverfahren zulässig (VerfGH Berlin, 1992-10-19, 24/92, LVerfGE, 1, 9).“ Aufgrund der Regelung in § 17 BezVG (nur Hare/Niemeyer) ist die Entscheidung auch nicht 1:1 auf Hamburg übertragbar.

 

Soweit die Stellungnahme in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass „eine Bestimmung durch die Bezirksversammlung im Angesicht des Wahlergebnisses und der Verteilung der Fraktionsmitglieder (...) grundsätzlich bedenklich“re (Seite 8 der Stellungnahme), sei darauf verwiesen, dass die Geschäftsordnung der Hamburgischen Bügerschaft jedoch eine solche Regelung enthält (s.o. unter 3.). Auch mit dieser Vorschrift setzt sich die Stellungnahme nicht auseinander. Warum sollte eine solche Regelung für die Bezirksversammlung(en) bedenklich sein, für das Landesparlament aber nicht?

 

Die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in Berlin räumt den Bezirksverordnetenversammlungen im zudem „grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum bei „der Verteilung der Sitze in den Ausschüssen ein, die Bezirksverordnetenversammlungen sind bei der Verteilung der Sitze nach den Mehrheits- und Stärkeverhältnissen nicht an ein bestimmtes Berechnungsverfahren gebunden (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 02.02.2017 - 2 L 11.17).

 

  1. Die Ausführungen der Stellungnahme zur Geschäftsordnung der Bezirksversammlung unterschlagen, dass deren Regelungen unter Berücksichtigung der o.g. Einschränkungen grundsätzlich der Kompetenz der Bezirksversammlung unterliegen. Sie kann die Geschäftsordnung jederzeit ändern oder im Einzefall auch durchbrechen (vgl. Änderungsantrag der Grünen zur Drs. 21-8159).

 

  1. Die SPD-Fraktion bedauert, dass es nicht zu Gesprächen zwischen den Fraktionen von Grünen und CDU gekommen ist, um einen gemeinsamen Lösungsvorschlag zu erarbeiten, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass die Fraktionen der Grünen solche Gespräche angeboten hat, diese Angebote aber offenkundig wochenlang unbeantwortet blieben.

 

  1. Vorschläge aus den Fraktionen von Grünen, Linken und SPD zur Durchführung eines Losverfahrens wurden durch die CDU-Fraktion mehrfach abgelehnt.

 

  1. Mit Verwunderung wurde der CDU-Vorschlag an dem nunmehr aber offensichtlich nicht mehr festgehalten wird zur Kenntnis genommen, die SPD möge einen Ausschusssitz an die Grünen “abtreten”, ebenso Behauptungen aus der CDU, das mögliche Verfahren zur Auflösung des Patts “undemokratisch” seien, falls sie zu einem Verlust eines CDU-Sitzes führen würden.

 

  1. Der CDU-Vorschlag, über § 17 I Satz 3 BezVG die Ausschussgröße zu erhöhen, um den Grünen einen zusätzlichen Sitz einzuräumen, der nicht bei der CDU verloren ginge, stellt grundsätzlich einen pragmatischen Ansatz dar, die Problemstellung zu lösen. Er bedürfte aber einer rechtlichen  Prüfung, da die vorgelegte Stellungnahme schon im Ansatz nicht geeignet ist, die Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift zu beseitigen. Zum jetzigen Zeitpunkt kommt ihre Anwendung daher noch nicht in Frage.

 

  1. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung und der Vorschriften, welche sich die Hamburgische Bürgerschaft selbst gegeben hat, hält die SPD weiterhin das Abstellen auf das Wahlergebnis als auch das Losverfahren für möglich.

 

  1. Die SPD-Fraktion steht einer künftigen Regelung über den Einzelfall hinaus offen gegenüber.

 

 

 

Petitum/Beschluss

 

  1.    Bis auf weiteres findet § 17 I Satz 3 BezVG keine Anwendung auf die Berechnung von Ausschussgrößen, solange in der Bezirksversammlung Wandsbek eine Koalition aus zwei Fraktionen mit jeweils 17 und 13 Mandaten besteht und sich deren dortige Mehrheit nach Hare/Niemeyer unter Berücksichtigung der Grundmandate in Ausschüssen mit 15 Mitgliedern abbilden lassen.

 

  1.    Soweit eine Neuberechnung durchzuführen ist, ist der Vorschlag der Grünen, auch analog der einschlägigen Vorschriften in der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft, auf das Wahlergebnis abzustellen, nicht zu beanstanden. Die Anwendbarkeit von § 17 I S. 3 BezVG auf die vorliegende Konstellation soll rechtlich geprüft werden. Dies führt ggf. zum Erfordernis einer weiteren Neuberechnung.

 

 

  1.    Die Bezirksaufsichtsbehörde wird hierzu ersucht, zu prüfen und jeweils unter Bezugnahme auf die von den Fraktionen vorgetragenen Argumente zu begründen,

 

  1.    ob die Anwendung § 17 I Satz 3 BezVG mithin der Vergrößerung der Ausschüsse über 15 Mitglieder hinaus in der vorliegenden Konstellation zwingend, in das Ermessen der Bezirksversammlung gestellt oder ausgeschlossen ist;

 

  1.   ob im Falle der Anwendung des § 17 I Satz 3 BezVG Ausschüsse mit 16 oder 17 Mitgliedern zu bilden wären;

 

  1.    welcher Entscheidungsspielraum den Bezirksversammlung in Bezug auf die Berechnung von Ausschussgrößen zusteht und welche Vorschriften bei der Auflösung eines „Patts zu berücksichtigen sind;

 

ob und ggf. welche Bedenken und Grenzen bestehen, wenn die Bezirksversammlung diese Fragen in ihrer Geschäftsordnung regelt (vgl. § 8 II der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft).

 

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