21-0569.01

Stellungnahme zum gemeinsamen Antrag SPD - GRÜNE betr. Kulturelle Teilhabe barrierefrei gestalten

Antwort / Stellungnahme des Bezirksamtes

Letzte Beratung: 08.02.2021 Ausschuss für Soziales, Integration, Gesundheit und Inklusion Ö 2

Sachverhalt


Bei einer Vielzahl von kulturellen Veranstaltungen im Bezirk ist die Barrierefreiheit nur eingeschränkt gegeben. Trotz aller Bemühungen der Organisatoren gelingt es nicht immer, den Zugang für alle Harburgerinnen und Harburger zu gewährleisten. Oft sind es nur wenige Zentimeter, die den Zugang verwehren und die Kosten, diese zu überbrücken, sind für die Organisatoren zu hoch.

 

Gerade bei Veranstaltungen, die nur gelegentlich und für einen kurzen Zeitraum geplant sind, ist der Aufwand im Verhältnis sehr groß. Dennoch darf dies kein Grund sein, Harburgerinnen und Harburger davon auszuschließen.

 

Eine Lösung kann darin bestehen, dass eine mobile Rampe oder ein mobiler Rollstuhllift zentral vorgehalten wird und von den Organisatoren ausgeliehen werden kann. Dabei ist zu bedenken, dass Rampen wegen der maximal zulässigen Steigung nur für begrenzte Höhenunterschiede Verwendung finden können. Mit zwei Längen (einschließlich der Bewegungsflächen erreicht man eine Gesamtlänge von 16,50 m) sind maximal 72 cm Höhenunterschied zu überwinden. Deshalb wird empfohlen bei einem Höhenunterschied von über 1,0 m die Rampen durch einen Aufzug zu ersetzen.

 

Eine mobile Alternative wäre ein Rollstuhllift, in der Art, wie diese auch an Bahnhöfen eingesetzt werden. Diese können entweder mittels eines Feststromanschlusses oder über Akku (mit begrenzter Hubzahl) betrieben werden.

 

Zunächst sollte jedoch - möglichst in Verbindung mit der Behinderten Arbeitsgemeinschaft Harburg - geprüft werden, welche Alternativen zur Verfügung stehen, mit welchen Kosten dies verbunden wäre und welche Institution für die Verwaltung und Vergabe der mobilen Lösung sinnvollerweise in Betracht kommt.

Petitum/Beschluss


Die Verwaltung wird gebeten zu prüfen, welche Möglichkeiten zur Überbrückung von Höhenbarrieren mittels mobiler Lösungen für Veranstaltungen im Bezirk möglich sind, mit welchen Kosten dieses verbunden ist und wie und von wem ein 'Verleihsystem' für Veranstalter organisiert werden kann. Dies soll in Abstimmung mit der Behinderten Arbeitsgemeinschaft Harburg erfolgen.

 

Über das Ergebnis ist im Ausschuss für Soziales, Integration, Gesundheit und Inklusion zu berichten. Der Ausschuss für Kultur ist von diesem Tagesordnungspunkt in Kenntnis zu setzen.

 

 

 

 

FREIE UND HANSESTADT HAMBURG

Bezirksamt Harburg

 

 

        29.01.2021

 

 

Das Bezirksamt Harburg nimmt zu dem gemeinsamen Antrag der SPD- und Grüne-Fraktion (Drs. 21-0569) wie folgt Stellung:

 

 

Das Bezirksamt Harburg teilt zur obigen Drucksache mit:

  • Gemäß Rücksprache mit der Behinderten-Arbeitsgemeinschaft (BAG) Harburg sind die Voraussetzungen und die jeweiligen Barrieren sehr unterschiedlich. Er werden daher stets individuelle Lösungen benötigt.
  • Außerdem sind die Bedarfe jeder einzelnen Person verschieden.
  • (Kulturelle) Veranstaltungen können an ganz unterschiedlichen Orten in Harburg stattfinden, sowohl auf öffentlichen Plätzen als auch in Kultureinrichtungen oder in anderen angemieteten Räumlichkeiten. So sind die Bedingungen am Veranstaltungsort bzw. die dortigen Barrieren verschieden (viele kleine Stufen, wenige lange Stufen, weicher Untergrund, weitere Barrieren in engen, verwinkelten Räumlichkeiten etc.) und zudem abhängig davon, wo Höhen-Barrieren überbrückt werden müssen (Eingangsbereich, Zuschauerraum, Toilettenanlagen, Bartresen, Garderobe, auf und hinter der Bühne etc.).

Hier bedarf es also ebenfalls individueller Lösungen zur Überwindung bzw. Reduzierung der jeweiligen baulichen Barrieren bzw. Höhenunterschiede, insbesondere da die Steigung der Hilfe jeweils nur maximal 6 % betragen darf (gemäß DIN 18040, wenn kein Quergefälle vorhanden ist).

  • Die Notwendigkeit individueller Lösungen zeigt auch die Nachfrage bei den dauerhaft geförderten Stadtteilkulturzentren in Harburg. Bei „Alles wird schön“ in Heimfeld sowie bei der KulturWerkstatt Harburg im Binnenhafen gibt es jeweils einen Höhenunterschied zu überwinden, um in die Einrichtungsräume zu kommen. Bei „Alles wird schön“ handelt es sich um eine kleine Stufe vom Bürgersteig aus in das Gebäude sowie um Treppen in den Räumlichkeiten, um zur Toilette oder in die Küche zu kommen. Bei der KulturWerkstatt kommt zu einer ähnlichen Stufe vor dem Haus noch ein Treppenhaus, welches überwunden werden muss.
  • Bei Rampen unterscheidet man grundsätzlich zwei Typen, die Flächen- und die Schienenrampen. Beide gibt es zur festen Installation und als mobile Varianten, die man klappen, falten und/oder ausziehen kann. Eine Flächenrampe besteht aus einer durchgehenden Fläche, ist in der Regel breit sowie stabil und ermöglicht Rollstuhlfahrer:innen und Nutzer:innen von Rollatoren ein komfortables Hinauf- und Hinunterfahren. Bei einer Schienenrampe muss der Abstand zweier schmaler Schienen genau dem der Rollstuhlräder entsprechen und ggf. für jede Nutzung angepasst werden. Schienenrampen sind günstiger als Flächenrampen. Für Rollatoren und für manche Elektrorollstühle sind Schienenrampen nicht nutzbar. Das exakte Platzieren ist zudem nicht ganz einfach, dafür sind Rollstuhlrampen deutlich leichter, sodass sie einfacher transportiert und platziert werden können. Der Kauf von Rollstuhlschienenrampen kostet bei den recherchierten Anbietern ca. 150 bis 650 Euro und von mobilen Flächenrampen ca. 500 bis 1.500 Euro. Darüber hinaus können Plattformlifts (ähnlich eines Treppenlifts) oder Hebebühnen (überwinden den Höhenunterschied senkrecht) zum Einsatz kommen. Diese kosten deutlich mehr, wobei der genaue Preis von vielen Faktoren abhängt (Belastbarkeit, Außen-/Inneneinsatz, Höhe, die überwunden werden soll, Art des Antriebs etc.). Die Kosten betragen in etwa zwischen 9.000 und 25.000 Euro (Richtwerte).

Selbst wenn der Kaufpreis einer Schiene oder Rampe, um sie zentral zu vermieten noch überschaubar scheint, gibt es eine sehr große Vielzahl an verschiedenen Varianten (Breiten, Längen, Ausstattungsmerkmalen, verwendeten Materialien, Varianten mit verschiedenen Steigungswinkeln), sodass hier auf die jeweilige Situation vor Ort geschaut und dafür jeweils die richtige Lösung gefunden, angeschafft und gelagert werden müsste.

  • Die BAG selbst sieht sich nicht in der Lage, ein Verleihsystem für mobile Unterstützungssysteme zu tragen. Für die geförderten Einrichtungen sind Lagerung und Koordination eines Verleihs aus Sicht des Bezirksamtes ebenfalls kaum umzusetzen, insbesondere nicht vor dem Hintergrund der vorhandenen Raum- und Personalressourcen sowie sehr begrenzter Transportkapazitäten. Zu klären wäre hier auch die Haftungsfrage bei nicht fachgerechtem Aufbau und unsachgemäßer Nutzung.
  • Freie Anbieter von mietbaren Rampen, Schienen, Liften und Hebebühen für Rollstühle sind vorhanden und bieten verschiedene mietbare Unterstützungseinrichtungen zur Überwindung von Höhenbarrieren an. Ob diese in Hamburg verfügbar sind, muss im konkreten Fall geklärt werden. Die Mietzeiträume können frei gewählt werden (täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich). Die Preise hängen sehr von den Hilfesystemen (Schiene, Rampe, Lift, Länge, Breite, Material, Ausstattung, Qualität), deren Ausstattung sowie dem Mietzeitraum ab.

 

Fazit:

Unter Berücksichtigung der obigen Punkte ist nach Einschätzung des Bezirksamtes ein bezirkliches Verleihsystem von Hilfesystemen für Veranstaltungen und zur Überwindung von Höhen­unterschieden für Menschen mit Einschränkungen der Mobilität, das den erwarteten Bedarfen gerecht werden kann, nicht sinnvoll bzw. nicht ohne erheblichen Aufwand (insbesondere bei der konkreten Bedarfsplanung, Anschaffung, Lagerung, Wartung, Transport, Einsatzkoordination, Versicherung, Abrechnung) einzurichten.

 

Vorschläge für mögliche alternative Lösungen könnten sein:

  • Veranstalter beantragen mit ihrem Antrag auf Gestaltungs- oder Stadtteilkulturmittel jeweils zusätzliche Mittel, um Hilfsmittel für Menschen zur Verfügung zu stellen, die diese bedürfen.
    • Vorteil: Die Veranstalter:innen können individuell Hilfsmittel einsetzen und finanzieren.
    • Nachteil: Ein Überblick über jährliche Gesamtbedarfe für den Bezirk fällt schwerer. Jede:r Veranstalter:in müsste sich eine eigene Übersicht über vorhandene Hilfsmittel erarbeiten. Anträge kommen unter Umständen nur von Antragstellenden, die ohnehin einen Antrag auf Finanzierung einer Veranstaltung stellen. Vorlaufzeiten für solche Anträge sind lang. Auf kurzfristige Bedarfe kann nur begrenzt reagiert werden.
  • Ein investiver bezirklicher „Aktionsfonds“ zur Reduzierung baulicher Barrieren für die wichtigsten Harburger Veranstaltungsstätten wird eingerichtet, über den gezielt der Abbau von Barrieren vor Ort gefördert wird.
    • Vorteil: Barrieren würden dauerhaft vor Ort reduziert bzw. abgebaut, unabhängig vom Veranstaltungsformat. Die Wichtigkeit des Themas Inklusion und Abbau von baulichen Barrieren könnte auf diese Weise besonders hervorgehoben werden.
    • Nachteil: Vergleichsweise hoher Planungsaufwand. Unklarheit über Verantwortlicheit für diesen Prozess. Eine Priorisierung und Fördervoraussetzungen müssten formuliert, zudem müssten die Finanzierungsquellen dieses Aktionsfonds festgelegt werden. Barrieren können nur schrittweise reduziert werden.
  • Die Bezirksversammlung Harburg stellt einer Harburger Einrichtung, die dazu bereit ist, ein festes jährliches Budget zur Verfügung, aus dem zentral für (kulturelle) Veranstaltungen Unterstützungsleistungen für Menschen mit entsprechenden Bedarfen finanziert werden können. Dies könnte ähnlich des ehemaligen Modells der „Rechtsberatung für Kulturschaffende“ installiert werden. Zudem könnte ein derartiges bezirkliches Budget für weitere Unterstützungsleistungen (Gebärdendolmetschende, simultane Übersetzungen in Leichte Sprache oder Blindenleitsysteme etc.) verwendet werden, um möglichst vielen Menschen die Teilhabe an (kulturellen) Veranstaltungen im Bezirk Harburg zu ermöglichen.
    • Vorteil: Die Veranstalter:innen können individuelle Hilfsmittel einsetzen und finanzieren. Die das Budget verwaltende Einrichtung könnte bei der Auswahl der Hilfeleistungen unterstützen. Es entsteht ein Überblick über die Gesamtbedarfe im Bezirk. .
    • Nachteil: Eine Einrichtung müsste gefunden werden, die diese Zusatzaufgabe (Verwaltung des Budgets und ggf. kleine Beratung) durchführt und müsste den Verwaltungsaufwand (pro Fall) erstattet bekommen. Geklärt werden müsste zudem, welche Art der Veranstaltungen aus diesem zentralen Budgets Unterstützungs­leistungen finanzieren dürfen. Denn die Frage der barrierearmen Veranstaltungs­durchführung stellen sich nicht nur bei Kulturveranstaltungen.

 

 

Petitum

Um Kenntnisnahme und Beratung wird gebeten.

 

 

Dr. Jobmann

 

 

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