21-2063.01

Stellungnahme zum gemeinsamen Antrag der GRÜNE-und SPD-Fraktion betr. Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr im Zentrum Neugrabens: Tempo 30 für die Neugrabener Bahnhofstraße

Antwort/Stellungnahme gem. § 27 BezVG

Letzte Beratung: 14.06.2022 Hauptausschuss Ö 1.3

Sachverhalt

Die Neugrabener Bahnhofstraße ist als Verbindung vom S-Bahnhof Neugraben zum Stadtteilzentrum und zu den südlichen Quartieren eine wichtige Relation in Nord-Süd-Richtung im Ortskern Neugrabens. Zudem bindet sie die zentrumsnahen Quartiere an die bereits in vielen Teilen fertiggestellte Veloroute 10 an, perspektivisch auch an den Radschnellweg nach Stade oder Finkenwerder.

 

Durch die Geschäftsbetriebe zu beiden Seiten der Neugrabener Bahnhofstraße und die Nähe zur Fußgängerzone und dem Neugrabener Markt sind hier regelmäßig viele Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Auto unterwegs. Die vergleichsweise schmalen Radwege verlaufen zwischen Parkstreifen und Fußweg bzw. den Außenflächen der Geschäfte, sodass es hier häufig zu Konflikten zwischen Rad- und Fußverkehr kommt. Radfahrende fahren daher teils auf den nicht benutzungspflichten Radwegen, teils auf der Straße, wo bei Tempo 50 jedoch eine hohe Geschwindigkeitsdifferenz gegeben ist.

 

Durch die Anordnung von Tempo 30 könnte diese Geschwindigkeitsdifferenz gesenkt und damit die Sicherheit für Radfahrende auf der Straße erhöht werden. Dies käme auch Fußgänger*innen und Kund*innen der anliegenden Geschäfte zugute, da gerade zügiger fahrende Radfahrer*innen vermehrt auf der Straße fahren würden, was die Aufenthaltsqualität auf den Nebenflächen erhöhen würde.

 

Im nördlichen Bereich der Neugrabener Bahnhofstraße und an der Kreuzung mit der B73 sollten zudem einige Verbesserungen für Radfahrende vorgenommen werden.

Petitum/Beschluss


 

Die Bezirksamtsleiterin wird gebeten, in Abstimmung mit der Straßenverkehrsbehörde,
 

1.     sich für eine Tempo-30-Anordnung auf der Neugrabener Bahnhofstraße einzusetzen,
 

2.     am nördlichen Ende der Neugrabener Bahnhofstraße eine Aufstellfläche für Radfahrende vor der Haltelinie für Kfz einzurichten (analog der Umsetzung in der Straße Zum Dubben an der Kreuzung zur Waltershofer Straße),
 

3.     am nördlichen Ende der Neugrabener Bahnhofstraße außerdem einen Anschluss an den Radweg an der Cuxhavener Straße und eine Aufleitung auf ebendiesen Radweg einzurichten (analog der Umsetzung in der Straße Im Fischbeker Heidbrook an den Kreuzungen zur Cuxhavener Straße); um die benötigte Fläche dafür zu gewinnen, könnten die drei Kfz-Streifen auf zwei reduziert werden, etwa, indem man Rechtsabbieger und Geradeausfahrspur zusammenlegt,
 

4.     im Rahmen dieser Maßnahmen auch die Errichtung der bereits im Antrag 21-0233 aus dem Oktober 2019 geforderten Fußgängerampel am östlichen Kreuzungsarm vorzunehmen.

 

 

 

 

BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG    

Der Vorsitzende        

  31.05.2022

 

 

Die Behörde für Inneres und Sport nimmt zu dem Antrag  unter Beteiligung der örtlichen Straßenverkehrsbehörde des Polizeikommissariats (PK) 47 wie folgt Stellung:

 

 

  1. Lage/Ausgangssituation

Die Neugrabener Bahnhofstraße ist die Haupterschließungs- und Durchgangsstraße für das Zentrum Neugraben. Sie verbindet die nördlich gelegene Cuxhavener Straße (B 73) mit den südlich gelegenen Wohnbebauungen und weiter mit dem Naturschutzgebiet Fischbeker Heide. Sie erstreckt sich in Nord-Südausrichtung, im Süden beginnend ab der Einmündung Heidblick, im Norden über die Cuxhavener Straße hinaus als verkehrsberuhigter Bereich (Verkehrszeichen (VZ) 325.1 StVO) bis hin zur Straße Neugrabener Bahnhof mit ZOB/S-Bahnhof Neugraben.

Die gesamte Straße ist als Vorfahrtsstraße mit VZ 306 StVO bis zum Knoten Cuxhavener Straße eingerichtet. Die Straßen, die zwischen Heidblick und Petershof aus den Wohngebieten darauf zu laufen, sind mit VZ 274.1 StVO als Tempo-30- Zone ausgewiesen. Zwischen der Straße Petershof und der Cuxhavener Straße liegt das eigentliche Neugrabener Zentrum mit Kundenzentrum Süderelbe, Hallenbad und Bücherei, Wochenmarkt mit Marktpassage als Fußgängerzone sowie dem Einkaufszentrum Süderelbe und Übergang/Geschäftspassage über die Cuxhavener Straße zum S-Bahnhof auf der Nordseite.

Direkt an der Straße befinden sich zahlreiche Geschäfte des täglichen Bedarfs, Banken, Ärzte sowie weitere Dienstleister, aber auch Geschäfte mit Außengastronomie sowie kleinere Betriebe/Firmen mit eigenen Parkmöglichkeiten in der hinteren Bebauung. Die östliche Seite ist zusätzlich gekennzeichnet von Mehrfamilienhausbebauung und ebenfalls Zufahrten zu privaten Parkplätzen.

Fußgängerüberwege (FGÜ) befinden sich mittig zwischen den einmündenden Straßen Petershof und Scheideholzweg sowie auf Höhe des Süderelbeweges aus der Fußgängerzone herauskommend zur Anbindung an die Wohnhäuser auf der Ostseite. Auf dieser Höhe befinden sich auch die beiden am Fahrbahnrand angelegten Bushaltestellen „Neugrabener Markt“, die von den Linien 240 und 250 bedient werden.

In diesem Bereich befinden sich beidseitig zahlreiche bewirtschaftete Parkbuchten zum Längsparken im Seitenstreifen.

Ab der Einmündung Petershof in Richtung Norden gesehen sind ein normgerechter Gehweg und ein mit 0,9 m untermaßiger, in Rotklinker ausgeführter nicht benutzungspflichtiger Radweg angelegt. Mit Beginn der durch VZ 237 etwa 30 m vor dem Kreuzungsbereich zur Cuxhavener Straße angeordneten Benutzungspflicht für Radfahrer verjüngt sich die Breite auf 0,8 m. Als Aufleitung dient die Zufahrt zum Parkplatz der Michaeliskirche unmittelbar vor dem VZ 237.  Das VZ 590 (Blockumfahrung zur Radverkehrsführung) zeigt dem in Richtung Norden querungswilligen Radfahrer oder Fußgänger hier an, dass er, um seinen Weg in Richtung Süderelbebogen fortsetzen zu können, den Kreuzungsbereich erst in Richtung Westen, dann in Richtung Norden und dann in Richtung Osten jeweils über die Lichtsignalanlage (LSA) passieren muss. Eine direkte Querungsmöglichkeit ist auf der Ostseite des Knotens Cuxhavener Straße/Neugrabener Bahnhofstraße für zu Fuß Gehenden oder Radfahrende nicht vorhanden. Diese Verkehrsführung findet wenig bis keine Akzeptanz und verleitet ortskundige Radfahrende dazu, dass von vornherein regelwidrig der westliche Radweg genutzt wird.

Ab dem Knoten Cuxhavener Straße in Richtung Süden verlaufen auf der Westseite Geh- und Radweg erst parallel nebeneinander, trennen sich jedoch dann auf Höhe des aus der Fußgängerzone führenden Süderelbeweges. Als optische Trennung sind Buschwerk, Bäume oder Blumentröge gepflanzt bzw. aufgestellt. Der Gehweg verbreitert sich dann bis zur Einmündung Scheideholzweg und wird in Teilen im Rahmen von Sondernutzungen für Außengastronomie oder Verkaufsständer der ansässigen Geschäfte genutzt. Der Radweg ist mit 1,0 m untermaßig.

 

  1. Bewertung

zu 1.

Die Anordnung von Tempo 30-Zonen soll nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu § 45 Absatz 1 bis 1e XI. auf der Grundlage einer flächenhaften Verkehrsplanung der Gemeinde vorgenommen werden, in deren Rahmen zugleich das innerörtliche Vorfahrtstraßennetz (Zeichen 306) festgelegt werden soll. Gleichzeitig werden Straßen benannt, die eine Anordnung einer Tempo 30-Zone ausschließen. Die Anordnung von Zeichen 274.1 wird durch die grundsätzliche Vorfahrtregel „rechts vor links“, das ausnahmslose Fehlen von mit Lichtzeichen geregelten Kreuzungen und Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) und Leitlinien (Zeichen 340) sowie benutzungspflichtigen Radverkehrsanlagen im Sinne einer „Einheit zwischen Bau und Betrieb“ (Prinzip der selbsterklärenden Straße) unterstützt. Die Zonenanordnung darf sich zudem weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs noch auf weitere Vorfahrtstraßen (VZ 306) erstrecken. Da es sich bei der Neugrabener Bahnhofstraße um eine durch VZ 306 geregelte Vorfahrstraße handelt, ist das Einrichten einer Tempo-30-Zone nach der VwV-StVO nicht möglich.

Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) entscheidet unter verkehrspolitisch konzeptionellen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung einer flächenhaften Verkehrsplanung über die Einrichtung von Tempo-30-Zonen in Hamburg nach Maßgabe bezirklicher Vorschläge. Die Umsetzung der positiv bewerteten Vorschläge gehört zu den regulären Aufgaben der Bezirksämter.

Gemäß § 45 Absatz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder den Verkehr umleiten. Diese Ermächtigung wird durch § 45 Absatz 9 StVO dahingehend eingeschränkt, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verkehrsverhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der im § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

Eine Unfallauswertung der letzten drei Jahre (01.01.2019-31.12.2021) ergab in Bezug auf Verkehrsunfällen zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrenden oder zu Fuß Gehenden im Fließverkehr ein unauffälliges Unfalllagebild. Auch sonst sind keine Gefahrenlagen erkennbar, die das allgemeine Risiko übersteigt.

Das vielfach geäußerte Ansinnen, das Sicherheitsempfinden für Radfahrende und die Akzeptanz zur Nutzung der Fahrbahn zusätzlich durch Geschwindigkeitsbeschränkungen zu unterstützen, wenn kein Radweg, kein Schutzstreifen und kein Radfahrstreifen vorhanden sind, lässt außer Acht, dass das Radfahren auf der Straße bei Tempo 50 als nach § 3 Absatz 3 StVO „unter günstigsten Umständen zulässige Höchstgeschwindigkeit“ gesetzlich der Normalfall ist. Würde man der Argumentation folgen, müsste Tempo 30 auch auf sehr vielen anderen Straßen in Hamburg angeordnet werden.

Dem unsicheren Radfahrenden steht es zudem frei, den nicht benutzungspflichtigen Radweg in der Neugrabener Bahnhofsstraße zu nutzen.

Die Anordnung von einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsreduzierung auf 30km/h ist in Ermangelung einer Rechtsgrundlage nicht möglich.

 

zu 2.-4.

Die in den Punkten 2 bis 4 angefragten Umgestaltungen liegen im Zuständigkeitsbereich des Straßenbaulastträgers.  Sie setzen einen baulichen Eingriff in den Straßenraum voraus und gehen mit neu zu konfigurierenden Lichtzeichenanlagen (LZA)-Schaltphasen einher.

Diese Maßnahmen setzen Verkehrsingenieursleistungen und Verkehrsraumplanungen des Landesbetrieb Straßen Brücken und Gewässer (LSBG) voraus.

Eine Prüfung der VD 5 kann erst erfolgen, wenn entsprechende Unterlagen zu den geplanten Maßnahmen vorliegen.

Prinzipielle Ablehnungsgründe der Punkte 2 bis 4 des Petitums werden bislang aus hiesiger Sicht nicht gesehen.

 

 

  1. Fazit

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Einrichtung einer Tempo-30-Zone liegt bei der BVM. Jedoch dürfen sich Tempo-30-Zonen nicht auf Vorfahrtsstraßen erstrecken.

Für die Anordnung einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 in der Neugrabener Bahnhofstraße fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Der Umbau des Knotens Neugrabener Bahnhofstraße/ Süderelbebogen/ Cuxhavener Straße mit mehr Raum für Radfahrende und einer östlichen Querungsmöglichkeit durch Errichtung einer LSA wird durch die Straßenverkehrsbehörde begrüßt und unterstützt.

Nach Inaugenscheinnahme vertritt VD 5 die Auffassung, dass der Knoten nicht mehr den heutigen Standards entspricht und sich die Verkehrsströme in den letzten Jahren stark verändert haben.  VD 5 wird die Empfehlung einer Überplanung an den hierfür zuständigen Landesbetrieb für Straßen Brücken und Gewässer (LSBG) weiterleiten. Eine Anpassung ist an verschiedene Prüfungskriterien gebunden und wird im Falle einer Befürwortung durch den LSBG einige Zeit in Anspruch nehmen.

 

 

 

Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende nimmt zu dem Antrag wie folgt Stellung:

 

Zu 2. – 4.:

Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) stimmt der Stellungnahme der zentralen Straßenverkehrsbehörde Verkehrsdirektion (VD) 5 sowie der beteiligten örtlichen Straßenverkehrsbehörde des Polizeikommissariats (PK) 47 zu den Punkten 2. bis 4. zu: Die angefragten Umgestaltungen setzen zwingend einen baulichen Eingriff (u.a. Mittelinsel; Fahrstreifen) sowie die umfassende Neuplanung der Lichtsignalsteuerung voraus.

Für die vorgeschlagenen Änderungen sind Abstimmungen der betroffenen Straßenbaulastträger (Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, LSBG und Bezirksamt Harburg) über die erforderlichen Anpassungen, Verkehrsführungen und grundsätzliche Themen erforderlich.

In Abhängigkeit der Straßenplanung, Prioritäten und Kapazitäten ist hierbei abzustimmen, ob ein externes Ingenieurbüro oder der LSBG die Neuplanung der Lichtsignalsteuerung übernehmen kann.

 

 

 

gez. Heimath

 

 

 

f.d.R.

Riechers

 

 

 

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