20-4573.01

Stellungnahme zum Dringlichkeitsantrag CDU betr. Gleichbehandlung von Bauanträgen bei Baumbewuchs im Bezirk Harburg

Antwort / Stellungnahme des Bezirksamtes

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10.04.2019
Sachverhalt

In jüngster Vergangenheit drängt sich der Eindruck auf, dass mit zweierlei Maß Anträge von Bauwilligen entschieden werden, wenn dabei Baumbewuchs zu berücksichtigen ist.

 

Bei dem Bauvorhaben „Haanbalken“ zum Beispiel werden drei stadtbildprägende heimische Laubbäume mit einem Stammdurchmesser von bis zu 70 cm entfernt, die am Rand des Baufeldes (also am Fußweg) und in den Grundstücksecken stehen.

 

Dem Sportverein HSC hingegen wurde in der Scharfschen Schlucht aufgrund von drei ähnlich großen Bäumen, die dort weichen müssten, die Genehmigung versagt, einen Kindergarten zu bauen.

 

 

 

 

Petitum/Beschluss

Beschluss:

Die Bezirksversammlung beschließt:

Die Bezirksverwaltung möge im nächsten Hauptausschuss erklären, wie viele Bauanträge exemplarisch allein 2018 abgelehnt worden sind, weil dort Bäume im Baufeld stehen.

Gleichzeitig soll berichtet werden, wie viele Bauvorhaben trotz Baumbestand, der dafür entfernt werden musste, genehmigt worden sind. Weiter soll erklärt werden, nach welchen einheitlichen Kriterien im Hinblick auf Baumfällungen Baugenehmigungen erteilt werden oder auch nicht.

 

Hamburg, am 24.02.2019

  

Ralf-Dieter Fischer                                                 Rainer Bliefernicht

Fraktionsvorsitzender                                             Martin Hoschützky

 

 

 

 

 

 

 

 

FREIE UND HANSESTADT HAMBURG

Bezirksamt Harburg

 

 

         04.04.2019

 

 

Das Bezirksamt Harburg nimmt zu dem Antrag der CDU Fraktion (Drs. 20-4573) wie folgt Stellung:

 

 Die Verwaltung prüft bei Bauvorhaben,  für die Befreiungen vom Planrecht nach § 31 BauGB beantragt wurden, im pflichtgemäßen Ermessen und jeweils im Einzelfall die Vereinbarkeit der Bebauung mit den öffentlichen Belangen. Sind durch Bauvorhaben Baumstandorte betroffen, prüft die Verwaltung die Vereinbarkeit mit den Anforderungen an den Baumschutz nach der Hamburger BaumschutzVO.

Bauherren und Antragsteller haben dabei ein Recht auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung.  Bei der Ermessensentscheidung ist dabei das Recht des Bauherrn auf eine Baugenehmigung mit dem Ziel des Erhalts des Baumbestandes gegeneinander abzuwägen. Die Entscheidung wird unter Würdigung des Planrecht, der Art und des Zustandes des nach der  Hamburger BaumschutzVO geschützten Baumbestandes sowie der stadträumlichen Gesamtsituation getroffen. Grundsätzlich wird Baurecht durch vorhandenen Baumbestand nicht verwehrt. Jedoch gilt der Grundsatz, dass die Belastung eines Grundeigentümers durch das Gebot, einen Baum zu erhalten nur dann unzumutbar sein kann, wenn aufgrund des Vorhandenseins des Baumes die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit seines Grundstücks wesentlich eingeschränkt oder sogar entzogen ist. (s. VG Hamburg, Urteil vom 16. Oktober 2017  7 K 4333/15 ).

Solange dies nicht der Fall ist bleibt Raum für zumutbare Anpassungen, wie Verkleinerungen oder Verschiebungen der Baukörper, um Fällungen zu vermeiden. Das Erfordernis der Einzelfallprüfung bringt es - auch unter Würdigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit sich, dass nur die Sachverhalte gleich behandelt werden dürfen, die auch gleich sind.

So verhält es sich bei den im Antrag erwähnten Wohnbauvorhaben im Haanbalken 9-11 und dem Neubau der Kindertageseinrichtung in der Scharfschen Schlucht  jedoch nicht. Sowohl das Planrecht, die Art und Qualität des Baumbestandes und auch die stadträumliche Situation stellen sich unterschiedlich dar.

 

Das Wohnbauvorhaben, Haanbalken 9-11 ist eine Nachverdichtungsmaßnahme in einem Wohngebiet. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Marmstorf 5, der für den Bereich eine Straßenverkehrsfläche mit der Nutzungsbestimmung „Parkplatz“ festsetzt. Im übrigen Gebiet sieht der Plan überwiegend eine Wohnbebauung in offener, 1-geschossiger Bauweise  vor.

In der Vergangenheit wurde die Fläche zunehmend als „Abstellfläche für Wohnmobile“ genutzt. Für die festgesetzte Nutzung als „Parkplatz“ gab es keinen Bedarf mehr. Fällungen auf dem ursprünglich als Parkplatz genutzten Grundstück waren für die Bebauung und die Erschließung einer Feuerwehrzufahrt notwendig. Dabei handelte es sich ursprünglich um Straßenbäume, die im städtischen Zusammenhang in Pflanzscheiben der Gliederung der Parkplatzfläche dienten und mit dieser auch ihre stadtgestalterische  Funktion verloren hatten.

r das Bauvorhaben wurden insgesamt 3 von der Hamburger Baumschutzverordnung geschützte Bäume zur Fällung freigegeben. Von diesen Bäumen mit Stammdurchmessern von 42 bis 51 cm sind vom Baumsachverständigen 2 als erhaltenswürdig eingestuft worden. Es handelt sich bei diesen Bäumen um nicht heimische, schnellwüchsige Rot-Eichen sowie eine Sumpf- Eiche. Die Verwaltung hatte bereits in den Vorgesprächen deutlich gemacht, dass das Vorhaben so zu planen ist, dass 3 weitere heimische und von der Baumschutzverordnung geschützte Bäume - davon eine Stiel-Eiche - erhalten werden können. In die Baugenehmigung sind als Ersatz für die Fällung von 3 Bäumen Auflagen zur Pflanzung von 7 heimischen Ersatzbäumen sowie 105 Meter heimischer Laubhecke aufgenommen worden. Die Pflanzungen sind nach Freifchenplan so vorzusehen, dass sie das Straßenbild beleben und aufwerten. Durch den Erhalt dreier Bäume sowie die Neupflanzung von 7 Bäumen wird gewährleistet, dass sich das Bauvorhaben in die Bebauungsstruktur einfügt und das Straßen- und Stadtbild mit Vorgärten, Bäumen und Hecken begrünt wird. Mit der Aufhebung der Parkplatzanlage werden Entsiegelungsmaßnahmen möglich. Ein ökologischer Ausgleich kann zusätzlich durch die geforderte Dachbegrünung und die Ersatzpflanzungen erreicht werden.

Die neue stadträumliche Funktion rechtfertigt auch eine Anpassung der Freiflächenkonzeption, da die Anforderungen an einen Straßenraum auch hinsichtlich der Freiraumgestaltung andere sind, als die Anforderungen an ein Wohnumfeld.

 

Das Bauvorhaben Kindertagesstätte in der Scharfschen Schlucht 1 liegt im Gültigkeitsbereich des B- Plan Sinstorf 15 / Marmstorf 27 in einem Baufeld, in dem nur Tennishallen sowie für diese Nutzung notwendige Nebenräume zugelassen sind. Die Nutzung als Kindertagesstätte stellt eine Befreiung vom Planrecht nach § 31 BauGB dar.

r das Bauvorhaben wurde zuerst eine Variante erörtert, die für den östlichen Anbau an die bestehende Tennishalle bei einer Bruttogeschossfläche vom 870 qm nur eine Fläche von 330 qm pädagogischer Fläche vorsah, jedoch die Fällung dreier Stieleichen sowie einer Kiefer notwendig gemacht hätte. Alle 4 Bäume sind heimisch, in vitalem und erhaltenswertem Zustand und mit Stammdurchmessern von 40 bis 55 cm nach Hamburger Baumschutzverordnung geschützt. Die Eichen sind als Gruppe gewachsen und nehmen eine wichtige ortsbildprägende Funktion ein. Durch Optimierung der Gebäudeplanung insbesondere hinsichtlich der Erschließung und durch den Verzicht auf den Erhalt der Kiefer konnte ein Baukörper entwickelt werden, der so weit außerhalb der den Schutzräume der Eichen liegt, dass diese erhalten werden können.

Die geplante Bebauung grenzt unmittelbar an einen Grünzug, der mit durchgehendem Großbaumbestand von jeglicher Bebauung freizuhalten ist. Der übergeordnete Grünzug stellt eine Landschafts- und Grünachse mit wesentlicher Bedeutung für den Natur- und Landschaftshaushalt dar. Die Qualität des Baumbestandes sowie die bemerkenswerte topographische Ausbildung der Schlucht wurden als erhaltenswert eingestuft. Die Eichengruppe muss in diesem Zusammenhang als Teil des übergeordneten Freiraumverbundes bewertet werden und bekommt damit einen hohen Stellenwert.

Im Übrigen wurde zwischen Bezirksamt und  Bauherrn inzwischen Konsens über eine dem Baumbestand angepasste Planung erzielt.

 

 

gez. Fredenhagen