Stellungnahme zum Antrag SPD betr. Mitnahme von Elektromobilen im ÖPNV
Elektromobile (auch E-Scooter, Elektro-Scooter oder Seniorenmobil) sind kleine, zweispurige, offene und elektrisch angetriebene Leichtfahrzeuge, die nur eine Fahrzeugführerin oder einen Fahrzeugführer (zuzüglich einer geringen Menge Gepäck, z. B. Einkäufe) befördern können. Diese werden überwiegend von mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt.
Die Mitnahme von im öffentlichen Personennahverkehr ist kompliziert. Es müssen Anforderungen an die Fahrzeuge und die Nutzerinnen und Nutzer erfüllt sein, um eine reibungslose Mitnahme zu gewährleisten. Die Elektromobile müssen z. B. 4-rädrig sein, nicht länger als 1,2 m, insgesamt (incl. Mensch) nicht mehr als 300 kg schwer sein und zudem spezielle Bremssysteme haben sowie eine Steigung von 12 % überwinden können. Ein Aufkleber am Elektromobil zeigt diese ÖPNV-Tauglichkeit an. In den Schnellbahnen im hvv ist dann die Mitnahme relativ problemlos möglich.
In den Bussen müssen allerdings z. B. genug Platz sowie Rückhalte- bzw. Sicherheitseinrichtungen vorhanden sein. Entsprechende Aufkleber an den Türen oder vorn neben dem Nummernschild zeigt die Elektromobil-Tauglichkeit an. Die Nutzerinnen und Nutzer von Elektromobilen müssen z. B. vor- und rückwärts in einen Busfahren können.
Dies ist offensichtlich nicht allen Beteiligten bekannt. So beschweren sich Nutzerinnen und Nutzer, dass sie nicht mitgenommen werden, weil das Fahrpersonal die entsprechenden Nachweise nicht anerkennt. Das Fahrpersonal hat aber auch grundsätzlich das letzte Wort bei der Elektromobil-Mitnahme. Sie kann z. B. verweigert werden, wenn kaum noch Platz vorhanden ist oder der Platz bereits von einem anderen Elektromobil belegt ist.
Ein Blick auf die Informationsseite der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (https://www.hvv.de/de/service/fragen-und-antworten/scooter) verdeutlicht, wie komplex die Anforderungen sind. Auf Fähren ist es möglich, aber nicht in Cranz, Neuenfelde und Steinwerder. In den Schnellbahnen des HVV prinzipiell ja, in Regionalbahnen gelten die Regeln des jeweiligen Verkehrsunternehmens. Im Bus ja, aber nur bei Vorliegen eines Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen G (gehbehindert) oder alternativ des Belegs, dass die Krankenkasse die Kosten für das Elektromobil übernommen hat. Die Vielzahl der Einschränkungen und Voraussetzungen trägt nur bedingt zur Aufklärung bei und ist für viele Betroffene kaum zu durchdringen.
Der Bericht im Ausschuss soll auch der öffentlichen Aufklärung dienen.
Das vorsitzende Mitglied der Bezirksversammlung wird gebeten, Vertreter des hvv, und der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, sowie der Behinderten AG in den Ausschuss für Mobilität und Inneres einzuladen, um u.a. zu berichten, wie die Bestimmungen dazu lauten und welchen Hintergrund sie haben sie, welche Verfügbarkeit der Busse mit entsprechenden Voraussetzungen in Harburg gegeben sind.
Auch ist zu berichten, wie oft und auf welche Art das Fahrpersonal zu diesem Thema bei der S-Bahn, HHA und KVG geschult wird und wie Fahrgäste mit Elektromobilen über die Gemengelage zur Mitnahme im ÖPNV informiert werden.
BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG
Der Vorsitzende 04.10.2023
Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) beantwortet den Antrag der SPD-Fraktion (Drs. 21-2571) wie folgt:
Zum Hintergrund
Elektromobile (diese werden synonym auch als E-Scooter, Elektro-Scooter oder Seniorenmobil bezeichnet, meinen aber das Gleiche) sind kleine, zweispurige, zumeist drei- oder vierrädrige, offene und elektrisch angetriebene Leichtfahrzeuge, die nur eine Fahrzeugführerin oder einen Fahrzeugführer zuzüglich einer geringen Menge Gepäck, z. B. Einkäufe befördern können. Diese werden überwiegend von mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt. Sie sind in der Regel mit einem Aufsitz ausgestattet.
Nicht darunter fallen in den folgenden Ausführungen die ebenfalls häufig als „E-Scooter“ bezeichneten einspurigen Tretroller mit E-Antrieb (bspw. von den Marken lime, tier oder voi), welche seit dem 24.08.2023 durch die Hamburger Hochbahn AG (HHA) aus Sicherheitsgründen in den U-Bahnzügen von der Mitnahme ausgeschlossen worden sind.
Gutachten (u. a. der Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen – STUVA – e.V.) haben nachgewiesen, dass Elektromobile in Linienbussen in bestimmten Situationen durch Kippen oder Rutschen eine Gefahr darstellen können. Diese Gefahr wurde in Fahrtests der DEKRA nochmals bestätigt. Im Vergleich zu herkömmlichen Elektrorollstühlen - also auch solche mit Versicherungskennzeichen - sind Elektromobile deutlich anders konstruiert. Sie verfügen z. B. über eine direkte Lenkung. Dadurch sind sie tendenziell länger, schwerer, weniger gut manövrierfähig und haben mit aufsitzender Person i. d. R. auch einen höheren Schwerpunkt und sind damit wesentlich kippanfälliger.
Seit März 2017 gibt es einen bundesweiten Erlass zur sicheren Mitnahme von Elektromobilen in Bussen. Alle Bundesländer haben vereinbart, die dort enthaltenen Regelungen anzuwenden, so auch Hamburg.
Mitnahmevoraussetzungen
Seither können Elektromobile mitgenommen werden, wenn der oder die Nutzende einen Schwerbehindertenausweis besitzt, in dem das Merkmal "G" eingetragen ist oder alternativ den Beleg vorweisen kann, dass die Krankenkasse die Kosten des Elektromobils übernommen hat. Das Elektromobil muss vom Hersteller für die Mitnahme in einem Bus des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zugelassen sein. Hierfür müssen die Elektromobile v. a. folgende Kriterien erfüllen:
- Die maximale Gesamtlänge beträgt 120 cm (keine zusätzlichen Anbauten).
- Samt aufsitzender Person wird das Gesamtgewicht von 300 kg nicht überschritten.
- Das Elektromobil ist vierrädrig und mit einem verlässlichen Bremssystem (z. B. Feststellbremse) gesichert, welches die Standsicherheit gewährleisten soll.
- Das Elektromobil weist ausreichend Bodenfreiheit für die Rückwärtseinfahrt in den Bus auf.
Erst dann erhält das Elektromobil einen entsprechenden Hinweis des Herstellers in der Bedienungsanleitung und ist mit einer entsprechenden bundeseinheitlichen blauen Plakette gekennzeichnet. Die Bedienungsanleitung kann dem Fahr- und Prüfpersonal vorgezeigt werden. Grundsätzlich gilt jedoch, dass das Fahrpersonal selbst in Abhängigkeit der jeweils konkreten Situation vor Ort (Besetzungsgrad des Fahrzeugs, Nutzung der Mehrzweckfläche durch andere Mobilitätshilfen oder Kinderwagen, Sicherheit Dritter etc.) über eine Mitnahme entscheidet. So kann es auch vorkommen, dass die Mitnahme trotz Zulassung abgelehnt wird.
Die Busse, die einen normgerechten Rollstuhl-Aufstellplatz gemäß UN/ECE-Regelung haben (Rückhalte- und Sicherheitseinrichtungen auf drei Seiten) und E-Scooter mitnehmen können, werden ebenfalls mit einem blauen Piktogramm gekennzeichnet. Die Busse der Hamburger Hochbahn AG auf den drei Betriebshöfen im Süderelberaum (rund 206 Fahrzeuge) sind baulich alle für die Elektromobil-Mitnahme geeignet. Bei der KVG Stade GmbH & Co. KG ist nahezu die gesamte Busflotte entsprechend ausgerüstet. Lediglich einige Altfahrzeuge sowie teilweise von Subunternehmen eingesetzte Busse (ca. 10 %) haben keine entsprechenden Vorrichtungen.
Die Mitnahme von Elektromobilen in den Schnellbahnen der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (hvv) ist möglich. Für die Mitnahme von Elektromobilen in den Regionalbahnen gelten die unternehmensspezifischen Regelungen.
Die Mitnahme von Elektromobilen auf den Fähren im hvv ist dort möglich, wo die Anleger barrierefrei gestaltet sind. Auf den Fähr-Linien 75 und Cranz – Blankenese ist die Mitnahme von Rollstühlen und Elektromobilen leider grundsätzlich nicht möglich, da die Anleger Steinwerder, Cranz und Neuenfelde nur über Treppen zu erreichen sind. Hier ist somit auch kein barrierefreier Zustieg zu den Fähren möglich.
Kommunikation und Schulungen
Zur Einführung der neuen Regelung im Jahre 2017 wurde mit den Verkehrsunternehmen vereinbart, das Fahrpersonal zum Unterschied E-Scooter/Elektro-Scooter/E-Rollstuhl zu sensibilisieren. Es wurden entsprechende Informationen und Anweisungen für das Fahrpersonal erstellt und verteilt. Die Mitnahmeregelungen für Elektromobile sind zudem ein Schulungs-Bestandteil im Rahmen der Fortbildung nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz, welches die Busfahrer:innen alle fünf Jahre durchlaufen müssen.
Die o. g. Regelungen zur Mitnahme von Elektromobilen sowohl in den Bussen als auch in den Bahnen und auf den HADAG-Fähren werden auf der Internetseite des hvv kommuniziert (hvv - Scooter). Im Flyer „Barrierefrei unterwegs“ sind ebenfalls alle relevanten Voraussetzungen für die Mitnahme in Bussen enthalten (hvv Flyer: Barrierefrei unterwegs). Ferner werden für das sichere Ein- und Aussteigen sowie das korrekte Aufstellen im Bus von der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e. V. individuelle Schulungen angeboten (siehe hvv Flyer: Barrierefrei unterwegs). Die Angebote sind kostenlos und richten sich an alle Fahrgäste mit Mobilitätshilfen.
Ausschussteilnahme von Referent:innen
Aufgrund der voranstehenden ausführlichen Erläuterungen zur Mitnahme von Elektromobilen im ÖPNV wird von einer Entsendung von Referent:innen in den Ausschuss für Mobilität und Inneres abgesehen.
Gez. Heimath
F.d.R. Martens