Stellungnahme zum Antrag SPD betr. Entfernungsabhängiges Tarifmodell des HVV anpassen
Das Tarifmodell des Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) ist grundlegend entfernungsabhängig aufgebaut. Für gleichlange Reiseweiten ist grundsätzlich derselbe Fahrpreis zu zahlen.
Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, erweist sich jedoch bei genauerer Betrachtung als nicht sinnvoll. So profitieren Bewohnerinnen und Bewohner von zentralen und infrastrukturell gut versorgten Regionen wie die City (A-Zentrum) und auch die Bezirkszentren (B1-Zentrum) von günstigen Tarifen über die Tarife Kurzstrecke oder Nahbereich. Dadurch werden ihnen Anreize gegeben, vom ökologisch sinnvollerem Fuß- oder Radverkehr auf den ÖPNV umzusteigen.
Andererseits werden in den Randlagen, wo die Wege zu den B1-Zentren länger sind, höhere Tarife abgerechnet. So ist die Strecke von Neugraben zum Bezirkszentrum Harburg im Gültigkeitsbereich des City-Tickets und somit im Preis deutlich höher. Auch das führt wiederum zu einem 'Ausstieg' aus dem ÖPNV und vermehrten Nutzung privater Kraftfahrzeuge. Auch dies ist ein ökologisch nicht gewünschter Effekt. Es erfolgt von beiden Seiten eine Verschiebung des Verkehrsmittelsplits (also der anteiligen Verteilung der genutzten Verkehrsmittel) zu Gunsten ökologisch schlechterer Verkehrsmittel.
Gerade auf mittlere Distanzen, wie zum Beispiel der Fahrt zwischen Neugraben (11 Minuten) und Harburg, wird die Fahrt von den Fahrgästen subjektiv im Nahbereich verortet. Dass hier eine Entfernung oberhalb der Tarifweite von 9 km vorliegt spielt für die Erreichbarkeit des nächstgelegenen Bezirkszentrums eine untergeordnete Rolle.
Die alleinige Orientierung an Entfernungen ist weder ökologisch, noch sozial sinnvoll und sollte um weitere Kriterien ergänzt werden.
Die Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (als Genehmigungsbehörde) und den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg aufzufordern, ein Tarifmodell zu entwickeln, welches sich nicht primär auf Entfernungsabhängigkeit stützt. Das Modell soll die Lebensrealität der Bewohnerinnen und Bewohner Hamburgs aufgreifen und ebenso ökologische Faktoren einbeziehen, um den Verkehrsmittelsplit vom Individualverkehr zum ÖPNV aber auch vom ÖPNV zum Rad- und Fußverkehr zu fördern. Die Erreichbarkeit des nächstgelegenen Bezirkszentrum im Tarif Nahbereich soll gewährleistet sein.
Bezirksversammlung Harburg 19.12.2018
Die Vorsitzende
Die Behörde für Wirtschaf, Verkehr und Innovation nimmt zu dem Antrag der SPD Drs. 20-4203 wie folgt Stellung:
Eine Abkehr von der sich auf Entfernungsabhängigkeiten stützenden, bestehenden Tarifstruktur ist nicht vorgesehen. Das HVV-Tarifmodell berücksichtigt bereits mehrere angesprochene Faktoren. So ist es u.a. nicht nur wirtschaftlich sondern auch ökologisch sinnvoll, wenn ein Preis sich an Entfernungen orientiert. Denn längere Strecken bedeuten auch einen höheren Ressourcenverbrauch.
Die Entscheidung für eine Tarifstruktur bedeutet immer auch einen Ausgleich im Hinblick auf unterschiedliche Positionen. Hierzu gehören die Verständlichkeit des Systems auf der einen Seite und die möglichst genaue Abbildung von Reiseweiten auf der anderen Seite. Das HVV-Tarifmodell bildet vor diesem Hintergrund ein ausdifferenziertes System.
Bei der Entscheidung der Fahrgäste für den Öffentlichen Personennahverkehr ist die Preishöhe nicht der einzige Faktorallein maßgeblich. Auch Faktoren wie z. B. die HVV-Angebotsqualität und das Fahrplanangebot beeinflussen die Entscheidung der Fahrgäste.
gez. Rajski
f.d.R.
Riechers