21-3259.01

Stellungnahme zum Antrag der GRÜNE Fraktion betr. Ausbreitung von Infektionskrankheiten aufgrund des Klimawandels, wachsende Gesundheitsgefahren auch bei uns?

Antwort/Stellungnahme gem. § 27 BezVG

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
20.02.2024
Sachverhalt

Auswirkungen des Klimawandels stellen auch eine direkte Gesundheitsbedrohung für die europäische Bevölkerung dar und sind für zahlreiche Todesfälle und Krankheiten verantwortlich. Diese Belastung dürfte ohne weitere Maßnahmen gegen den Klimawandel und zur Emissionsminderung noch zunehmen. Auch durch das Klima beeinflussbare Infektionskrankheiten stellen eine neue Gefahr dar, sie werden sich weiter nach Norden ausbreiten und eine höhere Krankheitsbelastung auch bei uns verursachen. Der Bericht "Klimawandel und Gesundheit" des RKI zeigt, dass Mücken, Zecken, Viren und Bakterien sich durch die Erderwärmung in Deutschland besser ausbreiten, vermehren oder sogar neu heimisch werden. Das Auftreten und die Übertragung von Infektionskrankheiten wie Malaria, Denguefieber oder West-Nil-Fieber werden begünstigt, die asiatische Tigermücke als Virenüberträger oder sogenannte Hyalomma-Zecken als Bakterienüberträger können neu bei uns heimisch werden.

Etwa zwei Drittel der in Europa vorkommenden Erreger von Infektionskrankheiten gelten als klimasensibel. Vermehrte Hitzewellen oder Überflutungen begünstigen ihre Entwicklung und Ausbreitung. Ein Beispiel dafür sind die Hanta-Viren und Vibrionen, Bakterien, die sich in wärmerem Wasser stark vermehren.

Eine wirksame Überwachung von Erregern und Krankheitsfällen, die Durchführung von gut organisierten und wirksamen Aktionsplänen und Maßnahmen und nicht zuletzt eine gute und sachliche Information der Bürger:innen kann das Risiko einer Übertragung der Krankheiten verringern oder vermeiden.

 

 

Petitum/Beschluss

Die Bezirksversammlung möge beschließen:

Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, Vertreter:innen der Gesundheitsbehörde und des bezirklichen Gesundheitsamtes in den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz (KUV) einzuladen. Sie sollen berichten über:

  • aktuelle und potenzielle Ausbreitungen von Infektionsgefahren durch den Klimawandel vor Ort
  • Strategien und Aktionspläne für die Entwicklung von Frühwarn- und Reaktionssystemen gegen neue Infektionsgefahren
  • wirksame und sachliche Informationsstrukturen und mögliche Kampagnen zur Schaffung von Prävention und Transparenz für die Bürger:innen

 

 

BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG 

DER VORSITZENDE

         30. Januar 2024

           

 

Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zu dem Antrag der GRÜNE-Fraktion (Drs. 21-3259) wie folgt Stellung:

 

Ad 1)

Durch den Klimawandel besteht die Gefahr der Ausbreitung von einheimischen sowie neuen, insbesondere tropischen Infektionskrankheiten. Dazu gehören z.B. mit Vektoren (Stechmücken, Zecken etc.) und Nagetieren assoziierte Erkrankungen, wasserbürtige Infektionen und Intoxikationen (z.B. durch Nicht-Cholera-Vibrionen, Legionellen, Cyanobakterien) und lebensmittelassoziierte Infektionen und Intoxikationen (u.a. mit Salmonellen und mit Campylobacter).

 

Vektorübertragene Erkrankungen:

  • West-Nil-Virus
  • Dengue-Virus, Chikungunya-Virus oder Zika-Virus
  • Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Lyme-Borreliose
  • Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Virus und R. aeschlimannii (Bakterium der Fleckfieber-Gruppe)

 

Das West-Nil-Virus wird durch einheimische Stechmücken, z.B. Culex pipiens übertragen und tritt beim Menschen bislang in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg auf (erstmaliger Nachweis in Stechmücken und bei Pferden 2018, beim Menschen 2019), in HH wurde es bei einigen Vögeln und 2022 bei einem Pferd, jedoch noch nicht beim Menschen nachgewiesen.

 

Dengue-Virus, Chikungungya-Virus oder Zika-Virus werden v.a. durch Aedes albopictus (die asiatische Tigermücke) übertragen. Die asiatische Tigermücke hat sich in Deutschland vor allem im Rheingraben in Baden-Württemberg, aber auch in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und in Berlin etabliert. In Hamburg wurde sie bislang noch nicht festgestellt, auch hat es bislang keine in Deutschland erworbenen Infektionen mit Dengue-Virus, Chikungunya-Virus oder Zika-Virus gegeben.

 

FSME und Borrelien werden durch einheimische Zecken, z.B. den Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) übertragen. Das größte Risiko für FSME-Infektionen besteht v.a. in Süddeutschland. Sie breiten sich in Richtung Norden und Osten aus; es sind bereits in fast allen Bundesländern autochthone Fälle aufgetreten. In Hamburg sind bislang keine Fälle beschrieben. Infektionen mit Borrelien kommen in allen Bundesländern vor.

 

Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Virus und R. aeschlimannii (Bakterium der Fleckfieber-Gruppe) können durch sogenannte „Tropen“-Zecken (z.B. Hyalomma-Arten) übertragen werden. Hyalomma-Zecken wurden seit den sehr warmen Jahren 2018 und 2019 in mindestens 12 von 16 Bundesländern nachgewiesen, u.a. auch in Schleswig-Holstein; Krim-Kongo Hämorrhagisches-Fieber-Virus wurde in Zecken in Deutschland noch nicht entdeckt, R. aeschlimannnii wurde in eingeschleppten Zecken bereits nachgewiesen.

 

Mit Nagetieren assoziierte Erkrankungen:

Auf Grund des Klimawandels kann es zu einer Zunahme der Frequenz von Mastjahren (überdurchschnittliche Fruchtbildung der Buchen) kommen, wodurch es zu einer Massenvermehrung von Rötelmäusen kommt. Diese können das Puumala-Hantavirus übertragen. Infektionen mit diesen Viren kommen v.a. in Süd- und Westdeutschland vor.

 

r andere Hantaviren ist bisher ein Einfluss des Klimas auf die Häufigkeit der Infektionen nicht bekannt.

 

Ad 2)

Das wichtigste Frühwarnsystem ist das Infektionsschutzgesetz, nach dem die aufgeführten Infektionskrankheiten meldepflichtig sind und das Auftreten, bzw. die Zunahme von Infektionen stetig kontrolliert wird. Darüber hinaus wird das Amt G von den Veterinären darüber informiert, wenn relevante Infektionen bei Tieren auftreten (z.B. West-Nil-Virus bei Pferden).

 

Es gibt regelmäßige Informationsaustauschformate zwischen den Hamburger Landesbehörden, dem RKI und den anderen Bundesländern, bei dem zeitnah über epidemiologisch bedeutsame Ereignisse und auch über neue Infektionserreger, die bundes- oder weltweit auftreten, informiert wird. Diese Informationen werden an die Gesundheitsämter in den Bezirken weitergegeben, um hier vor Ort tätig zu werden. Zu diesen Themen gibt es außerdem verschiedene Fortbildungsformate.

 

Seit dem vergangenen Jahr führt das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) ein Forschungsprojekt mit dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (Standort München) durch: es werden serologische Untersuchungen von Blutspenden in Hamburg auf West-Nil-Virus und FSME durchgeführt, um festzustellen, ob diese beiden Infektionen sich unerkannt in Hamburg bereits verbreitet haben.

 

Um eine Etablierung von Populationen der asiatischen Tigermücke in Hamburg zu verhindern oder zumindest zu verzögern, wurde in Hamburg im Jahr 2023 begonnen, ein passives Stechmückenmonitoring aufzubauen.

 

Durch die Erstellung und Veröffentlichung von Informationen wurde die Bevölkerung zur Beteiligung am Citizen Science Projekt „Der Mückenatlas“ sowie zur Eliminierung von Brutgewässern aufgerufen (Homepage HU und Sozialbehörde: Asiatische Tigermücke - Mückenjäger gesucht - hamburg.de). Diese Informationen wurden in Form von Aushängen und Newslettern an Kleingartenvereine in Hamburg verteilt und haben bereits zu zahlreichen Einsendungen von Mücken und Fotos geführt.

 

Im August 2023 wurde durch das HU an einigen ausgewählten Standorten im Hafen ein Pilotprojekt zum aktiven Stechmücken-Monitoring gestartet. Die aufgestellten Stechmückenfallen wurden regelmäßig bis Ende Oktober 2023 betrieben. Die Bestimmung der Stechmückenart und die Untersuchung auf Erreger erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Bernhard-Nocht Institut für Tropenmedizin. Auch wurde die Bevölkerung durch TV-Beiträge über das Pilot-Projekt informiert und so für das Thema sensibilisiert.

 

Bislang wurden keine asiatischen Tigermücken in Hamburg entdeckt.

 

Sowohl das passive als auch das aktive Stechmückenmonitoring sollen 2024 weiter fortgeführt und ggf. ausgeweitet werden.

Die Bekämpfung invasiver Stechmückenarten sollte möglichst ohne Nebenwirkungen für die heimische Flora und Fauna und zudem zeitnah erfolgen, um die Etablierung von invasiven Mückenpopulationen zu verhindern. Ad 3)

Im vergangenen Jahr wurde bereits die Informationskampagne mit dem Informationsflyer „ckenjäger gesucht“ in Kleingärten und auf der Webseite (HU und Sozialbehörde) durchgeführt sowie über TV Beiträge für das Thema sensibilisiert.

 

 

gez. Heimath

 

 

f.d.R.

Hille