Antwort Anfrage Matthias Arft (AfD) und Ulf Bischoff (AfD): Rücknahme eines Bußgeldbescheids
Letzte Beratung: 09.11.2021 Hauptausschuss Ö 2.17
In den Medien wurde über zwei Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 357 Euro wegen eines unvollständig ausgefüllten Formulars zur Kontaktnachverfolgung berichtet.1
Der Sachverhalt stellt sich laut der Quelle folgendermaßen dar: Die 86jährige, demente und zu 100% schwerbehinderte Rozalia Braune musste am 1.6.2021 dringend eine Toilette aufsuchen, als sie mit ihrem Ehemann Werner unterwegs war. Ihr Ehemann begleitete sie dazu in die nahegelegene Bäckerei Wedemann am Veritaskai, in der die beiden Senioren Stammgäste sind.
In der Eile hatte Herr Braune das Formular zur Kontaktnachverfolgung nicht vollständig ausgefüllt. Ein zwischenzeitlich eingetroffener Mitarbeiter des Ordnungsamtes bemängelte das unvollständig ausgefüllte Formular. Herr und Frau Braune sind als Stammgäste in der Bäckerei bekannt, wo sie bei ihren Besuchen regelmäßig Formulare zur Kontaktnachverfolgung ausgefüllt haben. Herr Braune hat das dem Mitarbeiter des Ordnungsamtes am Ort mitgeteilt, was ein Mitarbeiter der Bäckerei bestätigt.
Über vier Monate danach erhielten die Braunes zwei Bußgeldbescheide über je 178,50 Euro weil sie wegen ihres unvollständig ausgefüllten Formulars gegen § 15 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 80 HambSARS-CoV-2 EindämmungsVO und § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG verstoßen haben sollen.
Das ist viel Geld für die beiden Rentner und es stellt sich aufgrund des geschilderten Sachverhalts die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
3.1 Wenn ja, hätte er diesen so nutzen können, dass es bei einer Ermahnung und dem Nachtrag der fehlenden Angaben ohne Verhängung eines Bußgeldes hätte bleiben können?
3.2 Warum wurde der Ermessensspielraum nicht für eine Vermeidung des Bußgeldes genutzt?
3.3 An welcher Stelle im Bezirksamt wurde sich für die Verhängung des Bußgeldes entschieden.
4.1 Auf welchem Weg könnte eine Einstellung des Bußgeldverfahrens erreicht werden?
4.2 Welche anderen Wege gäbe es, von der Erhebung des Bußgeldes abzusehen?
1Siehe Bild vom 13.10.2021, S. 9: 357 Euro Corona-Strafe weil meine kranke Frau aufs Klo musste
FREIE UND HANSESTADT HAMBURG
Bezirksamt Harburg 26.10.2021
Das Bezirksamt Harburg beantwortet die Anfrage der fraktionslosen Abg. Matthias Arft und Ulf Bischoff (AfD) – Drs. 21-1743 – wie folgt:
Nach Sichtung des im Anschluss an die Kontrolle gefertigten Kontrollberichts und Befragung der beiden Bezirksammts-Mitarbeitenden (im Folgenden BA-Mitarbeiter), die am 1.6. die Kontrolle durchgeführt haben, stellt sich der Sachverhalt abweichend von der Darstellung in den Medien wie folgt dar:
Bei der gegen 14:15 Uhr durchgeführten Kontrolle befand sich das Ehepaar auf der gastronomisch bewirtschafteten Terasse des Betriebs in einem Strandkorb, am Tisch vor sich Speisen, die sie konsumierten. Daraus war zu schließen, dass die Personen nicht gerade erst angekommen waren, sondern sich schon länger im gastronomischen Bereich aufhielten. Auf Nachfarge durch die Mitarbeitenden gaben sie an, ihre Kontaktdaten beim Personal auf einem Zettel hinterlegt zu haben.
Bei der im Anschluss gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Bäckereibetriebes durchgeführten Sichtung der vom Betrieb für diesen Tag bislang gesammelten Kontaktzettel wurde festegstellt, dass für das Ehepaar gar keine Kontaktdaten erfasst waren. Darauf wurde das Ehepaar dann durch die BA-Mitarbeiter angesprochen. Abweichend von der zuerst gemachten Angabe wurde durch das Ehepaar nun erklärt, dass sie in der Bäckerei öfter essen würden, sie daher davon ausgingen, dass dort schon ihre Kontaktdaten vorhanden wären und sie eine Registrierung bei jedem Besuch als nicht erforderlich ansehen. Nach Eindruck der BA-Mitarbeiter zeigte sich das Ehepaar im Hinblick auf die Kontaktdatenpflicht gemäß Eindämmungsverordnung - die ja auch Angaben zum Zeitpunkt des Besuchs erfasst, um so später Kontakte überhaupt nachverfolgen zu können - uneinsichtig.
Siehe Antwort zu 1; für das Ehepaar lag zum Zeitpunkt der Kontrolle gar kein (auch kein nur unvollständig ausgefülltes) Kontaktformular vor.
Durch Mitarbeitende des Bezirksamts selbst erfolgt grundsätzlich keine Sanktionierung durch ein Bußßgeld. Vielmehr können Sachverhalte, die Tatbestandsmerkmale einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 39 Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (EVO) erfüllen, zur Ordnungswidrigkeitenanzeige gebracht und an die zentrale Bußgeldstelle im Zuständigkeitsbereich der Behörde für Inneres und Sport abgegeben werden.
Durch diese Stelle wird dann das weitere Verfahren geführt und über den Erlass eines Bußgeldbescheids entschieden.
3.1 Wenn ja, hätte er diesen so nutzen können, dass es bei einer Ermahnung und dem Nachtrag der fehlenden Angaben ohne Verhängung eines Bußgeldes hätte bleiben können?
Siehe Antwort zu 3..
Grundsätzlich liegt es im Ermessen der die Kontrollen durchführenden Mitarbeitenden, ob sie festgestellte Verstöße gegen Vorgaben der EVO zur Bußgeldanzeige bringen. Hierbei soll ein einheitlicher Maßstab angelegt werden. Bei der Entscheidung, ob ein Verstoß zur Anzeige gebracht wird, ist daher unter anderem leitend, ob die Pflicht, gegen die verstoßen wurde, den Betroffenen bekannt war und damit von einem vorsätzlichen Handeln oder Unterlassen auszugehen ist
3.2 Warum wurde der Ermessensspielraum nicht für eine Vermeidung des Bußgeldes genutzt?
Die Pflicht zur Kontaktdatenerfassung war dem Ehepaar bekannnt. Nach Eindruck der die Kontrolle durchführenden BA-Mitarbeiter war das Ehepaar zudem bezüglich der Pflicht, sich bei jedem Aufenthalt in einem gastronomischen Betrieb zu registrieren, nicht einsichtig.
3.3 An welcher Stelle im Bezirksamt wurde sich für die Verhängung des Bußgeldes entschieden.
Durch das Bezirksamt erfolgt im Hinblick auf Verstöße gegen die EVO keine Entscheidung über die Verhängung eines Bußgeldes. Siehe dazu Antwort zu 3..
Die Verantwortung für die Durchführung der Kontrollen im Hinblick auf die Einhaltung der EVO-Vorgaben in Gewerbebetrieben und ähnlichen Einrichtungen liegt innnerhalb des Bezirksamts beim Fachamt für Verbbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt.
Dem Bezirksamt ist nicht bekannt, ob es in dieser Angelegenheit schon zur Verhängung eines Bußgeldes gekommen ist.
In Fällen, in denen vorsätzlich oder wissentlich gegen die dem Infektionsschutz und damit der Eindämmung der Pandemie dienden Vorgaben der EVO verstoßen wurde, hält das Bezirksamt die Verhängung von Bußgeldern grundsätzlich für vertretbar.
5.1 Auf welchem Weg könnte eine Einstellung des Bußgeldverfahrens erreicht werden?
Grundsätzlich wird vor Verhängung eines Bußgeldes dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Hier kann der Betroffene ihn entlastende Tatsachen vorbringen.
Nach § 41 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) kann die zuständige Behörde das Verfahren einstellen, solange es bei ihr anhängig ist.
5.2 Welche anderen Wege gäbe es, von der Erhebung des Bußgeldes abzusehen?
Ein anderer als der in Antwort zu 5.1 benannte Weg ist nicht ersichtlich.
In Vertretung
Trispel
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