Antwort Anfrage gem. §27 BezVG der GRÜNEN Fraktion betr. Hochwasserschutzsicherheit Estesperrwerk
Letzte Beratung: 09.03.2021 Hauptausschuss Ö 3.1
Das Sperrwerk an der Estemündung sichert den Hochwasserschutz im Alten Land. Nach einer Havarie 2011 durch Verschlickung im Bereich der Tore kam es 2019 wieder zu einer schwerwiegenden Havarie, nachdem die Sietas Werft umfangreiche Spül- und Baggerarbeiten durchgeführt hatten.
Daraufhin konnten im November zu Sturmflutzeiten über einen Zeitraum von acht Tagen keines der Tore Estesperrwerks geschlossen werden. Anschließend waren bis Ende November jeweils nur 2 der 4 Tore betriebsbereit.
Glücklicherweise gab es in dem Zeitraum des Ausfalls des Sperrwerks keinen Nordwestwind und damit kein Hochwasser.
Die Spül und Baggerarbeiten wurden 2019 dann sofort abgebrochen. Nachdem die Pellas Sietas Werft das Schiff dieses Jahr ausdocken musste, wurden in den letzten Wochen mit einer Sondergenehmigung wiederum umfangreiche Spül- und Baggerarbeiten ausgeführt. Am 14. Oktober wurde das Schiff mitsamt Dock in die Elbe gezogen, ausgedockt und wieder zurück zur Werft gezogen.
Wir fragen die zuständige Fachbehörde
1) Liegen weitere Spül- und Baggeranträge seitens der Sietas Werft vor? Wenn ja, für welchen Zeitraum und mit welchen Maßnahmen genau?
2) Wenn schon Anträge vorliegen, wurden davon schon welche genehmigt? Wenn ja, welche, für welchen Zeitpunkt und mit welchen Maßnahmen?
3) Wie oft wurde die Funktionstüchtigkeit des Estesperrwerk seit August getestet? Bitte geben Sie die genauen Daten der Testschließungen und Öffnungen sowie die Testprotokolle an. Wurden irgendwelche Störungen registriert? Wenn ja, welche und zu welchem Zeitpunkt? Wenn ja, wie wurden diese behoben?
4) Wie oft wird die Funktionstüchtigkeit des Estesperrwerkes ab dem jetzigen Zeitpunkt getestet? Sind die Ergebnisprotokolle öffentlich einsehbar?
5) Eine Havarie wie 2019 kann sich jederzeit wiederholen. Welche Maßnahmen hat die HPA vorgesehen, um bei einer möglichen Havarie die Funktionstüchtigkeit des Sperrwerkes unverzüglich wiederherzustellen?
6) Sollte es zu einer Havarie kommen und wir gleichzeitig eine Sturmflut haben, ist die Estedeichlinie diejenige, die das Hinterland in Cranz und Neuenfelde schützt. Im Regionalausschuss Süderelbe vom September 2020 hat die HPA berichtet, dass es keine ‚regelhafte Deichverteidigung der 2ten Deichlinie‘ gäbe. Was bedeutet das genau? Diese Deichlinie schützt auch vor Hochwasser in der Este. Ist die Funktionstüchtigkeit des Estedeiches auf Cranzer Seite und des Fährdeiches auf Neuenfelder Seite noch gegeben?
7) Der Deich auf Cranzer Seite und auf Neuenfelder Seite ist an bestimmten Stellen niedriger, um Einfahrten zu den dahinterliegenden Gebäuden zu gewährleisten. Bitte nennen Sie uns diese Stellen und markieren Sie diese auf einer Karte.
8) Im Regionalausschuss Süderelbe hat die HPA im September 2020 berichtet, dass die Sicherung der Deichscharten durch die Feuerwehr erfolgt, dass die Sicherung mit Dammbalken und Sandsäcken erfolgt und weiter, dass die Vollzähligkeit der Dammbalken nicht gesichert sei. Bitte benennen und erläutern Sie uns für jede dieser Öffnungen den vorgesehenen Verschließmechanismus. Bitte benennen Sie, wann die letzte Prüfung der Verfügbarkeit der beweglichen Teile für alle Öffnungen vorgenommen wurde. Mit welchem Ergebnis wurde diese Prüfung vorgenommen? Liegen die beweglichen Teile alle vor Ort vor? Wenn nicht, von wo werden die beweglichen Teile geholt? Sind die Anwohner*innen in der Handhabung der Schließung geschult? Wann wurde die letzte Übung mit der Feuerwehr durchgeführt?
9) Es finden gerade Arbeiten am Neuenfelder Fährdeich statt. Dort werden im Auftrag von Stromnetz Hamburg Rohre verlegt. Diese werden im vorderen Bereich abgehend vom neuen Fährweg in den Deichfuß gelegt. Bis wo werden diese Arbeiten genau fortgeführt? Bitte erläutern Sie, wie die Rohre technisch verlegt werden. Wie wird die Hochwassersicherheit zum Zeitpunkt der Bauarbeiten und darüber hinaus ggf. gewährleistet?
BEZIRKSAVERSAMMLUNG HARBURG
Der Vorsitzende 10.02.2021
Die Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port authority AöR (HPA, des Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und der Stromnetz Hamburg GmbH wie folgt:
1) Liegen weitere Spül- und Baggeranträge seitens der Sietas Werft vor? Wenn ja, für welchen Zeitraum und mit welchen Maßnahmen genau?
2) Wenn schon Anträge vorliegen, wurden davon schon welche genehmigt? Wenn ja, welche, für welchen Zeitpunkt und mit welchen Maßnahmen?
Zu 1 und 2.:
Es liegen keine Anträge vor.
3) Wie oft wurde die Funktionstüchtigkeit des Estesperrwerk seit August getestet? Bitte geben Sie die genauen Daten der Testschließungen und Öffnungen sowie die Testprotokolle an. Wurden irgendwelche Störungen registriert? Wenn ja, welche und zu welchem Zeitpunkt? Wenn ja, wie wurden diese behoben?
4) Wie oft wird die Funktionstüchtigkeit des Estesperrwerkes ab dem jetzigen Zeitpunkt getestet? Sind die Ergebnisprotokolle öffentlich einsehbar?
Zu 3. Und 4.:
Bis zum Ende der Kalenderwoche 46 des Jahres 2020 wurden täglich Probefahrten durchgeführt; die Ergebnisprotokolle sind nicht öffentlich einsehbar. Ziel ist es, nach Abschluss der seit dem 26. Oktober 2020 laufenden Unterhaltungsbaggerung wieder den Normalbetrieb mit dem Sperrwerk aufzunehmen. Dann erfolgen mindestens alle 48 Stunden Probefahrten bei den Stemmtorlinien in Kombination mit den dann wieder regelhaft stattfindenden Spülzyklen.
Seit August des Jahres 2020 wurden am Sperrwerk Estemündung 107 Probefahrten durchgeführt (Auswertungszeitraum 3. August 2020 bis 4. November 2020). Dabei traten bedingt durch Sedimentation punktuell Störungen auf.
Zum einen zeigte sich am 10. und 11. September 2020 insgesamt vier Mal erhöhte Hydraulikdrücke bei den Bewegungsfahrten im Rahmen der Wasserinjektions-Kampagne, die mittels Tauchereinsatz bestätigt wurden. Unter Einsatz von Spüllanzen konnten die Bereiche der Tornischen jeweils wieder freigespült werden. Des Weiteren zeigten sich insgesamt acht Mal Geräusche bei der Verriegelung der Tore in den Nischen – vier Mal zwischen dem 8. und 11. Oktober 2020 und vier Mal zwischen dem 20. und 26. Oktober 2020. Diese konnten mittels Betauchung und Technikern Vorort ebenfalls einer erhöhten Sedimentation in den Tornischen ursächlich zugeordnet werden. Entsprechend erfolgte eine Sedimenträumung lokal durch Taucherarbeiten mit Einsatz von Spüllanzen.
5) Eine Havarie wie 2019 kann sich jederzeit wiederholen. Welche Maßnahmen hat die HPA vorgesehen, um bei einer möglichen Havarie die Funktionstüchtigkeit des Sperrwerkes unverzüglich wiederherzustellen?
Zu 5.:
Das Sperrwerk Estemündung ist als Anlage des Öffentlichen Hochwasserschutzes mit redundanten Verschlusskörpern (zwei Stemmtorlinien) ausgestattet und verfügt über Rückfallebenen (Aggregate) bei Ausfall von Stromversorgung und Hydraulikanlage. Es besteht zusätzlich die behördenübergreifende Vereinbarung, dass Wasserinjektions-Arbeiten (WI-Arbeiten) zur Wassertiefeninstandhaltung im Werft-/Binnenbereich nur außerhalb der Sturmflutsaison erfolgen sollen.
Um den Hochwasserschutz im Bereich des Sperrwerks Estemündung zu gewährleisten, hat die HPA als Betreiber seit der Havarie vom Dezember des Jahres 2011 weitergehende technische Maßnahmen (unter anderem eine automatisierte Steuerung, Spülsysteme, Lage-Höhen-Überwachung der Tore) und betriebliche Maßnahmen im Bereich des Sperrwerks eingeführt. Parallel dazu bestehen Einsatzpläne hinsichtlich eines ergänzenden Geräteeinsatzes, wenn höhere Sedimenteinträge festzustellen ist. Um mögliche Veränderungen frühzeitig festzustellen, werden regelhafte Betauchungen und Peilungen im Bereich des Sperrwerks durchgeführt und hinsichtlich etwaiger Veränderungen ausgewertet.
6) Sollte es zu einer Havarie kommen und wir gleichzeitig eine Sturmflut haben, ist die Estedeichlinie diejenige, die das Hinterland in Cranz und Neuenfelde schützt. Im Regionalausschuss Süderelbe vom September 2020 hat die HPA berichtet, dass es keine ‚regelhafte Deichverteidigung der 2ten Deichlinie‘ gäbe. Was bedeutet das genau? Diese Deichlinie schützt auch vor Hochwasser in der Este. Ist die Funktionstüchtigkeit des Estedeiches auf Cranzer Seite und des Fährdeiches auf Neuenfelder Seite noch gegeben?
Zu 6.:
Gemäß § 12 Satz 3 Deichordnung (DeichO) werden Einzelheiten über Organisation und Aufgaben der Verteidigung der Hochwasserschutzanlagen mit Ausnahme der hinter Sperrwerken und an tidefreien Gewässern liegenden Hochwasserschutzanlagen von der zuständigen Wasserbehörde in einem Plan geregelt. Da die Deiche der Este hinter dem Estesperrwerk liegen, wurden keine konkreten Maßnahmen für die Deichverteidigung an den Estedeichen definiert. Unabhängig davon ist die Funktionstüchtigkeit des Estedeiches auf Cranzer Seite und des Fährdeiches auf Neuenfelder Seite grundsätzlich gegeben. Dies wird durch das Erhaltungsmanagement der HPA und die Deichschauen gemäß § 10 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 DeichO sichergestellt.
7) Der Deich auf Cranzer Seite und auf Neuenfelder Seite ist an bestimmten Stellen niedriger, um Einfahrten zu den dahinterliegenden Gebäuden zu gewährleisten. Bitte nennen Sie uns diese Stellen und markieren Sie diese auf einer Karte.
Zu 7.:
Die Sollhöhe der Estedeiche beträgt + 4,0 m NHN. Alle Überfahrten sind entsprechen der Sollhöhe oder liegen darüber.
Verzeichnis der Deichscharten und Deichüberfahrten am Neuenfelder Estedeich / Straße Neuenfelder Fährdeich (siehe Anlage):
Scharte / Deichüberfahrt |
Höhe Hausnummer |
Drempelhöhe |
Scharte |
75 |
NN+4,50 |
Scharte |
83 |
NN+4,19 |
Scharte |
95 |
NN+5,00 |
Scharte |
105 |
NN+4,40 |
Scharte |
111 und 113 |
NN+4,46 |
Scharte |
115 |
NN+4,45 |
Scharte |
121 |
NN+4,39 |
Scharte |
123 |
NN+4,20 |
Scharte |
130 |
NN+4,26 |
Scharte |
137 |
NN+4,28 |
Deichüberfahrt |
zwischen 143 und 145 |
NN+4,00 |
Deichüberfahrt |
145 |
NN+4,54 |
Deichüberfahrt |
147 |
NN+4,00 |
Deichüberfahrt |
161 |
NN+4,00 |
Scharte |
175 |
NN+4,47 |
Deichüberfahrt |
181/182 |
NN+4,00 |
8) Im Regionalausschuss Süderelbe hat die HPA im September 2020 berichtet, dass die Sicherung der Deichscharten durch die Feuerwehr erfolgt, dass die Sicherung mit Dammbalken und Sandsäcken erfolgt und weiter, dass die Vollzähligkeit der Dammbalken nicht gesichert sei. Bitte benennen und erläutern Sie uns für jede dieser Öffnungen den vorgesehenen Verschließmechanismus. Bitte benennen Sie, wann die letzte Prüfung der Verfügbarkeit der beweglichen Teile für alle Öffnungen vorgenommen wurde. Mit welchem Ergebnis wurde diese Prüfung vorgenommen? Liegen die beweglichen Teile alle vor Ort vor? Wenn nicht, von wo werden die beweglichen Teile geholt? Sind die Anwohner*innen in der Handhabung der Schließung geschult? Wann wurde die letzte Übung mit der Feuerwehr durchgeführt?
Zu 8.:
Grundstückseigentümer mit Deichscharten sind aufgrund einer deichrechtlichen Genehmigung dazu verpflichtet, Dammbalken zum Verschluss der Scharten bereitzuhalten. Die deichrechtliche Genehmigung erteilt die HPA. Beim Estedeich handelt es sich nur um die zweite Deichlinie. Seit Inbetriebnahme der ersten Deichlinie ist sie eigentlich nicht mehr notwendig. Alle getroffenen Sicherheits- und Unterhaltungsmaßnahmen erfolgen ggf. zusätzlich.
Das Niveau der Deichscharten an den Estedeichen liegt oberhalb der planfestgestellten Schutzhöhe der Deiche. Übungen der Freiwilligen Feuerwehr werden regelmäßig im Jahr durchgeführt.
9) Es finden gerade Arbeiten am Neuenfelder Fährdeich statt. Dort werden im Auftrag von Stromnetz Hamburg Rohre verlegt. Diese werden im vorderen Bereich abgehend vom neuen Fährweg in den Deichfuß gelegt. Bis wo werden diese Arbeiten genau fortgeführt? Bitte erläutern Sie, wie die Rohre technisch verlegt werden. Wie wird die Hochwassersicherheit zum Zeitpunkt der Bauarbeiten und darüber hinaus ggf. gewährleistet?
Zu 9.:
Zwischen der vorhandenen Kabeltrasse am Fuße des Neuenfelder Hauptdeiches und der vorhandenen Trasse im Neuenfelder Fährdeich wurde im Neuen Fährweg eine neue Verbindung geschaffen. Damit können im Rahmen der Deicherhöhung des Neuenfelder Hauptdeiches an anderer Stelle Kabel außer Betrieb genommen werden. Die Arbeiten in der Straße Neuer Fährweg sind mittlerweile abgeschlossen. Die Rohre sind nach Absprache mit den Behörden gelegt worden. Eine deichrechtliche Genehmigung liegt vor. Die Rohre enden an der Kreuzung Neuenfelder Hauptdeich auf Höhe der Flutschutzwand der Pella Sietas Werft, das andere Ende liegt sechs Meter vor dem Flutschutztor der Pella Sietas Werft in der Straße Neuer Fährweg. Da die Baumaßnahmen im Neuen Fährweg beendet sind, müssen keine Maßnahmen zum Hochwasserschutz getroffen werden.
Die Rohre wurden in offener Bauweise im Pilgerschrittverfahren eingebaut. Es wurde jeweils eine Baugrube von zwölf Metern Länge, 0,8 Metern Breite und 1,3 Metern Tiefe, in einem lichten Abstand von einem Meter, parallel zur Hochwasserschutzwand geöffnet. In diesen Graben wurde ein Rohrpacket von neun Rohren eingebaut, die Grube verfüllt und der Boden verdichtet. Erst wenn die Grube bis 15 Zentimeter unter Straßenoberkannte verfüllt war, ist der jeweils nächste Abschnitt geöffnet worden.
Fredenhagen
Die Erkennung von Orten anhand des Textes der Drucksache kann ungenau sein. Es ist daher möglich, das Orte gar nicht oder falsch erkannt werden.