Abstimmungsergebnis:
Der Antrag ist mehrheitlich bei einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen der Freien Träger beschlossen worden.
Herr Dr. Schulhoff erklärt, das heute behandelte Thema habe Irritationen ausgelöst, weshalb seine Kollegin - die auch eine Fachveranstaltung zu diesem Thema im Februar geleitet hätte - nun nähere Informationen gebe.
Die Vertreterin der Sozialbehörde erläutert zunächst die Vorgeschichte zur Befragung. Diese erfolgte erstmals 2014 als anonyme verwaltungsinterne Abfrage auf freiwilliger Basis. Anlass wäre die Bearbeitung des neuen Handlungsfeldes „Religiös begründeter Extremismus“ gewesen. Die Befragung sei damals gut angenommen worden und die Fachkräfte hätten Bedarfe für Unterstützungsangebote signalisiert. In diesem Zusammenhang seien auch Unterstützungsbedarfe im Hinblick auf den Umgang mit Rechtsextremismus abgefragt worden. 2017 sei die gleiche Befragung durchgeführt worden. 2020 wurde erstmals der Phänomenbereich „links“ mit aufgenommen. Die Intention der Sozialbehörde hierbei wäre die Verantwortung zur Steuerung des Kinder- und Jugendschutzes. Man habe ein grundsätzliches Interesse daran, alle Formen jugendgefährdender Einflüsse aufzunehmen und Unterstützungsbedarfe abzufragen. Es sollten also alle existierenden Phänomenbereiche im Blick behalten werden. Die Fragen bezüglich der anderen Phänomenbereiche seien gleich geblieben, um über die Jahre hinweg vergleichbare Daten zu sammeln. Ziel der Befragungen sei es herauszufinden ob, und wenn ja mit welchen Radikalisierungen und sonstigen extremen Einstellungen die Fachkräfte in den Einrichtungen konfrontiert wären und welche Unterstützungsbedarfe sie und die Jugendlichen hätten. Dadurch solle eine interne Fachsteuerung für Angebote wie Fortbildungen entwickelt werden.
Die Befragung sei keine wissenschaftliche Studie, weshalb sie z.B. keine Definitionen der einzelnen Phänomenbereiche enthalte. Der, im 2020-Fragebogen enthaltene Phänomenbereich „linksradikale Ausrichtung“ hätte sich im Nachgang als sehr unpräzise formuliert erwiesen und zu viel Unmut - auch in den Arbeitsfeldern geführt. Mit dem heutigen Wissenstand würde der Fragebogen mit dem Begriff „linksradikale Ausrichtung“ nicht mehr genutzt werden.
Zu den Ergebnissen erklärt die Vertreterin der Sozialbehörde, nur wenige Einrichtungen hätten zum Phänomenbereich „linksradikale Ausrichtung“ Angaben gemacht. Viele Einrichtungen hätten jedoch gefragt warum dieser Phänomenbereich mit abgefragt wurde. Einrichtungen, welche die Fragen beantworteten, hätten angegeben, die Anzahl der Stammnutzenden mit einer entsprechenden Ausrichtung sei seit Jahren stabil, sie zu diesem Themenbereich gut vernetzt seien und formulierten keinen Unterstützungsbedarf. So fühlten sich die Fachkräfte bezogen auf diesen Phänomenbereich gut aufgestellt und ansprechbar für die jungen Menschen.
Herr Ramm fragt, ob weitere solcher Befragungen geplant und wie die zeitlichen Abstände veranschlagt seien. Außerdem möchte er wissen inwieweit dieser Fragebogen ein Ergebnis behördenübergreifender Zusammenarbeit sei.
Die Vertreter*in der Sozialbehörde sagt, eine weitere Befragung in der Form wie sie 2020 stattfand sei nicht geplant, was aber erneute Befragungen nicht grundsätzlich ausschließe. Eine behördenübergreifende Arbeit habe in diesem Fall nicht stattgefunden.
Herr Brauckmann möchte wissen, wie es zu der Veröffentlichung der Ergebnisse einer verwaltungsinternen Anfrage in der TAZ gekommen wäre und ob die Ergebnisse überhaupt für öffentliche Zwecke bestimmt gewesen wäre. Auch interessiert ihn, ob für zukünftige Befragungen ein wissenschaftlicher Ansatz bzw. eine wissenschaftliche Begleitung angestrebt werde.
Die Vertreter*in der Sozialbehörde könne nicht sagen wie es in die TAZ gelangt sei. Die Ergebnisse seien in einer regelhaften AG mit Leitungen der Kinder- und Jugendarbeit der Bezirksämter vorbesprochen geworden. Die Uni Göttingen sei mit dem Wunsch nach Interviews mit den Fachkräften an die Sozialbehörde herangetreten und hätte gleichzeitig eine Fachveranstaltung für Fachkräfte zum Protestverhalten von Jugendlichen angeboten. In diesem Zusammenhang sei die Sozialbehörde nach Datenmaterial gefragt worden und habe die Ergebnisse der Befragungen zu den Unterstützungsbedarfen zur Verfügung gestellt, welche dann in dieser Fachveranstaltung vorgestellt wurden. Über die Ergebnisse sei mit den Teilnehmenden diskutiert worden.
In zukünftigen Befragungen sei es geplant, die Unterstützungsbedarfe anders abzufragen, ob das auf wissenschaftlicher Basis passiere, sei noch nicht geplant.
Herr Noß fragt, wie es zu der Entscheidung gekommen wäre, erst einmal keine weiteren Befragungen durchzuführen und ob sich aus den bisherigen Befragungen Entwicklungen/Trends abgezeichnet hätten. Weiter möchte er wissen, ob aufgrund der ersten Ergebnisse ggf. präventive Maßnahmen ergriffen wurden und sich die Auswirkungen aus den nächsten Ergebnissen abzulesen seien.
Die Vertreter*in der Sozialbehörde erklärt, dass die Abfrage der Unterstützungsbedarfe in der bisherigen Form nicht gut aufgesetzt worden sei, weshalb nach neuen Formaten gesucht werde, um die Unterstützungsbedarfe nach Fortbildungs- und Qualifikationsmöglichkeiten in Erfahrung zu bringen.
Zum Phänomenbereich fundamental-konfrontativ-islamische Ausrichtung sagt die Vertreter*in der Sozialbehörde, die Vorkommnisse seien seit 2014 zurückgegangen und wie bereits 2014 und 2017, fänden die Vorkommnisse zu zwei Dritteln überwiegend im Umfeld und zu einem Drittel in den Einrichtungen selbst statt. Die Einrichtungen hätten an Kooperationsbeziehungen zu anderen Einrichtungen und Initiativen im Stadtteil und zahlreiche Projekten, welche zur Stärkung einzelner Sozialräume beitrügen, partizipiert. Außerdem gäbe es viele Fortbildungen, was dazu beigetragen hätte, dass es in diesem Phänomenbereich nicht zu einem Anstieg in der Anzahl der Vorkommnisse gekommen sei. Die Fachkräfte hätten gemeldet, fachlich in diesem Bereich gut aufgestellt zu sein. Dennoch gebe es weiterhin junge Menschen mit dieser Ausrichtung in den Einrichtungen, weshalb mit den Bezirksämtern vereinbart worden sei zu besprechen, wo und welche Unterstützungsformate ggf. noch installiert werden könnten.
Zum Phänomenbereich „Rechtspopulistische bzw. rechtsradikale Ausrichtung“ ergäben die Ergebnisse, dass es durchgängig die meisten Vorfälle im Umkreis der Einrichtungen gegeben hätte. Ein Viertel der Befragten schätzte, die Anzahl der Stammnutzer*innen mit dieser Ausrichtung hätte sich seit 2014 jedoch nicht verändert. In diesem Bereich gäbe es einen erhöhten Handlungsbedarf, weshalb noch einmal direkt auf die Bezirksämter zugegangen werden solle.
Zum Phänomenbereich „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit oder sonstige extreme Ausrichtung“ sanken die Vorkommnisse leicht, seien aber trotzdem noch akut. Seit 2014 gäben die Einrichtungen bezüglich der Adressaten dieser Vorkommnisse stets vier Themenkreise an: andere Religionen/Kulturen, sexuelle Orientierung, abwertende Haltungen gegen Mädchen und Frauen, benachteiligte Personen. Auch die angegebene Reihenfolge sei stetig geblieben. Auch in diesem Bereich plane die Sozialbehörde noch mehr zu unterstützen.
Herr Ramm fragt bezüglich der Irritationen im Zusammenhang mit der Onlinefachveranstaltung, ob und warum Personen wieder ausgeladen worden wären.
Die Vertreterin der Sozialbehörde erklärt, die Fachveranstaltung hätte sich ausdrücklich an Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendarbeit gerichtet. Ziel wäre die Herstellung eines konkreten Praxisbezugs und des Austauschs unter den Fachkräften gewesen, um dann in die Diskussion einzusteigen. Im Vorfeld hätte das getriggert durch die TAZ-Artikel zu Unmut im Arbeitsfeld geführt. Die Eingeladenen wären im Voraus angesprochen worden, sie könnten als Fachkräfte der OKJA gern teilnehmen, jedoch nicht um eine Grundsatzdiskussion zu führen, da dies nicht in das Format eines „beispielhaften Workshops zum Protestverhalten junger Menschen“ gepasst hätte.
Herr Laudi fragt, ob rückblickend gesagt werden könne, dass blinde Flecken geblieben seien und wie die Beteiligung und die Resonanz der Einrichtungen bezüglich der Abfragen wäre.
Die Vertreterin der Sozialbehörde sagt, viele zeigten Interesse an den Themen „Vielfalt“ und „Kultursensibilität“ und wünschten sich in diesen Bereichen Angebote für die Fachkräfte. Auf die letzte Abfrage hätte es 65 Rückmeldungen gegeben, was einen kleinen Anstieg zu 2017 bedeutete.
Herr Noß möchte wissen, wie die Sozialbehörde die OKJA sehe, auch im Zusammenhang der Professionalisierung der sozialen Arbeit und wieviel Freiraum den Fachkräften gegeben werde.
Die Vertreterin der Sozialbehörde antwortet, dass seitens der Sozialbehörde keine festen Vorgaben gemacht würden, wie die Fachkräfte zu arbeiten hätten. Man setze lediglich einen festen Rahmen für die grundsätzliche Gestaltung der Kinder- und Jugendarbeit, z.B. durch die Globalrichtlinie Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in den Bezirken.
Frau Permien fragt in Bezug auf den Themenkreis „benachteiligte Personen“ nach, welche Personen damit genau gemeint seien.
Die Vertreterin der Sozialbehörde führt aus, es handele sich hierbei um Wohnungslose, Menschen in Armut und Menschen mit Beeinträchtigung.
Frau Schierning fragt, ob es bereits Ideen gebe, wie zukünftig Unterstützungsbedarfe abgefragt werden sollten.
Die Vertreterin der Sozialbehörde antwortet, es gebe momentan noch kein neues Konzept, jedoch werde man mit den Bezirksämtern sprechen, welche Unterstützungsbedarfe und in welchem Setting diese realisiert werden sollten.
Herrn Schilf interessiert es, ob geplant sei die Ergebnisse der Abfragen zu veröffentlichen.
Die Vertreterin der Sozialbehörde gibt zu bedenken, die Abfrage zu Unterstützungsbedarfen wäre verwaltungsintern. Weshalb keine Veröffentlichung geplant sei.
Herr Laudi fragt inwiefern die Abfrage sich in den Einrichtungen ausgewirkt hätte, bzw. ob der Fragebogen die Haltung oder den Anspruch der Sozialbehörde an die Einrichtungen vermittelte, als Spione zu fungieren oder ob generell Befürchtungen in diese Richtung bestünden.
Die Vertreterin der Sozialbehörde erklärt, solche Befürchtungen und sogar öffentliche Anklagen hätten die Sozialbehörde erreicht. Die Befragung würde jetzt auch nicht mehr in dieser Form durchgeführt werden, da dies kontraproduktiv sei. Man wolle die Fachkräfte nicht instrumentalisieren, sondern ihnen Hilfestellungen geben.
Die Vorsitzende bedankt sich herzlich bei den Referent*innen, auch für ihre Offenheit in der Erklärung und schließt den Punkt.
Herr Ramm bedankt sich bei allen für die Nachfragen und möchte den Antrag gern vertagen und ggf. einen neuen gemeinsamen Antrag gestalten in dem die neuen Erkenntnisse berücksichtigt würden.
Frau Grichisch meint, es sei nicht sinnvoll diesen Antrag abzustimmen, da verwaltungsintern bereits geklärt sei, dass die Formulierungen ungünstig wären, und es somit keine Grundlage gebe.
Herr Schilf schließt sich an und wäre bereit zu dem Themenfeld interfraktionell weiterzuarbeiten.
Herr Schilf erläutert, dass es ein sehr fruchtbares Treffen gegeben hätte und ein neuer Termin anstehe, weshalb er empfiehlt diesen abzuwarten, bevor man den Antrag abstimme.
Frau Mücke-Kemp sagt, die CDU-Fraktion würde gern an erneuten Treffen teilnehmen.
Frau Lütkehus fragt, ob man das Protokoll der vorherigen Treffen dem Ausschuss zur Verfügung stellen könne und sie hoffe, dass man im nächsten Treffen bereits einen aussagekräftigen Antrag schreiben könne.
Herr Brauckmann fragt, ob es Neuigkeiten zu den Ferienprogrammen in Bezug auf die Sondermittel gebe.
Die Vorsitzende erklärt, die Gelder dafür seien bereits zur Verfügung gestellt, was bereits in der Sitzung im März bekannt gegeben worden wäre.
Herr Brauckmann fragt weiter, ob die Gelder für alternative Programme kurzfristig umgewidmet werden könnten.
N/JA-L die Gelder könnten zweckbezogen kurzfristig umgewidmet werden, sodass die Aktivitäten der Pandemielage angepasst werden könnten. Die Verwendung der Mittel ließe sich also flexibel steuern, beispielsweise für Tagesausflüge und andere Aktivitäten und Aktionen.
Die Vorsitzende fasst zusammen, es sei also eine großzügige Interpretation für die Verwendung der Mittel im Kontext von Freizeitgestaltung möglich.
Frau Lütkehus sagt in ihrer Position als Vorsitzende der LAG Jugendsozialarbeit - offene Kinder- und Jugendarbeit, man habe mit der LAG Familienförderung ein gemeinsames Positionspapier erstellt zur OKJA in Corona-Zeiten, welches im Juni im Landesjugendhilfeausschuss eingebracht werden solle. Dieses würde sie auch gern diesem Gremium zur Verfügung stellen und in die Diskussion gehen.
Frau Grichisch begrüßt das auch in Bezug darauf, dass dieses Thema parallel in der Bürgerschaft diskutiert werde.
Die Vorsitzende bedankt sich bei allen Teilnehmenden und schließt die Sitzung.