Die Tagesordnung wird bestätigt.
Es liegen keine Befangenheiten vor.
Es liegen keine Bürgerfragen vor.
Die Niederschrift vom 07.02.2024 wird einstimmig bestätigt. Aufgrund von Abwesenheit hat sich aus den Reihen der freien Träger Frau Akar enthalten.
N/JA3-KJ2-Straso1, bereits seit 23 Jahren in der Straßensozialarbeit für den Stadtteil Dulsberg tätig, stellt sich vor und erläutert die Rechtsgrundlage der Straßensozialarbeit nach den §§ 11 und 13 des Sozialgesetzbuches (SGB) VIII (ppt.1). Zielgruppe seien Jugendliche und Jungerwachsene im Alter zwischen 14 bis 27 Jahren (ppt.2). Auf dem Dulsberg hätten sich zwei Gruppen herauskristallisiert. Eine Gruppe könne die Problemlage gut artikulieren und gezielt Hilfe in Anspruch nehmen. Sie profitiere von der Straßensozialarbeit und könne aus dieser entlassen werden. Die Jungerwachsenen der zweiten, deutlich größeren Gruppe befände sich in einer „Endlosschleife“ mit diversen Problemlagen. Dies mache eine Priorisierung erforderlich. Dabei stehe die Lösung des Schuldenproblems beim Vermieter an vorderster Stelle. Es gehe um Jugendliche im Quartier, für die es ansonsten kaum Anlaufstellen gäbe bzw. von Jugendhilfeeinrichtungen aufgrund des Alters auch nicht mehr erreicht würden. Die Straßensozialarbeit spreche Personen mit Wohnsitz im Quartier, aber auch mit ehemaligem Wohnsitz im Quartier an, deren Lebensmittelpunkt sich immer noch im Quartier abspiele. Die Straßensozialarbeit sei dann immer noch für diesen Jugendlichen zuständig. Die Jugendlichen befänden sich häufig in einem Zustand der Resignation und kämen meist aus strukturschwachen Elternhäusern. Die Jugendlichen befänden sich in einer gleichgültigen Grundhaltung. Weitere negative Erfahrungen mit Behörden, Vermietern und Schule verstärkten das Gefühl des Versagens.
N/JA3-KJ2-Straso1 erläutert weiter die Problemlagen (ppt.3). Schwerpunkte seien die Bereiche Schule, Ausbildung und Beruf. Psychische Erkrankungen stellten ebenfalls eine große Herausforderung dar.
Herr Seifert, seit 1,5 Jahren als Straßensozialarbeiter für den Stadtteil Langenhorn tätig, gibt Auskunft über die Anzahl der betroffenen Personen (ppt.5). Ein erhöhter Anteil könne in Barmbek-Nord und Langenhorn festgestellt werden. Dulsberg liege im Mittelwert.
Die Kernzielgruppe der Straßensozialarbeit in Langenhorn, so Herr Seifert weiter, seien 18-24-jährige Jungerwachsene. Die Schule sei beendet und auch die klassischen Jugendhilfemaßnahmen liefen mit 18 Jahren aus. Es stünden niedrigschwellige Angebote zur Verfügung. Wohnungs- und Arbeitslosigkeit stellten eine weitere wichtige Problemlage dar (ppt.6). Im Vergleich zu den anderen Stadtteilen seien diese in Langenhorn und Dulsberg erhöht. Insgesamt sei der Bezirk Nord jedoch kein Brennpunkt. Auf Nachfrage von Herrn Lezius erläutert Herr Seifert, dass man mit 14-18-Jährigen weniger Erfahrungen hätte. Diese Altersgruppe falle vorwiegend in das Raster der klassischen Hilfe zur Erziehung.
N/JA3-KJ2-Straso1 berichtet über die Zielsetzungen der Straßensozialarbeit. (ppt.7). Problemlösungen würden gemeinsam mit den Jugendlichen erarbeitet. Die Selbstverantwortung stehe im Vordergrund. Für eine positive Beeinflussung sei die Beziehungsarbeit und die Interventionsberechtigungsarbeit wichtig, um auch misstrauische Jugendliche erreichen zu können. Die Philosophie der Straßensozialarbeit sei die Hilfe zur Selbsthilfe, die Aneignung von bestimmten Kompetenzen, um in Krisensituationen agieren zu können. Bei den Angeboten und Methoden der Straßensozialarbeit (ppt.8), so N/JA3-KJ2-Straso1 weiter, stehe der lebensweltorientierte, unbürokratische Ansatz im Mittelpunkt. Die akute Hilfe und Unterstützung. Neben der Begleitung, Unterstützung und Weitervermittlung an weitere Institutionen, biete die Straßensozialarbeit auch Freizeitangebote.
Frau Reifegerste, seit 13 Jahren in der Straßensozialarbeit tätig, davon 11 Jahre in Langenhorn, erläutert die Zugangswege der Straßensozialarbeit (ppt.9). Die klassische Straßensozialarbeit des Aufsuchens der Jugendlichen an bestimmten Treffpunkten funktioniere in einem so großen Stadtteil wie Langenhorn nicht. Es gebe eine Nord-Südverbindung, jedoch keine Querverbindung und es fehle an Treffpunkten. Ein funktionierendes Netzwerk und die Anwesenheit in der Jugendeinrichtung der OKJA und in den Einrichtungen der Netzwerkpartner sei daher wichtig. Man tausche sich untereinander aus. Verbindliche Sprechzeiten gebe es in Langenhorn nicht. Zum Erreichen der festen Einrichtung der Straßensozialarbeit, die weder zentral liege, noch über eine gute Verkehrsanbindung verfüge, müsse ein Grünstreifen durchlaufen werden. Insbesondere für die jungen Frauen in der dunkleren Jahreszeit sei dies schwierig und mache eine Abholung erforderlich. Der Kontakt erfolge nach Bedarfslage und sei eher spontan. Die soziale Gruppenarbeit stehe in Langenhorn im Fokus.
Auf Nachfrage von Frau Lütkehus erläutert Frau Reifegerste, dass die Straßensozialarbeiter in Langenhorn alleine unterwegs seien. Um das gesamte Gebiet abdecken zu können, habe man sich aufgeteilt. Die klassische Sozialberatung finde in Dulsberg statt. In Langenhorn entwickle sich das Angebot aus dem Bedarf heraus.
N/JA3-KJ2-Straso1 ergänzt, dass sich ein Zweierteam gegenseitig ergänze, indem die Arbeitszeit entsprechend gegensätzlich gestaltet werde.
Frau Reifegerste erläutert weiter, dass das Netzwerk und die Kooperationen (ppt.10). besonders wichtig seien. Weiter gibt sie einen Einblick in die Einrichtung in Langenhorn (ppt.11). Die Halle sei zurzeit nicht begehbar, so dass einige Angebote nur in einem Raum stattfänden. Im 1.Stock gebe es einen Töpferraum, der seit vielen Jahren von der Diakonie auch für Deutschkurse genutzt werde. Außerdem gebe es eine Aikido-Gruppe und ein kleines Highlight bilde die kleine Halfpipe im Freien, die ausgiebig frequentiert werde.
Abschließend geht N/JA3-KJ2-Straso1 auf den Ausblick und die Herausforderungen der Straßensozialarbeit ein (ppt.15). In Zukunft werde die zunehmende Kinder- und Jugendarmut, der Antisemitismus und auch die Legalisierung von Cannabis Thema sein. Außerdem seien psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen während des Pandemieverlaufs angestiegen. Die Sozialarbeit werde sich, wie schon in der Vergangenheit, all diesen Herausforderungen stellen.
Die Vorsitzende dankt den Referenten und eröffnet die Diskussion.
N/JA3-KJ2-Straso1 erklärt auf Nachfrage von Herrn Hafkemeyer, dass die Problemlagen bei Männern und Frauen ähnlich seien. Die Interventionsarbeit könne auch bei Frauen mühselig und langwierig sein. Die Arbeit lohne sich, um eine positive Änderung zu erzielen.
Frau Akar fragt nach der prozentualen Verteilung von Männern und Frauen und ob es unterschiedliche Herangehensweisen gebe. Insbesondere obdachlose Frauen müssten oft sexuelle Übergriffe hinnehmen, um irgendwo unterkommen.
Die Verteilung von Männern und Frauen sei ausgewogen, so Frau Reifegerste. Versteckte Wohnungslosigkeit/Obdachlosigkeit bei jüngeren Frauen gebe es in Einzelfällen immer wieder und gerade da bestehe die Gefahr, dass ältere Herren ein Sofa freizumachen. Dass Mädchen über diesen Weg in die Prostitution abglitten, gelte es zu verhindern.
Auf Nachfrage von Herrn Kroll teilt Frau Reifegerste mit, dass sich die Straßensozialarbeit sehr unterschiedlich abbilde. Manche Menschen würden jahrelang betreut, fielen weg und kämen wieder, weil sie ggf. in alte Verhaltensmuster zurückfielen. Es gebe Jugendliche mit konkreten Wünschen z.B. das Anfertigen einer Bewerbungsmappe, diese würden nicht weiter betreut, da das Ziel erreicht sei. Straßensozialarbeit sei eine Hilfe zur Selbsthilfe, manche schafften es nicht gleich. Daneben gebe es langwierige Fälle, die über Jahre sozialarbeitende Unterstützung benötigten.
Herr Seifert ergänzt, dass der Erfolg in der sozialen Arbeit nicht messbar sei, weil das für jeden individuell sei.
N/JA3-KJ2-Straso1 weist darauf hin, dass die Einrichtung der Straßensozialarbeit auf dem Dulsberg von vielen Jugendlichen aus dem türkisch-arabischen Raum besucht werde. Der zunehmende Antisemitismus sei spürbar. Die Jugendlichen wollten dies „rauslassen“ und nicht unterdrücken. In der Straßensozialarbeit gebe es Regeln, an die sich die Jugendlichen halten müssten. So dürfe die Meinung frei geäußert werden, aber in einem gewissen Rahmen. Die Jugendlichen sollten eine respektvolle Gesprächskultur erlernen. Dazu gehöre zuhören, ausreden lassen, argumentieren und andere Meinungen akzeptieren. Es gebe Grenzen, die eingehalten werden müssten, wo eingegriffen werden müsse, z.B. bei Sexismus, Rassismus und Antisemitismus. Dies werde nicht zugelassen. Es gehe vor allem darum, Demokratie zu leben.
Frau Grichisch fragt,
- wie viele Jugendliche und junge Erwachsene nach Dulsberg und Langenhorn kommen
- ob der Standort am Eberhofstieg als nicht ideal betrachtet werde
- wie viele Stellen die Straßensozialarbeit habe
- nach der Arbeitszeit
- in welchen Arbeitskreisen sich die Straßensozialarbeit bewege
- nach Visitenkarten
N/JA3-L erklärt zum Standort Eberhofweg, dass mit der Sprinkenhof AG vertraglich vereinbart worden sei (Leistungsphase 1-3: LP1-Grundlagenermittlung, LP2-Vorplanung, LP3-Entwurfsplanung), den Eberhofstieg zu ertüchtigen. Das Hauptgebäude solle kernsaniert und energetisch modernisiert werden. Die Halle solle neu gebaut werden und auch die Beleuchtungssituation werde neu angegangen, unter Berücksichtigung, dass eine Wegebeleuchtung in einem Park eine Gefahr für nachtaktive Insekten und andere Tiere sein könne.
Frau Reifegerste zeigt sich erfreut über die Planungen, da aktuell nicht das gesamte Haus zur Verfügung stehe und die Halle nicht begehbar sei.
Frau Reifegerste ergänzt, dass ein günstiger Standort von mehreren Dingen abhänge. Nicht nur von der Zugänglichkeit und einem Sicherheitsgefühl. Basics wie Dusche, Waschmaschine, Trockner gehörten zur Straßensozialarbeit dazu. Dies gebe es in Langenhorn nicht. Es gebe im unteren Bereich ein Gemeinschaftsbüro für die Mitarbeitenden, einen Raum für die „bewegten Sachen“, der allen zur Verfügung stehe. Dies sei nicht optimal, aber der aktuellen Situation geschuldet. Im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen, könne die Frage jedoch positiv beantwortet werden. Die Bedürfnisse der Straßensozialarbeit würden bei der Planung des Neubaus berücksichtigt. Es habe Vorgespräche mit den Architekten gegeben. Die Arbeitszeiten seien bedarfsorientiert. Ein Kollege übernehme die Frühschicht, der andere die Spätschicht. Zu zweit ergänze man sich sehr gut.
Herr Seifert weist darauf hin, dass die Arbeit eine gewisse Flexibilität erfordere. So bedarf es morgens ggf. einer Begleitung für Behördengänge, abends gebe es Gruppeangebote. Es gebe je zwei Vollzeitkräfte in Langenhorn und in Dulsberg. Man könne hinsichtlich der Gruppenangebote in Langenhorn von einer Stammnutzerschaft von ca. 8-10 Jugendlichen ausgehen. Fallzahlen würden nicht erhoben, denn die Beratungen seien anonym. Er sagt zu, dass im Nachgang ein Flyer an den Ausschussdienst zur Weiterleitung versandt werde.
N/JA3-KJ2-Straso1 ergänzt zu den Fallzahlen, dass nicht immer genau definiert werden könne, wann es sich um einen konkreten Besuch handle und wann nicht. Bei den Jugendlichen, die über einen längeren Zeitraum bleiben - der sogenannten Stammklientel - handele es sich zahlenmäßig um ca. 30 bis 40 Personen. Die Jugendlichen kämen, um Problemlagen zu bearbeiten oder weil sie sich aufhalten, aufwärmen oder einfach nur unterhalten wollen.
Einmal pro Jahr müsse ein Sachbericht gefertigt werden. Quantität sei erwähnenswert, allerdings sei die Qualität ausschlaggebender, insbesondere, wenn Jugendliche mit schwierigen Problemlagen kämen, deren Bearbeitung und Aufmerksamkeit den ganzen Tag erfordere.
Frau Dr. Hennig erwähnt das Thema (sexualisierte) Gewalt und Gewaltvideos und fragt nach der Rolle von Cyber Mobbing und sozialen Medien und welche Maßnahmen die Straßensozialarbeit dagegenhalte.
Frau Reifegerste teilt mit, dass sie diesbezüglich noch keinen Fall erlebt habe. Auch N/JA3-KJ2-Straso1 berichtet, dass das Thema Gewaltvideos auf den Straßen in Dulsberg nicht präsent sei. Gewalt sei jedoch insofern Thema, als in den Einrichtungen auch „schwere Jungs“ betreut würden. Auf Nachfrage von Herrn Hafkemeyer erläutert N/JA3-KJ2-Straso1 weiter, dass die Straßensozialarbeit im Bezirk Nord über vier Vollzeitkräfte verfüge.
Auf Nachfrage von Frau Kültür teilt Frau Reifegerste mit, dass die Straßensozialarbeit mittels Netzwerktreffen und direkten Ansprechpartnern in ständigem Kontakt zum ASD stehe und über den Arbeitskreis Langenhorn mit verschiedenen Sozialraumakteuren Erfahrungen austausche.
Frau Stahl möchte zum Thema Antisemitismus bei türkisch/arabischen Jugendlichen fragen, ob die Diskussionskultur zu den Jugendlichen durchdringe.
N/JA3-KJ2-Straso1 betont, dass sich ein Zugang zu diesen Jugendlichen erarbeitet werden müsse. Diese Jugendlichen hätten diese Neigung aufgrund ihres Elternhauses, ihrer Sozialisation und des Mediengenusses. Diese Jugendlichen wolle man nicht verlieren und sie sollen weiterhin die Einrichtung besuchen, aber gewisse Grenzen dürfen nicht überschritten werden. Sie sollen auch eine Diskussions- und Streitkultur erleben, deren Ziel die konstruktive Auseinandersetzung auf einer sachlichen Ebene sei. Das sei eine große Herausforderung.
Die Vorsitzende dankt den Gästen und spricht ihnen ihre Anerkennung für deren engagierte und erfolgreiche Arbeit aus, die sich nicht zuletzt an dem stetigen Zulauf messen lasse.
Der Jugendhilfeausschuss nimmt Kenntnis.
Fazit einer kurzen Diskussion: Die Gelder können über Anträge abgerufen werden.
Herr N/JA3-L teilt mit, dass verwaltungsintern Ideen entstanden seien, die Gelder nicht ausschließlich mit Wahlen in Verbindung zu setzen, was bei Jugendlichen/Geflüchteten, die (noch) nicht wählen dürfen/können, keinen Sinn mache, sondern mit einem grundsätzlichen Demokratieverständnis und ermutigt die Träger eigene Ideen einzureichen.
Frau Ebeling merkt an, dass die Träger einige Ideen gesammelt hätten, deren Umsetzung den Einrichtungen jedoch aus Zeitgründen Probleme bereite, z.B. die Entwicklung eines Planspiels, von dem verschiedenste Einrichtungen profitieren könnten.
Die Vorsitzende verweist auf die engagierte Kommunalpolitik, die viele ihrer Beschlüsse direkt umsetzen könne und anhand derer, den Jugendlichen politisches Handeln und Demokratieverständnis nähergebracht werden könne.
Frau Schierning betont, dass junge Menschen anderer Herkunft nicht ausgenommen werden sollten, sich an demokratischer politischer Bildung zu beteiligen.
Der Jugendhilfeausschuss nimmt Kenntnis.
Die Vorsitzende erwähnt die Aufstockung der Mittel für die Ferienfreizeiten durch die Bezirksversammlung und appelliert an die Mandatstragenden der nächsten Legislatur, sich für auskömmliche Geldmittel für Ferienfreizeiten einzusetzen.
Herr Schmidt verabschiedet sich in den Ruhestand.