21-1748

Umbenennung des Emily-Ruete-Platzes
Stellungnahme der Behörde für Kultur und Medien

Mitteilungsvorlage vorsitzendes Mitglied

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
16.11.2020
12.11.2020
Sachverhalt

 

Der Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg hat sich in seiner Sitzung am 21.09.2020 mit o.g. Thematik auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages der GRÜNE- und SPD-Fraktion befasst und mehrheitlich bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion folgende Beschlussempfehlung verabschiedet:

 

  1. Der Platz am Wasser im Finkenau-Quartier soll aufgrund der erst jetzt zutage getretenen kritikwürdigen Ansichten Emily Ruetes nicht länger nach ihr benannt sein. Das Staatsarchiv wird aufgefordert, die obligatorische Prüfung sofort und vorrangig durchzuführen. Der Senat wird dann aufgefordert, die Benennung schnellstmöglich rückgängig zu machen.
  2. Der Leiter des Bezirksamts Hamburg-Nord wird gebeten, die Beschilderung am Platz sobald möglich zu entfernen.
  3. Zur Neubenennung des Uferplatzes soll es erneut einen Aufruf an die Nachbarschaft und die Bewohner*innen umliegender Stadtteile geben.

 

Begründung:

 

Im Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg wurde am 25.02.2019 auf Antrag von SPD und GRÜNEN mehrheitlich beschlossen, den mit der Fertigstellung des Finkenau-Quartiers entstandenen Uferplatz am Ende der Leo-Leistikow-Allee nach Emily Ruete zu benennen. Auf einer Geschichtstafel am Platz sollten zudem weitere Informationen zu Emily Ruete nachlesbar sein. Vorausgegangen war ein Aufruf an die Nachbarschaft und die Bewohner*innen der umliegenden Stadtteile, Vorschläge für die Benennung zu machen. Dort war zum wiederholten Male Emily Ruete vorgeschlagen worden.

Emily Ruete wurde 1844 unter dem Namen Salama bint Said als Tochter des regierenden Sultans auf Sanisbar geboren und heiratete 1867 den Hamburger Kaufmann Rudolph Heinrich Ruete und ging mit ihm nach Hamburg. Sie starb 1924 und wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf begraben.

Der Uferplatz wurde im Januar 2020 nach der üblichen Prüfung durch das Hamburger Staatsarchiv ausgeschildert. Eine offizielle Einweihung hat bislang nicht stattgefunden. Die Geschichtswerkstatt Barmbek ist im Februar 2020 mit der Erstellung der Geschichtstafel beauftragt worden. Die Kosten dafür in Höhe von 4.400 Euro sollen aus Sondermitteln gedeckt werden. Im Rahmen ihrer Recherche und nachdem ein Mitglied des Arbeitskreis Hamburg Postkolonial Kritik an der Benennung geäußert hat, wurde deutlich, dass es berechtigte Kritik an der Person Emily Ruete gibt. Emily Ruete setzt sich in ihren Memoiren wiederholt für die Sklavenhaltung ein, ihre Äußerungen gegenüber den Sklav*innen sind rassistisch.

Diese Erkenntnisse waren der Bezirkspolitik bei der Namensgebung im Jahr 2019 nicht bewusst. Auch das Staatsarchiv hatte an der Benennung bei seiner Prüfung des Vorschlags nicht auszusetzen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Benennung des Platzes nach Emily Ruete im Jahr 2020 nicht angemessen ist, denn sie widerspricht der Haltung gegen Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit, der sich die Fraktionen verpflichtet fühlen.

 

Der Hauptausschuss folgt der Beschlussempfehlung.

 

Die Behörde für Kultur und Medien nimmt hierzu wie folgt Stellung:

 

Vorbemerkung:

Hamburg hat sich als erste deutsche Metropole im Jahr 2014 zur Aufarbeitung des schwierigen kolonialen Erbes entschieden (Drs. 20/12383). Ein Element dieses postkolonialen Erinnerungskonzepts ist die Auseinandersetzung mit Verkehrsflächen, die nach kolonial belasteten Personen oder Orten benannt worden sind. Darüber hinaus sollen diejenigen, die antikolonialen Widerstand geleistet haben, oder Personen aus ehemaligen Kolonialgebieten mit einer bemerkenswerten Biographie, verstärkt in den Blick gerückt und gewürdigt werden. Ähnlich wie bei Verkehrsflächen, die nach Personen mit einer möglichen NS-Belastung benannt sind, ist auch die Frage nach dem Umgang mit Benennungen aus kolonialen Kontexten nicht nur eine historische. Das Staatsarchiv hat sich in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Einzelfällen beschäftigt.

 

Nachdem die Behörde für Kultur und Medien erst im September 2020 eine Kommission, bestehend aus Expertinnen und Experten für erinnerungspolitische Fragestellungen, berufen hat, die einheitliche Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und gegebenenfalls Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen soll, rückt nun auch der Umgang mit kolonial belasteten Straßennamen mehr in den Fokus. Zum 1. September 2020 konnte im Staatsarchiv Hamburg eine Projektstelle besetzt werden, die innerhalb eines Jahres eine Fachstrategie zur Umbenennung kolonial belasteter Straßennamen im Rahmen der Aufarbeitung des kolonialen Erbes erarbeiten soll und schon jetzt in laufenden Entscheidungsprozessen konsultiert werden kann. Bei zukünftigen Benennungsvorschlägen nach kolonialkritischen Akteuren empfiehlt das Staatsarchiv zudem den Bezirken, auch die Perspektiven derjenigen Initiativen und Communities von Black, Indigenous und People of Color einzubinden, die in der Stadt die Expertise in den Bereichen Kolonialismus, Postkolonialismus, Rassismus und Dekolonisierung haben. Hier kann die Behörde für Kultur und

Medien unterstützend Kontakte vermitteln.

 

Dies vorausgeschickt, nimmt die Behörde für Kultur und Medien zu der Empfehlung der Bezirksversammlung Hamburg-Nord wie folgt Stellung:

 

Das Verfahren für eine Umbenennung von Verkehrsflächen sieht - ebenso wie das für eine Neubenennung - vor, dass der Namensvorschlag für eine Verkehrsfläche und die Bewertung der Würdigkeit einer Person als Namensgeberin unter Beachtung der geltenden Richtlinien durch den Bezirk erfolgen. Die Anträge sind durch die Bezirksämter zu den Stichtagen 1.4., 1.7. und 1.10. beim Staatsarchiv zu stellen. Umbenennungen sind nur in Ausnahmefällen möglich, beispielsweise um Unklarheiten wie Verwechslungen zu beseitigen (Bestimmungen über die Benennung von Verkehrsflächen vom 28.2.2005, Nr. II.7). Des Weiteren ist nach der Auslegung der Richtlinien eine Umbenennung auch dann möglich, wenn das Handeln des Namensgebers eklatant den Vorstellungen der heutigen demokratischen Gesellschaft widerspricht.

Der Antrag muss eine Begründung der Umbenennung und einen abgestimmten und biografisch bewerteten neuen Benennungsvorschlag enthalten. Nach Prüfung des Antrags erstellt das Staatsarchiv zum Stichtag die Beschlussvorlage für den Senat. Der Senatsbeschluss wird im Amtlichen Anzeiger veröffentlicht. Anschließend kann der Bezirk entsprechende Straßenschilder anbringen. Grundsätzlich hat der Senat die Erhöhung des Anteils der nach Frauen benannten Verkehrsflächen als Ziel festgelegt. Im Fall von Emily Ruete sollte offenbar die ungewöhnliche Biographie und Lebensleistung einer arabischen Frau im Deutschland des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gewürdigt werden. 

 

 

Petitum/Beschluss

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

 

Priscilla Owosekun-Wilms