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Obdachlosigkeit langfristig beenden - Housing First umsetzen! Antrag der Fraktion DIE LINKE

Antrag

Letzte Beratung: 26.01.2023 Ausschuss für Soziales Ö 5.1

Sachverhalt

 

Das Menschenrecht auf Wohnen ist in einem der reichsten Städte Deutschlands für viele nicht gegeben. Die Regierungsfraktionen in der Bürgerschaft haben im Januar 2020 die Einrichtung eines Housing First-Modellprojekts beschlossen. Passiert ist seither nichts. Die Zahl der wohnungs- und obdachlosen Menschen dürfte seit der letzten Schätzung deutlich gestiegen sein.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist die wesentliche Ursache für die hohe Wohnungslosigkeit. Besonders Menschen mit geringen Einkommen sind praktisch chancenlos auf dem Wohnungsmarkt. Wer einmal wohnungslos geworden ist, hat auf angespannten Wohnungsmärkten kaum eine Chance, eine neue Wohnung zu finden. Gerade Mietschulden als häufigste Ursache des Wohnungsverlusts sind dabei das größte Hindernis bei der Wohnungssuche. Auf der anderen Seite sind die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe häufig unterfinanziert, haben zu geringe Kapazitäten oder sind aus anderen Gründen nicht für alle Betroffenen nutzbar. Für Träger der Wohnungslosen-, Geflüchteten- oder Straffälligenhilfe wird es zunehmend schwieriger, Wohnungen für diese Menschen zu finden.

Der Umgang mit Wohnungslosigkeit ist ein Gradmesser für eine soziale Wohnungspolitik. Ziel muss es sein, Betroffene nicht nur ein vorübergehendes Obdach zu bieten, sondern sie mit angemessenen Wohnungen zu versorgen. Dabei setzten einige Länder seit Jahrzehnten erfolgreich auf wirklich wirksame Konzepte. 

Housing-First bedeutet, dass Obdachlose dezentral, ohne Vorbedingungen eine Wohnung (mit eigenem Mietvertrag) erhalten und nach dem Einzug sozialarbeiterische Unterstützung in Anspruch nehmen können, wenn sie das möchten.  Im Gegensatz zu anderen betreuten Wohnformen entkoppelt folglich Housing-First das Mietverhältnis vom Unterstützungsangebot und setzt für den Bezug der eigenen Wohnung keine Bewährung in stufenweisen vorangehenden Hilfemaßnahmen oder die Bereitschaft zu Abstinenz, Therapie, beruflicher (Wieder-) Eingliederung oder anderen vereinbarten Hilfezielen voraus. Gleichzeitig macht ein multiprofessionelles Team ein ständiges, offensives und individuelles Unterstützungsangebot. Housing-First gibt es in verschiedenen Konzeptionen und mit verschiedenen Schwerpunkten. Der international erprobte Einsatz verspricht eine deutlich höhere Erfolgsquote in der Bekämpfung von Obdachlosigkeit als herkömmliche Ansätze. Housing-First wird seit den 90er Jahren in verschiedenen Ländern und vor allem großen Städten, wie beispielsweise Wien, erfolgreich zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit eingesetzt. Flächendeckend z.B. in Finnland: Eines der Länder, in denen die Obdachlosigkeit langfristig sinkt. Doch auch in Deutschland gibt es etwa 15-20 Projekte. 78-90 Prozent der Obdachlosen, die die Modellprojekte in Anspruch nahmen, leben nach zwei Jahren weiterhin in der Wohnung und werden auch psychisch stabiler. Belastbare Zahlen zur dauerhaften Finanzierung gibt es hier noch nicht. Doch aus anderen Ländern ist bekannt, dass die Finanzierung von Housing-First Projekten langfristig weniger kostenintensiv als herkömmliche Maßnahmen ist.

 

In diesem Zusammenhang sind insbesondere Fragen zu einer Konzeptionierung, möglichen Standorten, notwendigen finanziellen Mitteln sowie die Diskussion um die Notwendigkeit eines Betreibers mit den Fachbehörden, der Wohnungswirtschaft sowie freien Trägern der Obdachlosenhilfe zu erörtern.

 

Petitum/Beschluss

 

Aus diesem Grund möge die Bezirksversammlung Hamburg-Nord beschließen:

 

  1. Die Bezirksversammlung begrüßt die Initiative der Hamburgischen Bürgerschaft und spricht sich ebenfalls für Housing-First als Paradigmenwechsel in der Bekämpfung von Obdachlosigkeit aus.
  2. Das Bezirksamt wird gebeten, sich bei der zuständigen Fachbehörde für eine sofortige Umsetzung von Housing-First in Hamburg einzusetzen. Dabei ist darauf einzuwirken, dass der zur Verfügung gestellte Wohnraum dezentral auf alle Bezirke verteilt wird.
  3. Die Bezirksversammlung bittet den Bezirksamtsleiter bei den zuständigen Fachbehörden die Erstellung eines Housing-First Konzeptes zu initiieren, welches mit freien Trägern, die in der Obdachlosenhilfe tätig sind sowie unter Beteiligung der Bezirksämter erarbeitet wird. 
  4. Die Bezirksversammlung bittet ferner das Bezirksamt um Prüfung, welche rechtlichen Regelungen nötig wären, um Housing-First Wohneinheiten bei Neubauvorhaben verbindlich und langfristig zu berücksichtigen. 
  5. Die Bezirksversammlung spricht sich für eine Umwandlung von Obdachlosenunterkünfte in reguläre Mietwohnungen aus.
  6. Die Bezirksversammlung spricht sich für eine Berücksichtigung möglicher Kosten bei der Umsetzung von Housing-First (auch im Rahmen eines Modellprojekts) in den Haushaltsberatungen der Hamburgischen Bürgerschaft für den Doppelhaushalt 2021/2022 aus.
  7. Die Bezirksversammlung spricht sich dafür aus, dass im Rahmen eines Modell-Projekts die Konzeption zu Housing-First in dem Bezirk Hamburg-Nord erprobt wird. Das Bezirksamt wird gebeten, hierfür gemeinsam mit den zuständigen Ausschüssen eine Projektentwicklung durchzuführen. Sollten hierfür externe Kompetenzen benötigt werden, möge das Bezirksamt die dafür benötigten Ressourcen beziffern und den Ausschüssen bzw. der Bezirksversammlung mit Erläuterung vorlegen. 
  8. Die Bezirksversammlung bittet die Bezirksverwaltung  auch vor dem Hintergrund der derzeitigen pandemischen Lage  sich für eine Einzelunterbringung im Rahmen des Modellprojekts zu Housing-First sowie perspektivisch im Winternotprogramm einzusetzen. 
  9. Die Bezirksversammlung bittet den Bezirksamtsleiter weitere Hamburger Bezirke für die Teilnahme an einem möglichen Modellprojekt zu gewinnen.
  10. Der Stadtentwicklungsausschuss und der Sozialausschuss sind fortlaufend über die Ergebnisse der Prüfung und Umsetzung zum Housing-First Modellprojekt zu informieren.

 

 

DIE LINKE

Rachid Messaoudi, Dino Ramm, Keyvan Taheri, Angelika Traversin, Jonas Wagner

 

 

Bera­tungs­reihen­folge
Datum/Gremium
TOP
20.05.2021
Ö 6.1
Anhänge

 

Keine 

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