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Menschen in Senior*innenheimen vor Ausgrenzung und Isolation schützen! Stellungnahme der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration

Mitteilungsvorlage vorsitzendes Mitglied

Letzte Beratung: 03.06.2021 Ausschuss für Soziales Ö 9.3

Sachverhalt

 

Der Ausschuss für Soziales hat sich in seiner Sitzung am 01.04.2021 mit der o.g. Thematik befasst und folgende Beschlussempfehlung verabschiedet

 

Die Vorsitzende der Bezirksversammlung Hamburg-Nord möge sich bei der Sozialbehörde /der Verordnungsgeberin dafür einsetzen, dass

 

  1. die anstehende Neuregelung des Besuchsrechts in Wohneinrichtungen der Pflege und Kurzzeitpflegeeinrichtungen durch die Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) dem aktuell deutlich verbesserten Schutz der Menschen vor Erkrankung durch Impfungen in diesen Einrichtungen Rechnung trägt und Isolation und Vereinsamung verhindert;

 

  1. für Wohneinrichtungen der Pflege und Kurzzeitpflegeeinrichtungen zeitnah eine Ziffer 11. des MPK Beschlusses vom 22.03.2021 berücksichtigende Regelung getroffen wird, wonach „zwei Wochen nach der Zweitimpfung die Besuchsmöglichkeiten in Einrichtungen ohne Ausbruchsgeschehen wieder erweitert werden können“.

 

  1. für Wohneinrichtungen der Pflege und Kurzzeitpflegeeinrichtungen zeitnah eine Regelung getroffen wird, durch die Einrichtungen angehalten und darin unterstützt werden, spezielle Besuchszeiten auch zu den Randzeiten für berufstätige Vertrauenspersonen (z.B. Angehörige /Betreuer*innen) anzubieten.

 

  1. für Wohneinrichtungen der Pflege und Kurzzeitpflegeeinrichtungen zeitnah eine Regelung getroffen wird, durch die Einrichtungen angehalten und darin unterstützt werden, ein grundsätzlich uneingeschränktes Besuchsrecht pro Bewohner*in mindestens einer Vertrauensperson (z.B. Angehörige/r/Betreuer*in) vorzusehen.

 

Hintergrund:

Das Leben in Coronazeiten ist für Menschen, die in stationären Einrichtungen wie Senior*innenheimen leben, sehr schwer. Die Bewohner*innen sind im besonderen Maße betroffen, da jede Art der persönlichen Begegnung seit dem Ausbruch der Pandemie plötzlich als Bedrohung empfunden wurde. Die sonst gewohnten sozialen Kontakte innerhalb und außerhalb einer Einrichtung und die Beschäftigungsangebote zum Erhalt von Geist, Mobilität und Teilhabe sind immer noch entweder kaum vorhanden oder sehr stark eingeschränkt. 

Aktuell zeigen aber die Impfungen vor allem in Wohneinrichtungen der Pflege und Kurzzeitpflegeeinrichtungen bereits Wirkung. Mit diesen Erfolgen ist es möglich und notwendig, umzudenken und die Angst vor den für die Bewohner*innen so lebenswichtigen Begegnungen wieder zu verlieren.

Trotz der gelungenen und umgesetzten Impfpriorität fühlen sich manche Bewohner*innen mehr denn je ausgegrenzt und wie eingesperrt in ihren Einrichtungen. Wie Angehörige berichten, waren viele Bewohner*innen seit dem letzten Jahr kaum an der frischen Luft und haben außer ihrem Zimmer und Pflegekräften, die unter Zeitdruck stehen, nichts anderes gesehen. Eine kurzzeitige Abwechslung z. B. in Form von Außenkonzerten sind löblich, aber viele Bewohner*innen konnten diese aus verschiedenen Gründen nicht wahrnehmen.

Angehörige dürfen trotz aller vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen (z. B. Nachweis eines negativen Tests vor dem Betreten einer Einrichtung, FFP2-Maske, Lüften im Zimmer) nicht in die Zimmer ihrer Angehörigen (außer zur Sterbebegleitung oder bei Bettlägerigkeit).

 

Viele Bewohner*innen sowie deren Angehörige fühlen sich in den Zimmern aber am sichersten und wollen/können sich nicht in Besucherräume begeben. Denn dort müssten allzu oft emotionale Empfindungen, die nur möglich sind durch gespendeten verbalen Trost, mit fremden Menschen während der Besuchszeiten ungewollt und für alle sichtbar geteilt werden.

 

Auch für die Pflege- und/oder Betreuungskräfte ist es eine zusätzliche Belastung, wenn sie dafür sorgen müssen, dass Bewohner*innen zu den angemeldeten Zeiten in Besuchsräume gebracht werden. Dieses Personal fehlt damit in anderen relevanten Bereichen. Besuchszeiten außerhalb der Zimmer bedeuten auch bei personellen Engpässen durch unvorhergesehene Krankmeldungen ein großes Problem für alle Beteiligten.

 

Ferner sind in vielen Einrichtungen die Testzeiten und Besuchszeiten für meist berufstätige Angehörige unter der Woche schwer bis unmöglich wahrzunehmen. Die Folge ist, dass der so wichtige persönliche Kontakt für beide Seiten entfällt. Auffallend häufiger wird von Lebensmüdigkeit, Nahrungsaufnahmeverweigerung und allgemein einem vorzeitigen Abbau des Gesamtzustandes der Bewohner*innen berichtet.

 

Viele geimpfte Bewohner*innen bleiben weiterhin resigniert in ihren Zimmern und vereinsamen trotz der Bemühungen der Pflege- und Betreuungskräfte. Ältere und pflegebedürftige Menschen müssen zwar besonderen Schutz in der Pandemie erhalten. Dieser muss aber mit einem Konzept einhergehen, das diese nicht in eine vollständige Isolation zwingt.

 

Der Hauptausschuss folgt der Beschlussempfehlung.

 

Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbebhörde) nimmt hierzu wie folgt Stellung:

 

Die Sozialbehörde teilt den durch Beschluss des Sozialausschusses zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach Schutz vor Ausgrenzung und Isolation. Die Corona-Pandemie hat besonders Ältere und Pflegebedürftige sowie in die Versorgung eingebundene Menschen und Angehörige hart getroffen. In den stationären Pflegeeinrichtungen führten die häufig sehr dynamischen Ausbruchsgeschehen zu vielen schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen unter den hochvulnerablen Bewohnerinnen und Bewohnern. Das Pflegepersonal hat in den vergangenen Monaten unter schwierigsten Bedingungen einen bemerkenswerten Kraftakt zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung geleistet. Die mit Blick auf die Infektionsprävention leider unvermeidlichen Kontaktbeschränkungen verstärkten zweifellos die soziale Isolation der Betroffenen. Eine zentrale Rolle bei der ständigen Abwägung des Nutzens von Infektionsschutzmaßnahmen gegenüber den daraus resultierenden psychosozialen Belastungen spielen die Besuchsmöglichkeiten durch Angehörige.

 

Erfreulicherweise zeigt die im Dezember vergangenen Jahres begonnene Impfkampagne mit der Priorisierung der stationären Pflege die erhoffte Wirkung: Der größte Teil der Bewohnerinnen und Bewohner hat zum aktuellen Zeitpunkt den vollständigen Impfschutz, bzw. gilt aufgrund einer überstandenen Infektion als immunisiert. Die Folge: Nach Beginn des Jahres 2021 sind

die Infektionszahlen, schweren Krankheitsverläufe und Todesfälle in den Pflegeeinrichtungen signifikant zurückgegangen.

 

Vor diesem Hintergrund beschloss der Senat mit Wirkung zum 24. April 2021 die Aufhebung bzw. Reduzierung von Schutzmaßnahmen u.a. hinsichtlich der in der Beschlussempfehlung thematisierten Besuchsregelungen in der vollstationären Pflege. Grundsätzlich sind die Einrichtungen nunmehr aufgefordert, Außenkontakte der Bewohnerinnen und Bewohner möglichst wenig einzuschränken. Diese dürfen nunmehr jeden Tag ohne zeitliche Begrenzung im Rahmen angemessener Besuchszeiten Besuch von bis zu zwei Personen gleichzeitig empfangen. Angemessene Besuchszeiten sollen täglich mindestens acht Stunden umfassen, um auch berufstätigen Vertrauenspersonen Besuche zu ermöglichen. In Einzelfällen kann nach den Gegebenheiten der Einrichtung Besuchen von mehr als zwei gleichzeitig anwesenden Personen zugestimmt werden. Andererseits bleiben Zugangskontrollen für alle Besuchenden durch Anmeldung- und Terminbestätigung auch weiterhin nötig, um zu jeder Zeit die Einhaltung der Abstandsregelungen sicherzustellen. Zur Flankierung der Anpassungsmaßnahmen müssen die Einrichtungen künftig täglich Besuchertestungen durch PoC-Antigentests im Rahmen besucherfreundlicher Testzeiten anbieten. Als besucherfreundlich werden Testzeiten von drei Stunden täglich angesehen. In Ergänzung zu den dezentralen Testangeboten der Stadt und der Möglichkeit der Testung über den Arbeitgeber werden so aus Sicht der Sozialbehörde Besuchsmöglichkeiten mit einem für Einrichtungen und Besuchende vertretbaren Aufwand sichergestellt.

 

Petitum/Beschluss

Beschlussempfehlung:

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

 

Priscilla Owosekun-Wilms

 

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