21-5083.1.1

Gedenken an den Flakhelfer und Kindersoldaten Hans-Wolfgang Schopper Stellungnahme der Behörde für Kultur und Medien

Mitteilungsvorlage vorsitzendes Mitglied

Letzte Beratung: 15.04.2024 Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg Ö 9.1

Sachverhalt

 

Der Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg hat sich in seiner Sitzung

am 12.02.2024 mit oben genannter Thematik auseinandergesetzt und einstimmig folgende Beschlussempfehlung

formuliert:

  1. Das Bezirksamt wird gebeten, neben dem Gedenkstein für gefallene Flakhelfer in der Grünanlage Schwanenwiek eine Gedenktafel zur Erläuterung des Schicksals der Kindersoldaten zu errichten.
  2. Vor der Beauftragung der Tafel sollte der Text, der von der Petentin in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Alexandra Köhring (Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen) und Pastor Billerbeck (Gedenkstätte Neuengamme) erstellt und von uns nach Einholung weiterer Informationen überarbeitet wurde, dem Staatsarchiv zur Prüfung vorgelegt werden. Frau Dr. Köhring wurde von der Kulturbehörde BKM als Expertin zu dem Thema vorgeschlagen:

r Deutschland fielen ...“?

Gedenktafel für zwei Soldaten und einen Flakhelfer an der Außenalster/Schwanenwik

An dieser Stelle des Alsterufers befand sich im 2. Weltkrieg ein Steg, der zu einer „Flak-lnsel“ (Flak=Flugabwehrkanone) auf der Alster führte. Auf der Außenalster waren 1941 zwei Flakinseln installiert und die Binnenalster komplett mit Attrappen von Häusern, Brücken und Bäumen überbaut worden, um der alliierten Luftwaffe die Orientierung bei ihren Angriffen auf die Innenstadt und den Hamburger Hafen zu erschweren.

Auf den beiden Flakinseln auf der Außenalster wurden ab 1943 auch Schüler eingesetzt als Luftwaffenhelfer oder sogenannte Flakhelfer. Bis zum Kriegsende sollen es im gesamten Deutschen Reich insgesamt 200.000 gewesen sein, darunter auch Mädchen. Auf dieser Flakinsel in der Alster waren es 54 Flakhelfer.

Diese jungen Menschen waren in der Hitlerjugend (HJ), der Jugendorganisation der NSDAP, sozialisiert und seit Beginn des 2. Weltkrieges ideologisch und militärisch zunehmend auf den Kriegseinsatz vorbereitet worden. Die Jungen wurden in Baracken in der Nähe ihres Einsatzortes untergebracht, durften einmal in der Woche nach Hause und alle 14 Tage für ein Wochenende. Hinzu kam ein Urlaub von 14 Tagen. Sie erhielten eine Ausbildung von sechs Wochen und wurden dann wie Soldaten eingesetzt.

Ca. 100.000 der jugendlichen Flakhelfer und Flakhelferinnen wurden getötet. Die Familien bekamen 100 Reichsmark für die Beerdigung und 50 Reichsmark für den Grabstein. Diese Flakhelfer erlebten auch die Bombardierungen der „Operation Gomorrha“ im Juli und August 1943, bei der mindestens 37.000 Menschen in Hamburg ums Leben kamen.

Bei dieser Operation starben auf der Flakinsel in der Alster der Obergefreite Richard Böhmer, Jahrgang 1915, und der Unteroffizier Friedrich Poggel, Jahrgang 1905. Für beide Soldaten liegen keine Nachweise einer NSDAP-Mitgliedschaft vor.

Auch der Luftwaffenhelfer Hans-Wolfgang Schopper, Jahrgang 1927 und Schüler der Oberschule für Jungen in der Armgartstraße, wurde getötet. Er war 16 Jahre alt und nach heutiger Definition internationaler Kinderschutzorganisationen ein Kindersoldat.

Die zwei Soldaten und der Flakhelfer sind alle drei in unterschiedlichen Grabstätten auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet worden.

Der Anlass für die Aufstellung des Gedenksteins ist nicht bekannt. Ein ehemaliger Flakhelfer berichtete, dass ein Mitglied dieser Flakstellung den Gedenkstein anfertigte. Die Gedenktafel wurde in die Grünanlage Schwanenwik integriert, die Anfang der 1950er angelegt wurde.

 

Diese Informationstafel entstand aus einer Privatinitiative mit Unterstützung der Geschichtswerkstatt St. Georg und wurde 2024 vom Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg aufgestellt.

Weitere Informationen gibt es über das Online-Portal „denk-mal-gegen-krieg“ des Bereichs Erinnerungskultur der Nordkirche unter den Stichworten Hamburg - Uhlenhorst

  1. Zur Neugestaltung des Gedenkortes mit einer Tafel und einer würdevollen Begleitveranstaltung wird der Hauptausschuss gebeten, 2.000 Euro aus bezirklichen Mitteln zur Verfügung zu stellen.

Begründung:

Im Sommer 1943 flogen die alliierten Streitkräfte unter Führung Arthus Harris sieben große Bombenangriffe auf Hamburg. Bei der „Operation Gomorrha“ starben mehr als 35.000 Menschen. Es traf nicht nur Industrie- und Militärobjekte  auch ca. 280.000 Wohnungen und 270 Schulen wurden zerstört.

Diefaschistische Diktatur der NSDAP setzte in diesen Tagen eine verbliebene Ressource ein: Es wurden Tausende von Kindern und Jugendlichen zur Abwehr an die Front mobilisiert. So auch der damals 16-jährige Hans-Wolfgang Schopper, ein Schüler der Jungen-Oberschule in der Armgartstraße.

Gemeinsam mit seinen Kollegen Richard Böhmer (geboren 1915) und Friedrich Poggel (Jahrgang 1905) sollte er als Helfer an einer Flugabwehrkanone die Alster verteidigen. Alle drei kamen bei diesem unmöglichen Unterfangen ums Leben. Daran erinnert ein Gedenkstein, der jedoch weder die Problematik der Kindersoldaten anspricht noch nach heutigen Maßstäben sprachlich und ästhetisch angemessen auf dieses Ereignis reagiert. Er weist z.B. die Formulierung „r Deutschland fielen...“ auf. Durch eine Eingabe im Regionalausschuss [1] wurde dieser auf den Gedenkstein aufmerksam gemacht. Die eingebende Person und auch der Ausschuss halten es für wünschenswert, den Stein mit einer zusätzlichen Tafel in seinen historischen Kontext zu stellen. Dabei soll auch heute, 80 Jahre nach der Tragödie, das Gedenken bewahrt und an die Gefallenen erinnert werden. Hans-Wolfgang Schopper steht dabei mit seinem Namen und Beispiel für 100.000 getötete Kindersoldaten in Deutschland.

 

Der Hauptausschuss folgt der Beschlussempfehlung.

 

Die Behörde für Kultur und Medien nimmt zu Punkt 2. wie folgt Stellung:

 

Die Entscheidungsbefugnis zur Aufstellung einer Gedenktafel obliegt dem Bezirk Hamburg-Nord, da es sich bei dem betreffenden Gedenkstein nicht um ein offizielles Denkmal und bei dem geplanten Erläuterungsschild nicht um einen Zusatz zu einem Straßenschild handelt. Die Behörde für Kultur und Medien begrüßt erinnerungskulturelle Initiativen aus den Hamburger Bezirken. Das Staatsarchiv ist hierbei gerne beratend tätig.

 

Dies vorweggenommen, gibt das Staatsarchiv folgende Empfehlungen ab.

 

Grundsätzlich verfolgt der Text für die Gedenktafel zwei Ziele der Vermittlung. Zum einen soll der Gedenkstein, der selbst außer der Namen und Sterbedaten der drei genannten Personen wenig Informationen bereithält, für vorbeigehende Personen verstehbar gemacht werden. Zum anderen soll mit der aufzustellenden Tafel allgemein an den Einsatz von jugendlichen Schülern als sogenannte Luftwaffen- bzw. Flakhelfer während des Zweiten Weltkriegs erinnert werden. Der Erläuterungstext legt einen klaren Schwerpunkt auf das allgemeine Thema „Flakhelfer“. Anlass und Kontext der Aufstellung des Gedenksteins in der Nachkriegszeit werden erst zum Schluss angedeutet. Auf der Homepage www.denk-mal-gegen-den-krieg.de, auf die im Text verwiesen wird, finden sich weitere Hinweise zum historischen Kontext der Aufstellung, vermutlich durch einen ehemaligen Unteroffizier der Wehrmacht, der das Relief angefertigt hat und damit wahrscheinlich seiner gefallenen Kameraden gedenken wollte. Es wäre ratsam, die Erläuterung der beiden historischen Kontexte Einsatz von „Luftwaffenhelfern“ in Hamburg und Aufstellung des Gedenksteins stärker voneinander abzugrenzen und die Entstehung des Gedenksteins an den Anfang zu stellen.

 

Im Detail möchte das Staatsarchiv gerne auf vier Aspekte des Erläuterungstextes aufmerksam machen.

  1. Der auf dem Gedenkstein genannte Luftwaffenhelfer wird als „Kindersoldat“ bezeichnet. „Kindersoldat“ ist ein erst seit etwa 30 Jahren genutzter Terminus und bezieht sich in erster Linie auf Personen unter 15 Jahren, die vor allem in Ländern des globalen Südens für den Kriegseinsatz ausgebildet und eingesetzt werden. Eine Übertragung dieser Begrifflichkeit auf einen 16jährigen Jugendlichen, der in Hamburg im Zweiten Weltkrieg als Luftwaffenhelfer eingesetzt wurde, mutet daher anachronistisch an und kann bei Leserinnen und Lesern des Erläuterungstextes zu Irritationen führen. Mitglieder der sogenannten Flakhelfergeneration sind der breiten Öffentlichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg eher als Mitglieder einer „verlorenen“ oder „vergessenen“ Generation im Gedächtnis geblieben. Es wird daher empfohlen, für ein besseres Verständnis auf die Bezeichnung „Kindersoldat“ zu verzichten. (In unmittelbarer Nähe befindet sich zudem das Wolfgang-Borchert-Denkmal am Schwanenwik, das mit seinem Text, einem Zitat aus dem Werk „Generation ohne Abschied“ des Schriftstellers Borchert, Bezug auf die sogenannte verlorene Generation nimmt. „Wir sind die Generation ohne Bindung und ohne Tiefe. Unsere Tiefe ist der Abgrund“.)
  2. Es wird die Zahl von „ca. 100.000“ getöteten Flakhelfern und Flakhelferinnen genannt. Zum einen gibt es für diese Zahl in der Forschung keine validen Belege. Zum anderen war der überwiegende Teil der Flakhelfer männlich. Es wird empfohlen, die angegebene Zahl zu streichen und besser von vielen getöteten Flakhelfern zu sprechen und darauf hinzuweisen, dass Flakhelfer überwiegend männlich waren.
  3. Es wird empfohlen, den Text im Sinne einer besseren Lesbarkeit zu kürzen und Details z. B. zur „Operation Gomorrha“ auf der Homepage www.denk-mal-gegen-den-krieg.der Interessierte bereitzustellen. Es könnte beispielsweise ein QR-Code auf der Erläuterungstafel bereitgestellt werden, der auf die genannte Homepage verweist.
  4. Der Text beschreibt, dass die beiden erwachsenen Soldaten im Einsatz und während der Luftangriffe auf Hamburg im Rahmen „Operation Gomorrha“ getötet wurden. Bei Hans-Wolfgang Schopper ist hingegen nur allgemein davon die Rede, dass er getötet wurde. Unklar bleibt bei dieser Formulierung, ob dies ebenfalls im Einsatz auf der „Flak-Insel“ geschah.

 

Petitum/Beschluss

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

 

Isabel Permien

 

Bera­tungs­reihen­folge
Anhänge

   

keine       

Lokalisation Beta
Schwanenwik Armgartstraße

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