Verkehrssicherheit auf dem Schiffbeker Weg
Die Bezirksversammlung Hamburg-Mtte hat in ihrer Sitzung am 19.09.2024 dem nachfolgenden Antrag, Drs. 23-0107 der GRÜNE-, SPD- und Volt-Fraktion, Fraktion DIE LINKE und FDP-Gruppe,
einstimmig - bei Enthaltung der CDU-Fraktion und eines Mitglieds der AfD-Fraktion - zugestimmt.
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Am Abend des 26. August 2024 ereignete sich zum zweiten Mal in diesem Jahr ein tödlicher Unfall auf dem Schiffbeker Weg. Mit weit überhöhter Geschwindigkeit wurde ein Fahrzeug, das vom Sturmvogelweg in den Schiffbeker Weg abbog, von einem anderen Fahrzeug gerammt. Ein Insasse des abbiegenden Fahrzeugs, ein 2-jähriges Kleinkind, musste noch an der Unfallstelle reanimiert werden und verstarb später im Krankenhaus an seinen Verletzungen.
Bereits im Juli dieses Jahres wurde eine Frau auf dem Schiffbeker Weg von einem Fahrzeug erfasst und tödlich verletzt. Auch in den Jahren zuvor ereigneten sich immer wieder Unfälle mit tödlichen Ausgang.
Nach Aussagen von Anwohnenden kommt es immer wieder zu Verstößen gegen die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Aggressives Fahrverhalten im Allgemeinen, wie das Überfahren roter Ampeln, sowie vermutete illegale Straßenrennen führen mutmaßlich vermehrt zu Unfällen. Vor diesem Hintergrund wurde von Bürger*innen eine Petition gestartet, die unter anderem verstärkte Geschwindigkeitskontrollen und die Installation von Blitzern fordert.
Die Verwaltung wird gebeten,
a) gegenüber den zuständigen Stellen (Polizei, BVM) darauf hinzuwirken, dass zeitnah eine Zusammenstellung der Anzahl der Unfälle mit Personenschäden auf dem Schiffbeker Weg in den letzten fünf Jahren erstellt wird. Die Zusammenstellung sollte ausweisen, wie viele dieser Unfälle schwere/tödliche Personenschäden nach sich zogen und wie viele auf eine überhöhte Geschwindigkeit oder verbotene Kraftfahrzeugrennen zurückzuführen waren.
b) vor diesem Hintergrund die zuständigen Stellen um eine Bewertung zu bitten, inwiefern auf dem Schiffbeker Weg eine besondere Gefahrenlage besteht.
c) bei der Polizei in Erfahrung zu bringen, in welchem Umfang auf dem Schiffbeker Weg Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden.
d) mit den zuständigen Stellen zu erörtern, welche Maßnahmen kurz- und mittelfristig ergriffen werden können, um die Verkehrssicherheit auf dem Schiffbeker Weg zu erhöhen.
e) den zuständigen Ausschuss, oder soweit dieser noch nicht eingerichtet ist die Bezirksversammlung, über das Ergebnis zu informieren und Vertreter*innen von Polizei und BVM zur Vorstellung und Beratung in die Sitzung einzuladen.
Die Behörde für Inneres und Sport teilt zu dem Beschluss nach § 27 Absatz 2 Satz 2 BezVG mit Schreiben vom 18.11.2024 Folgendes mit:
a) Zusammenstellung der Anzahl der Unfälle mit Personenschaden auf dem Schiffbeker Weg in den letzten fünf Jahren. Inkl. Aufstellung, wie viele dieser Unfälle schwere/tödliche Personenschäden nach sich zogen und wie viele auf eine überhöhte Geschwindigkeit oder verbotene Kraftfahrzeugrennen zurückzuführen waren.
Polizeiliche Maßnahmen orientieren sich maßgeblich an dem Ziel, Verkehrsunfälle, insbesondere mit Personenschaden, zu reduzieren und Unfallschwerpunkten beziehungsweise Unfallhäufungsstellen (UHS) entgegenzuwirken.
Vor diesem Hintergrund erfolgte aus aktuellem Anlass eine standardisierte Unfallauswertung des gesamten Schiffbeker Weges zwischen Billstedter Hauptstraße und Rodigallee (ohne dessen Anfangs- und Endknoten). Im Auswertezeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.08.2024 wurden demnach auf der bewerteten Strecke insgesamt 1.181 Verkehrsunfälle (VU) polizeilich registriert. Dabei wurden 5 Personen getötet, 20 Personen schwer- und 172 leichtverletzt.
Die Aufschlüsselung der VU nach Jahren und Unfallkategorien sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Jahr |
VU mit Getöteten |
VU mit Schwerverletzten |
VU mit Leichtverletzten |
VU mit Sachschaden |
gesamt |
2019 |
1 |
5 |
26 |
212 |
244 |
2020 |
1 |
1 |
23 |
175 |
200 |
2021 |
- |
1 |
27 |
166 |
194 |
2022 |
1 |
5 |
30 |
162 |
198 |
2023 |
- |
3 |
41 |
174 |
218 |
2024 (bis einschl. August) |
2 |
5 |
25 |
96 |
127 |
gesamt |
5 |
20 |
172 |
985 |
1.181 |
Bei den folgenden fünf Verkehrsunfällen im Auswertezeitraum wurde jeweils eine Person getötet:
Es liegt keine Statistik zu sämtlichen Verkehrsunfällen mit Personenschaden im Schiffbeker Weg vor, die auf verbotene Kraftfahrzeugrennen zurück zu führen sind.
Im Bereich des Schiffbeker Weges sind mehrere durch unterschiedliche Faktoren ausgelöste Unfallhäufungsstellen (UHS) vorhanden. Diese befinden sich hauptsächlich an Kreuzungen und Einmündungen im gesamten Streckenverlauf, vergleichbar mit anderen Straßen gleichen Typs.
Bei 335 der 1.181 VU wurde „Geschwindigkeit“ als Ursache festgestellt. Gleichwohl liegen im Auswertebereich aktuell keine Schwerpunkte oder Unfallhäufungen vor. In den weit überwiegenden Fällen handelt es sich bei diesen VU mit der Ursache „Geschwindigkeit“ lediglich um Auffahrunfälle in Verbindung mit anhaltenden oder vorausfahrenden / wartenden Fahrzeugen sowie um Unfälle, die aufgrund der äußeren Umweltfaktoren geschehen sind.
b) Eine Bewertung, inwiefern auf dem Schiffbeker Weg eine besondere Gefahrenlage besteht.
Der Schiffbeker Weg wird mit einer durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke von 24.000 Fahrzeugen als Hauptverkehrsstraße eingestuft. Die Verkehrsunfalllage im Schiffbeker Weg entspricht vergleichbaren Straßenzügen im Hamburger Stadtgebiet. Aktuelle Schwerpunkte oder Unfallhäufungen zur Hauptunfallursache „Geschwindigkeit“ liegen nicht vor. Dementsprechend liegt für den Schiffbeker Weg keine besondere Gefahrenlage vor.
c) In welchem Umfang werden auf dem Schiffbeker Weg Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt?
Die Geschwindigkeitsüberwachung (GÜ) ist fester Bestandteil der allgemeinpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung. Die Intensität von Maßnahmen der GÜ bemisst sich dabei neben personeller und materieller Ressourcen insbesondere an der Verkehrsunfalllage. Vor diesem Hintergrund erfolgt die priorisierte Überwachung von Örtlichkeiten mit entsprechenden Unfallhäufungen.
Gleichwohl im Bereich des Schiffbeker Weges aktuell keine Schwerpunkte oder Unfallhäufungen aufgrund der Unfallursache „Geschwindigkeit“ vorliegen, wird dieser Straßenzug regelmäßig an wechselnden Standorten und zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten durch die Polizei im Rahmen der Geschwindigkeitsüberwachung überprüft.
Auf dem gesamten Streckenabschnitt des Schiffbeker Weges wurden im Zeitraum vom 2022–2024 (Stichtag 14.10.2024) insgesamt 86 Messungen mit mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen durchgeführt (2022: 26; 2023: 31; 2024: 29).
81 der 86 Messungen wurden mittels GüKW durchgeführt. Dabei erreichten oder überschritten von 138.903 gemessenen Fahrzeugen insgesamt 7.393 Fahrzeuge den Grenzwert. Dies entspricht einer prozentualen Auslösequote von 5,3 %, was auf ein unauffälliges Geschwindigkeitsniveau hinweist.
Bei fünf Messungen handelt es sich um den mehrtägigen (24/7) Einsatz von mGÜA. Dabei wurden 330.121 Fahrzeuge angemessen, von denen 1.265 den Grenzwert erreichten oder überschritten (0,39 %, völlig unauffällig). Die Ergebnisse einer weiteren in der 42. KW durchgeführten mGÜA-Messung liegen noch nicht auswertbar vor.
Darüber hinaus wurde zur weiteren Verifizierung des Geschwindigkeitsniveaus im Schiffbeker Weg die verdeckte Aufstellung eines Verkehrsstatistikgerätes initiiert. Die Ergebnisse dieser einwöchigen Messung im Bereich Schiffbeker Weg, Höhe Sturmvogelweg (beide Fahrtrichtungen), attestieren, dass sich das grundsätzliche Geschwindigkeitsniveau des überwiegenden Teils der Verkehrsteilnehmenden in einem unauffälligen Rahmen bewegen. Nur vereinzelt sind demnach erhebliche Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit feststellbar.
Unabhängig davon kommt es auf derartigen gut ausgebauten und mehrspurigen Straßenzügen, insbesondere zu verkehrsärmeren Zeiten, vereinzelt durch Kraftfahrzeugführende zu erheblichen Geschwindigkeitsverstößen, oftmals begleitet durch störende und vermeidbare Lärmemissionen. Dies kann in der subjektiven Wahrnehmung der Anwohner die Annahme verstärken, dass allgemein ein überhöhtes Geschwindigkeitsniveau vorherrscht bzw. es regelmäßig zu erheblichen Überschreitungen der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit kommt.
d) mit den zuständigen Stellen zu erörtern, welche Maßnahmen kurz- und mittelfristig ergriffen werden können, um die Verkehrssicherheit auf dem Schiffbeker Weg zu erhöhen.
Zusätzlich zum Einsatz mobiler Geschwindigkeitsüberwachungstechnik erfolgt durch die Dienstgruppe Autoposer im gesamten Hamburger Stadtgebiet die schwerpunktmäßige Überwachung von lärmgetunten und technisch manipulierten Kraftfahrzeugen sowie der Einsatz von Videofahrzeugen zur Bekämpfung von Geschwindigkeits- und Aggressionsdelikten im Straßenverkehr. Für den Bereich des Schiffbeker Weges wurde die Dienstgruppe Autoposer sensibilisiert, dem Bereich insbesondere zur Nachtzeit Aufmerksamkeit hinsichtlich erheblicher Geschwindigkeitsverstöße oder verkehrsgefährdendem Fahrverhalten zu schenken.
Unabhängig der vorstehenden Unfallauswertung des Schiffbeker Weges wurde im Kreuzungsbereich Billstedter Hauptstraße / Schiffbeker Weg eine erhöhte Unfalllage aufgrund der Missachtung der dortigen Lichtzeichenanlage in Verbindung mit der Nichteinhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgestellt. Aus diesem Grund wird aktuell eine kombinierte stationäre Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage im Bereich der Kreuzung Billstedter Hauptstraße / Schiffbeker Weg errichtet. Mit einer Inbetriebnahme der Anlage ist Anfang November zu rechnen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Anlage auch spürbar positive Auswirkungen auf das Geschwindigkeitsniveau im südlichen Bereich des Schiffbeker Weges nach sich zieht.
Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) nimmt mit Schreiben vom 18.11.2024 wie folgt Stellung:
Der Schiffbeker Weg in Hamburg ist Teil des Hauptverkehrsstraßennetzes und bewältigt täglich etwa 30.000 Fahrzeuge, darunter rund 5 % Schwerlastverkehr. Diese Hauptverkehrsstraße ist auf zwei Fahrstreifen pro Richtung ausgelegt, um den hohen Verkehrsfluss, einschließlich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sicher abzuwickeln. Die MetroBus-Linien 27 und 29 sowie die StadtBus-Linie 461 verkehren in diesem Abschnitt, und der Schiffbeker Weg ist eine wichtige Verbindung für den innerstädtischen Wirtschaftsverkehr.
Im Zuge der Lärmaktionsplanung wurde der Schiffbeker Weg als Lärmbrennpunkt identifiziert. Eine nächtliche Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 wird daher perspektivisch geprüft, kann aber derzeit noch nicht terminlich konkretisiert werden. Zudem ist der Schiffbeker Weg im Rahmen der Strategie zur Mobilitätswende und des Klimaplans als Fokusbereich ausgewiesen. Im Zuge dessen wird auch geprüft, ob eine Fahrspur sinnvoller für einen Bussonderfahrstreifen oder einen Radweg genutzt werden kann. Auch die Anpassung der Straßenräume an die zunehmenden klimatischen Herausforderungen wird langfristig relevant, jedoch gibt es derzeit noch keinen Zeitrahmen für eine detaillierte Prüfung.
In Zuge der zuvor benannten anstehenden Überprüfungen werden ebenfalls Anpassungen bzw. mögliche Umbauten zur Verbesserung der Radverkehrsanlagen im gesamten Straßenzug mitbetrachtet.
Petitum / Beschluss
Um Kenntnisnahme wird gebeten