Obdachlosigkeit langfristig beenden - Housing First umsetzen (Antrag der SPD-, CDU-, FDP-, DIE LINKE- und GRÜNEN-Fraktionen)
Obdachlose haben grundsätzlich einen Anspruch auf Unterbringung, nach dem ihnen eine Unterkunft ganztägig nicht nur zum Schutz gegen die Witterung, sondern auch sonst als geschützte Sphäre zur Verfügung steht. Zu dieser Bereitstellung einer Unterbringung sind in der Regel die Kommunen verpflichtet.
Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit stellt Metropolen vor große Herausforderungen. Hamburg hat bereits eines der engmaschigsten sozialen Hilfenetze deutschlandweit mit engagierten Trägern aus der Zivilgesellschaft und herausragenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.
Das Winternotprogramm wird stetig ausgebaut. Es bietet zwar einen wirksamen Erfrierungsschutz für alle Nutzerinnen und Nutzer, jedoch bietet es keine ausreichende langfristige Perspektive für Wege aus der Obdachlosigkeit. Konzepte des Infektionsschutzes sind während der Corona-Pandemie in Großunterkünften nur schwer umzusetzen und bieten keinen Rückzugsraum, um potenziellen Ansteckungen aus dem Weg gehen zu können. Außerdem ist die Privatsphäre in den Mehrbettzimmern immer wieder ein Thema, weil es an dieser Stelle immer wieder zu Beraubungen kommt und so auch keine erholsame Nachtruhe gewährt ist. Durch das sog. „3-Stufenmodell“ wird bereits in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft Wohnraum für wohnungslose Haushalte mit und ohne besondere Problemlagen zur Verfügung gestellt. Mit der jüngst von der Bürgerschaft beschlossenen Verdopplung der Plätze für Wohnungslose der sog. „Stufe 3“ steht weiterer individueller Wohnraum insbesondere für obdachlose Menschen zur Verfügung, die besondere soziale Schwierigkeiten, z.B. Suchterkrankungen haben und nur mit engmaschiger sozialpädagogischer Betreuung in die Lage versetzt werden können, ihre Alltagsanforderungen zu bewältigen.
In Hamburg leben nach den aktuellsten Zahlen (2018) rund 1900 Menschen auf der Straße. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 lebten lediglich 1029 Menschen ohne Obdach. Eine Steigerung von 86% - trotz des erwähnten Engagements und dem gestiegenen Budget für diverse Hilfemaßnahmen.
Nicht nur die anhaltende COVID-19-Pandemie, sondern auch Kriminalität, Entfernung, Lautstärke, wenig Schlafplätze für Hunde und der auf die Nachtstunden befristete Aufenthalt hält obdachlose Menschen davon ab, die Winternotunterkünften zu nutzen. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter können ihre Klienten oft nicht durchgehend und so intensiv betreuen, wie sie es sich wünschen und erforderlich wäre. Obwohl es geregelte Wege aus der Obdachlosigkeit gibt, sind diese aufgrund der individuellen Lebenssituation von obdachlosen Menschen leider oft nicht erfolgreich. Nach dem aktuellen Konzept müssen wohnungslose Menschen erst ihre Wohnfähigkeit nachweisen. Suchtprobleme, Sprachbarrieren, Krankheit sind nur ein Teil der Hürden, die es für Obdachlose zu überwinden gilt.
Wir wollen nicht den Status-Quo in Hamburg-Mitte verwalten, sondern Perspektiven schaffen, die das Leben der Betroffenen spürbar besser machen. Dafür gibt es Alternativen.
Wie im Koalitionsvertrag der SPD und Grünen auf der Ebene der Bürgerschaft beschrieben, sind sich die Regierungsparteien auf Landesebene bereits einig, dass neben der beschlossenen Verdopplung der sog. Stufe 3 Hilfen auch ein Modellprojekt zu Housing-First aufgelegt werden soll. Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist zwar eine gesamtstädtische Aufgabe, aber im Bezirk Hamburg-Mitte sind wegen der zentralen Lage besonders viele obdachlose Menschen anzutreffen sowie viele der sozialen Einrichtungen beheimatet. Daraus erwächst eine besondere Verantwortung, sich mit den Angeboten und Lösungsansätzen zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit auseinanderzusetzen. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte schließt sich daher gerne der Initiative der Regierungsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft an und möchte dieses Ansinnen ausdrücklich im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.
Gerade in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie ist weiterhin ein entschlossenes Vorgehen erforderlich. Der Bezirk Hamburg-Mitte bietet bereits jetzt mit Abstand die meisten Hilfsangebote der Stadt. Die meisten Wärmestuben und die größte Anzahl an Plätzen für das Winternotprogramm werden ebenfalls hier zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat das Bezirksamt der Sozialbehörde das „Haus im Park“ zur coronasicheren Unterbringung von Obdachlosen zur Verfügung gestellt. Nicht zuletzt wurde durch das Bezirksamt Hamburg-Mitte in Zusammenarbeit mit dem FC St. Pauli und dem Projekt GoBanyo eine ortsfeste, kostenlose und betreute Wasch- und Duschmöglichkeit für Obdachlose geschaffen.
Obwohl Hamburg deutschlandweit eines der besten Hilfesysteme und ein großes ehrenamtliches Hilfenetz für obdachlose Menschen bietet, sind leider im Winter 2020/2021 wieder mehrere Obdachlose in Hamburg auf der Straße verstorben. Durch die Corona-Situation besteht bei manchen obdachlosen Menschen ein Vorbehalt die Winternotprogramme der Stadt zu nutzen.
Die Unterbringung von wohnungslosen Menschen in Hotels in Hamburg hat gezeigt, welch positiven Einfluss ein eigener Rückzugsort hat. Die Menschen kamen zur Ruhe, konnten sich „sortieren“ und ihre nächsten Schritte planen. Auch die sozialen Träger profitieren von der erleichterten Erreichbarkeit ihrer Klienten und zogen ein positives Fazit. An dieser Stelle setzt auch Housing-First an und kann im Gegensatz zur temporären Hotelunterbringung einen langfristigen Lösungsansatz bieten.
Housing-First bedeutet, dass Obdachlose dezentral, ohne Vorbedingungen eine Wohnung (mit eigenem Mietvertrag) erhalten und nach dem Einzug sozialarbeiterische Unterstützung in Anspruch nehmen können, wenn sie das möchten. Im Gegensatz zu anderen betreuten Wohnformen entkoppelt folglich Housing-First das Mietverhältnis vom Unterstützungsangebot und setzt für den Bezug der eigenen Wohnung keine Bewährung in stufenweisen vorangehenden Hilfemaßnahmen oder die Bereitschaft zu Abstinenz, Therapie, beruflicher (Wieder-) Eingliederung oder anderen vereinbarten Hilfezielen voraus. Gleichzeitig macht ein multiprofessionelles Team ein ständiges, offensives und individuelles Unterstützungsangebot. Housing-First gibt es in verschiedenen Konzeptionen und mit verschiedenen Schwerpunkten. Der international erprobte Einsatz verspricht eine deutlich höhere Erfolgsquote in der Bekämpfung von Obdachlosigkeit als herkömmliche Ansätze. Housing-First wird seit den 90er Jahren in verschiedenen Ländern und vor allem großen Städten, wie beispielsweise Wien, erfolgreich zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit eingesetzt. Flächendeckend z.B. in Finnland: Eines der Länder, in denen die Obdachlosigkeit langfristig sinkt. Doch auch in Deutschland gibt es etwa 15-20 Projekte. 78-90 Prozent der Obdachlosen, die die Modellprojekte in Anspruch nahmen, leben nach zwei Jahren weiterhin in der Wohnung und werden auch psychisch stabiler. Belastbare Zahlen zur dauerhaften Finanzierung gibt es hier noch nicht. Doch aus anderen Ländern ist bekannt, dass die Finanzierung von Housing-First Projekten langfristig weniger kostenintensiv als herkömmliche Maßnahmen ist.
In diesem Zusammenhang sind insbesondere Fragen zu einer Konzeptionierung, möglichen Standorten, notwendigen finanziellen Mitteln sowie die Diskussion um die Notwendigkeit eines Betreibers mit den Fachbehörden, der Wohnungswirtschaft sowie freien Trägern der Obdachlosenhilfe zu erörtern.
Petitum/Beschluss:
Sachverhalt:
Obdachlose haben grundsätzlich einen Anspruch auf Unterbringung, nach dem ihnen eine Unterkunft ganztägig nicht nur zum Schutz gegen die Witterung, sondern auch sonst als geschützte Sphäre zur Verfügung steht. Zu dieser Bereitstellung einer Unterbringung sind in der Regel die Kommunen verpflichtet.
Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit stellt Metropolen vor große Herausforderungen. Hamburg hat bereits eines der engmaschigsten sozialen Hilfenetze deutschlandweit mit engagierten Trägern aus der Zivilgesellschaft und herausragenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.
Das Winternotprogramm wird stetig ausgebaut. Es bietet zwar einen wirksamen Erfrierungsschutz für alle Nutzerinnen und Nutzer, jedoch bietet es keine ausreichende langfristige Perspektive für Wege aus der Obdachlosigkeit. Konzepte des Infektionsschutzes sind während der Corona-Pandemie in Großunterkünften nur schwer umzusetzen und bieten keinen Rückzugsraum, um potenziellen Ansteckungen aus dem Weg gehen zu können. Außerdem ist die Privatsphäre in den Mehrbettzimmern immer wieder ein Thema, weil es an dieser Stelle immer wieder zu Beraubungen kommt und so auch keine erholsame Nachtruhe gewährt ist. Durch das sog. „3-Stufenmodell“ wird bereits in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft Wohnraum für wohnungslose Haushalte mit und ohne besondere Problemlagen zur Verfügung gestellt. Mit der jüngst von der Bürgerschaft beschlossenen Verdopplung der Plätze für Wohnungslose der sog. „Stufe 3“ steht weiterer individueller Wohnraum insbesondere für obdachlose Menschen zur Verfügung, die besondere soziale Schwierigkeiten, z.B. Suchterkrankungen haben und nur mit engmaschiger sozialpädagogischer Betreuung in die Lage versetzt werden können, ihre Alltagsanforderungen zu bewältigen.
In Hamburg leben nach den aktuellsten Zahlen (2018) rund 1900 Menschen auf der Straße. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 lebten lediglich 1029 Menschen ohne Obdach. Eine Steigerung von 86% - trotz des erwähnten Engagements und dem gestiegenen Budget für diverse Hilfemaßnahmen.
Nicht nur die anhaltende COVID-19-Pandemie, sondern auch Kriminalität, Entfernung, Lautstärke, wenig Schlafplätze für Hunde und der auf die Nachtstunden befristete Aufenthalt hält obdachlose Menschen davon ab, die Winternotunterkünften zu nutzen. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter können ihre Klienten oft nicht durchgehend und so intensiv betreuen, wie sie es sich wünschen und erforderlich wäre. Obwohl es geregelte Wege aus der Obdachlosigkeit gibt, sind diese aufgrund der individuellen Lebenssituation von obdachlosen Menschen leider oft nicht erfolgreich. Nach dem aktuellen Konzept müssen wohnungslose Menschen erst ihre Wohnfähigkeit nachweisen. Suchtprobleme, Sprachbarrieren, Krankheit sind nur ein Teil der Hürden, die es für Obdachlose zu überwinden gilt.
Wir wollen nicht den Status-Quo in Hamburg-Mitte verwalten, sondern Perspektiven schaffen, die das Leben der Betroffenen spürbar besser machen. Dafür gibt es Alternativen.
Wie im Koalitionsvertrag der SPD und Grünen auf der Ebene der Bürgerschaft beschrieben, sind sich die Regierungsparteien auf Landesebene bereits einig, dass neben der beschlossenen Verdopplung der sog. Stufe 3 Hilfen auch ein Modellprojekt zu Housing-First aufgelegt werden soll. Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist zwar eine gesamtstädtische Aufgabe, aber im Bezirk Hamburg-Mitte sind wegen der zentralen Lage besonders viele obdachlose Menschen anzutreffen sowie viele der sozialen Einrichtungen beheimatet. Daraus erwächst eine besondere Verantwortung, sich mit den Angeboten und Lösungsansätzen zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit auseinanderzusetzen. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte schließt sich daher gerne der Initiative der Regierungsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft an und möchte dieses Ansinnen ausdrücklich im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.
Gerade in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie ist weiterhin ein entschlossenes Vorgehen erforderlich. Der Bezirk Hamburg-Mitte bietet bereits jetzt mit Abstand die meisten Hilfsangebote der Stadt. Die meisten Wärmestuben und die größte Anzahl an Plätzen für das Winternotprogramm werden ebenfalls hier zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat das Bezirksamt der Sozialbehörde das „Haus im Park“ zur coronasicheren Unterbringung von Obdachlosen zur Verfügung gestellt. Nicht zuletzt wurde durch das Bezirksamt Hamburg-Mitte in Zusammenarbeit mit dem FC St. Pauli und dem Projekt GoBanyo eine ortsfeste, kostenlose und betreute Wasch- und Duschmöglichkeit für Obdachlose geschaffen.
Obwohl Hamburg deutschlandweit eines der besten Hilfesysteme und ein großes ehrenamtliches Hilfenetz für obdachlose Menschen bietet, sind leider im Winter 2020/2021 wieder mehrere Obdachlose in Hamburg auf der Straße verstorben. Durch die Corona-Situation besteht bei manchen obdachlosen Menschen ein Vorbehalt die Winternotprogramme der Stadt zu nutzen.
Die Unterbringung von wohnungslosen Menschen in Hotels in Hamburg hat gezeigt, welch positiven Einfluss ein eigener Rückzugsort hat. Die Menschen kamen zur Ruhe, konnten sich „sortieren“ und ihre nächsten Schritte planen. Auch die sozialen Träger profitieren von der erleichterten Erreichbarkeit ihrer Klienten und zogen ein positives Fazit. An dieser Stelle setzt auch Housing-First an und kann im Gegensatz zur temporären Hotelunterbringung einen langfristigen Lösungsansatz bieten.
Housing-First bedeutet, dass Obdachlose dezentral, ohne Vorbedingungen eine Wohnung (mit eigenem Mietvertrag) erhalten und nach dem Einzug sozialarbeiterische Unterstützung in Anspruch nehmen können, wenn sie das möchten. Im Gegensatz zu anderen betreuten Wohnformen entkoppelt folglich Housing-First das Mietverhältnis vom Unterstützungsangebot und setzt für den Bezug der eigenen Wohnung keine Bewährung in stufenweisen vorangehenden Hilfemaßnahmen oder die Bereitschaft zu Abstinenz, Therapie, beruflicher (Wieder-) Eingliederung oder anderen vereinbarten Hilfezielen voraus. Gleichzeitig macht ein multiprofessionelles Team ein ständiges, offensives und individuelles Unterstützungsangebot. Housing-First gibt es in verschiedenen Konzeptionen und mit verschiedenen Schwerpunkten. Der international erprobte Einsatz verspricht eine deutlich höhere Erfolgsquote in der Bekämpfung von Obdachlosigkeit als herkömmliche Ansätze. Housing-First wird seit den 90er Jahren in verschiedenen Ländern und vor allem großen Städten, wie beispielsweise Wien, erfolgreich zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit eingesetzt. Flächendeckend z.B. in Finnland: Eines der Länder, in denen die Obdachlosigkeit langfristig sinkt. Doch auch in Deutschland gibt es etwa 15-20 Projekte. 78-90 Prozent der Obdachlosen, die die Modellprojekte in Anspruch nahmen, leben nach zwei Jahren weiterhin in der Wohnung und werden auch psychisch stabiler. Belastbare Zahlen zur dauerhaften Finanzierung gibt es hier noch nicht. Doch aus anderen Ländern ist bekannt, dass die Finanzierung von Housing-First Projekten langfristig weniger kostenintensiv als herkömmliche Maßnahmen ist.
In diesem Zusammenhang sind insbesondere Fragen zu einer Konzeptionierung, möglichen Standorten, notwendigen finanziellen Mitteln sowie die Diskussion um die Notwendigkeit eines Betreibers mit den Fachbehörden, der Wohnungswirtschaft sowie freien Trägern der Obdachlosenhilfe zu erörtern.