22-4389.1

Appell zum Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum

Mitteilung öffentlich

Letzte Beratung: 14.03.2024 Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Ö 3.5

Sachverhalt

Die Bezirksversammlung hat in ihrer Sitzung am 25.01.2024 dem nachfolgend aufgeführten Antrag der CDU-, SPD- und FDP-Fraktion Drs. Nr. 22-4389 mehrheitlich - bei einer Gegenstimme der AfD-Fraktion und einer Enthaltung der AfD-Fraktion sowie einer Enthaltung der Fraktion DIE LINKE - zugestimmt.

 

 

Bei der aktuellen öffentlichen Diskussion in Hamburg um den künstlerischen Wettbewerb zur Realisierung des „Denk-Ortes für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ steht die Aufgabe eines anderen Kunstwerkes im Raum. Auf der Grünfläche Neuer Jungfernstieg / Lombardsbrücke an der Binnenalster soll dieser „Denk-Ort“nftig ein sichtbares Zeichen für Respekt und Anerkennung von Vielfalt in Hamburg setzen.

 

In dem offiziellen Auslobungstext heißt es dort: Im Ergebnis des Kunstwettbewerbs kann die Skulptur „Windsbraut“ des Hamburger Bildhauers Martin Rowoldt (1891-1969), die 1968 im Auftrag der damaligen Baubehörde an der Uferbegrenzung dieser Fläche aufgestellt wurde, an einen anderen Standort translosziert werden. Sie kann aber auch in den künstlerischen Entwurf einbezogen werden.“

 

Genau diese angedachte Umsetzung der Skulptur ist in der öffentlichen Diskussion streitig. Der   Denkmalverein Hamburg e.V. beispielsweise protestiert gegen die Versetzung. Die „Windsbraut“ ist nicht nur ein beliebtes Fotomotiv, sondern steht auch mit der Nummer 12938 und genau diesem örtlichen Kontext auf der Denkmalliste der Freien und Hansestadt Hamburg.

Es ist unstreitig, dass der neu zu schaffende „Denk-Ort“ entstehen soll und von gesellschaftlicher Bedeutung ist. Dafür darf aber kein anderes identitätsstiftendes Denkmal einfach aufgegeben und versetzt werden.

 

Neben der öffentlichen Diskussion um die Versetzung der Skulptur „Die Windsbraut“ gibt es in Hamburg-Mitte derzeit zwei weitere Kunstwerke im öffentlichen Raum, die durch städtebauliche Veränderungen bzw. Umnutzungen gefährdet sind:

Das Kunstobjekt "Sieben Orte für Hamburg" von F.E.W. [Name aus Datenschutzgründen entfernt] (1939) ist in seiner Gesamtheit nicht mehr im öffentlichen Raum wahrnehmbar. Eine der Stahlplatten der insgesamt sieben Platten des Kunstobjekts aus dem Jahr 1989 ist ursprünglich auf dem Deichtorplatz auf einer Verkehrsinsel verortet. Mit der Umgestaltung des Platzes wurde diese eine Stahlplatte des Gesamtkunstwerks eingelagert. Was derzeit mit dem Kunstobjekt passiert, ist ungewiss.

 

r U.R.s [Name aus Datenschutzgründen entfernt] (1938) Granitblock "Tempel“, der seit 1984 auf dem Hopfenmarkt steht, muss im Umfeld nach einem neuen Standort gesucht werden. Die Neu-Planungen nach einem Realisierungswettbewerb für den Hopfenmarkt berücksichtigen die Skulptur nicht. Es muss kurzfristig ein neuer Standort in der Nähe von St. Nikolai gefunden werden, da das Werk einen besonderen Bezug zu diesem Ort hat. Die Skulptur ist genauso ein Fragment wie die Ruine der St. Nikolaikirche, die nach den Kriegszerstörungen nicht vollständig wieder aufgebaut wurde und heute als Mahnmal und Museum dient.

 

Das Präsidium des Deutschen Städtetages hat sich bereits in seiner 393. Sitzung am 13.03.2013 in Heilbronn mit Fragen des Umgangs mit Kunst im öffentlichen Raum beschäftigt und hierzu in seinem Beschluss festgestellt, dass Kunst im öffentlichen Raum einen wirksamen Beitrag zu einem positiven Erscheinungsbild sowie zum kulturellen Profil der Städte leisten soll. Ihre Platzierung sollte auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes erfolgen, das planerische, baukulturelle sowie ggf. historische Aspekte einbezieht und Maßnahmen der Instandhaltung, Weiterentwicklung und der Vermittlung vorsieht. Kunst im öffentlichen Raum und Stadtentwicklungskonzepte sollten in einer ressortübergreifenden Planung entwickelt werden.

 

Das Präsidium hat weiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Kunst im öffentlichen Raum auch künstlerische Interventionen und Aktionen temporärer Art umfasst. Diese ermöglichen die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen der Stadtgesellschaft und schaffen neue Blickwinkel auf eine scheinbar vertraute Umgebung.

 

Der sorgsame Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum in Hamburg muss danach einerseits identitätsstiftend planerisch entwickelt werden und zum anderen temporäre Interventionen ermöglichen.

 

Dies vorausgeschickt beschließt die Bezirksversammlung:

 

Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, sich bei der Behörde für Kultur und Medien (BKM) und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) dafür einzusetzen,

 

  1. die Skulptur „Windsbraut“ nicht zu versetzen und in die Planungen um die Realisierung des „Denk-Ortes für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ an der Ecke Neuer Jungfernstieg / Lombardsbrücke unbedingt mit einzubeziehen;

 

  1. der einen Stahlplatte in Zusammenarbeit mit dem Künstler F.E.W. schnellstmöglich in der Umgebung des Deichtorplatzes wieder einen neuen Platz zu geben, damit das Kunstwerk wieder vollständig wahrzunehmen ist. Der Ort für die Aufstellung ist Bestandteil des Kunstwerkes, so dass die Hinzuziehung des Künstlers unabdingbar ist;

 

  1. kurzfristig für U.R.s Kunstwerk "Tempel“ einen neuen Standort in der Nähe von St. Nikolai zu finden und das Werk im öffentlichen Raum erlebbar zu erhalten;

 

  1. bei Neu- und Umplanungen sicherzustellen, dass rechtzeitig eine Beratung und ein transparenter Entscheidungsprozess über den Umgang mit davon tangierter Kunst im öffentlichen Raum erfolgt;

 

  1. dass für die künftige Neuschaffung von Kunst im öffentlichen Raum in Hamburg ein Gesamtkonzept im Zusammenwirken von BKM und BSW unter Beteiligung der Kunstkommission und der Stadtkuratorin erarbeitet wird.

 

 

 

Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) und die Behörde für Kultur und Medien (BKM) haben mit Schreiben vom 21.02.2024 (BSW) bzw. 13.03.2024 (BKM) Stellungnahmen zu dem Beschluss übermittelt.

 

Die BSW hat in ihrer Stellungnahme eingangs Folgendes mitgeteilt:

Die grundsätzliche Zuständigkeit für den Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum ist der BKM zugeordnet. Einzelheiten sind in der Verwaltungsanordnung über ‚Kunst im öffentlichen Raum geregelt (VA KiöR, vom 26.05.1981 mit Änderung vom 26.03.1996). Bei der BKM ist die Kunstkommission eingerichtet (Vorsitz und Geschäftsführung). Diese beschließt in Form von Empfehlungen an den Pses der BKM.“

 

Die weitere Stellungnahme der BSW und die Stellungnahme der BKM sind nachfolgend den einzelnen Punkten zugeordnet:

 

 

  1. die Skulptur „Windsbraut“ nicht zu versetzen und in die Planungen zur Realisierung des „Denk-Ortes für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ an der Ecke Neuer Jungfernstieg / Lombardsbrücke unbedingt mit einzubeziehen.

 

Stellungnahme BSW:

Die BSW empfiehlt, das Anliegen der Bezirksversammlung Mitte, die Skulptur „Windbraut“ nicht zu versetzen, in einem Juryvorgespräch im Kontext mit dem Rückfragenkolloquium nochmals zu erörtern und den Teilnehmenden des Wettbewerbs diese Entscheidung verbindlich vorzugeben.

Das Wettbewerbsverfahren zur Realisierung des „Denk-Ortes für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ wurde bereits mit den veröffentlichen Rahmenbedingungen gestartet. Das Verfahren kann aber - gemäß der Auslegung der Richtlinien für Wettbewerbe (RPW 2015, Hamburg, § 1 Abs. 1 r Wettbewerbe im Bereich Kunst und Design Anwendung finden“) durch eine nachträgliche Grundsatzentscheidung zum oder gegen den Verbleib der Skulptur am Standort ergänzt werden.

 

In § 5 Wettbewerbsdurchführung der RPW heißt es unter Abs. 1 Auslobung als Auszug zum Handlungsumfang von Kolloquien, hier Rückfragenkolloquium:
„… Kolloquien dienen dem Dialog zwischen Ausloberin bzw. Auslober und Teilnehmerinnen und Teilnehmern, zur Klärung von Rückfragen sowie der Präzisierung der Aufgabe. Das Protokoll wird Bestandteil der Auslobung…“

 

In Anlage IV der RPW werden die Vorgaben zur Durchführung und der Handlungsspielraum im Kontext mit der Auslobung ausführlich definiert:

Das Rückfragenkolloquium dient der Beantwortung schriftlich eingegangener und im Kolloquium mündlich gestellter Rückfragen der Wettbewerbsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Es sollte in der Regel im ersten Drittel der Bearbeitungszeit stattfinden.

Das Preisgericht sollte sich vorher zu den eingegangenen Fragen und den möglichen Antworten beraten. Allgemeine Wettbewerbsbedingungen dürfen durch die im Kolloquium getroffenen Festlegungen nicht verändert werden. Die Ergebnisse sind zu protokollieren; das Ergebnisprotokoll wird verbindlicher Bestandteil der Auslobung. Es wird an alle am Wettbewerb Beteiligten versandt.

Das Rückfragenkolloquium kann auch online/per Internet durchgeführt werden.“

 

Stellungnahme BKM:

Die Auslobungsunterlagen des Wettbewerbs enthalten den Hinweis explizit darauf, dass die „Windsbraut“ als Denkmal eingestuft wird und in ihrem künstlerischen Entwurf und ihrer künftigen Gestaltung unberührt bleiben soll. Im Rahmen eines Rückfragekolloquiums am 8. April 2024 haben die nach Bekanntmachung des Wettbewerbs vorausgewählten Künstlerinnen und Künstler die Gelegenheit, sich u.a. hierzu bei den zuständigen Ansprechpersonen zu informieren.

 

  1. der einen Stahlplatte in Zusammenarbeit mit dem Künstler F.E.W. schnellstmöglich in der Umgebung des Deichtorplatzes wieder einen neuen Platz zu geben, damit das Kunstwerk wieder vollständig wahrnehmbar ist. Der Ort für die Aufstellung ist Bestandteil des Kunstwerkes, so dass die Hinzuziehung desnstlers unabdingbar ist.

 

Stellungnahme BSW:

Die BSW begrüßt eine adäquate Lösung für das Kunstobjekt.

 

Stellungnahme BKM:

Der Künstler wurde seitens der BKM für März 2024 eingeladen, nach Hamburg zu kommen, um die siebte Platte zu verlegen.

 

  1. kurzfristig für U.R.s Kunstwerk "Tempel“ einen neuen Standort in der Nähe von St. Nikolai zu finden und das Werk im öffentlichen Raum erlebbar zu erhalten.

 

Stellungnahme BSW:

Die BSW ist seit Beginn des Projekts um eine adäquate Lösung für das Kunstobjekt bemüht und hat hierzu frühzeitig mit dem Künstler Kontakt aufgenommen, um Alternativstandorte abzustimmen. Nach längerem Abwägungsprozess ist der engere Kreis der Projektbeteiligten zu der Empfehlung gelangt, die Skulptur am jetzigen Standort zu belassen unter plangemäßer Veränderung seiner Einbettung. Die BSW hat diesen Vorschlag mit dem Künstler abgestimmt. Dieser ist grundsätzlich einverstanden und bittet um weitere Einbindung im Planungsverlauf.

 

Stellungnahme BKM:

Eine Begehung hat bereits am 31. August 2023 stattgefunden und die BKM hatte mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) drei neue Standorte in unmittelbarer Umgebung definiert. Nach eingehender Prüfung lautet die Empfehlung, die Skulptur am jetzigen Standort zu belassen.

 

  1. bei Neu- und Umplanungen sicherzustellen, dass rechtzeitig eine Beratung und ein transparenter Entscheidungsprozess über den Umgang mit davon tangierter Kunst im öffentlichen Raum erfolgt.

 

Stellungnahme BSW:

Die BSW begrüßt den Vorschlag.

 

Stellungnahme BKM:

Die Kunstkommission ist für eine entsprechende Beratung offen. Eine Transparenz des Entscheidungsprozess zum Umgang mit von Planungsprozessen betroffener Kunst im öffentlichen Raum wird ausdrücklich begrüßt.

 

  1. dafür zu sorgen, dass für die künftige Neuschaffung von Kunst im öffentlichen Raum in Hamburg ein Gesamtkonzept im Zusammenwirken von BKM und BSW unter Beteiligung der Kunstkommission und der Stadtkuratorin erarbeitet wird.

 

Stellungnahme BSW:

Die BSW befürwortet ein Konzept zur Zusammenarbeit der genannten Beteiligten.

 

Stellungnahme BKM:

Dies wird seitens der BKM ebenfalls begrüßt und bereits in vielerlei Hinsicht praktiziert. Auch die neue Stadtkuratorin soll eng eingebunden werden. In der Kunstkommission befinden sich zudem Vertreterinnen bzw. Vertreter der BSW, so dass auch über dieses Gremium eine regelmäßige Zusammenarbeit gewährleistet ist.

 

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

 

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