Umbenennung der Moltkestraße im Generalsviertel
Im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel befindet sich das Wohnquartier mit dem Namen „Generalsviertel“. Die sieben Straßen des Generalviertels sind nach preußischen Generälen benannt. Sie alle waren Befürworter der Behauptung, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Eine der Straßen ist nach dem General Graf von Moltke, genannt Moltke der Ältere, benannt. Er war der Ansicht Krieg sei ein, „Glied in Gottes Weltordnung“. So war es kein Wunder, dass er im Zuge der Inbesitznahme deutscher Kolonien in den 1880er Jahren, seine Bewunderung für das Vorgehen des „Kolonialpioniers“ Hermann von Wissmann äußerte, der die Aufstände der indigenen Bevölkerung brutal niederschlug: „Der Mann macht mir Freude. So einen habe ich gern. Der geht doch feste da unten vor und hängt die Schufte auf, da wo sie es verdienen.“ (1) .
Helmuth von Moltke der Ältere gilt bis heute als einer der bedeutendsten Befehlshaber der preußisch-deutschen Geschichte und verkörpert „wie kein anderer die militärischen Tugenden und Triumphe des Deutschen Kaiserreiches.“ (2)
Über Helmuth Graf von Moltke heißt es in einer Schrift, die sich mit Dortmunder Straßennamen beschäftigt „Moltke hat sich nicht nur um seinen Anteil für die erfolgreichen so genannten Deutschen Einigungskriegen verdient gemacht, die die Grundlage für spätere Angriffskriege und die Entstehung einer kollektiven deutschen Identität bildeten. Er gehörte auch schon früh zu den Befürwortern einer deutschen Expansion nach Übersee. ‚Als das Deutsche Reich in den 1880er Jahren ... in die Reihe der europäischen Kolonialmächte trat, verfolgte Moltke die Entwicklung der Kolonien mit Interesse. Große Bewunderung hegte er für die beiden ‘Kolonialpioniere’ Carl Peters und Hermann Wissmann wegen ihres ‘schneidigen Vorgehens’ gegen die einheimische Bevölkerung.‘“ (3)
Die Lebenseinstellung dieses Generals ist nach den leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege nicht vereinbar mit unserer heutigen Lebenseinstellung und unseren Gesetzen. So heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:
Art 26. (1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
Aus diesen Gründen sollte es an der Zeit sein, der Moltkestraße und dem gleichnamigen Spielplatz in der Straße einen antikolonialen- und antimilitaristischen Namen zu geben, wie z.B. in Stuttgart bereits geschehen. (4)
Weitere Infos über Helmut Graf von Moltke:
1964 widmete ihm die Deutsche Bundespost eine von E. und Gerd Aretz gestaltete Briefmarke aus einem Block zum 20. Jahrestag des 20. Juli 1944. Eine Briefmarke aus der Serie Aufrechte Demokraten zum 100. Geburtstag von Moltke und Claus Schenk Graf von Stauffenberg aus dem Jahre 2007 wurde von Irmgard Hesse entworfen.
Die Buchveröffentlichung Briefe an Freya 1939–1945 wurde 1989 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet.
Im Jahr 2001 stiftete die Deutsche Gesellschaft für Wehrrecht und Humanitäres Völkerrecht e. V. den Helmuth-James-von-Moltke-Preis für herausragende rechtliche Beiträge auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik.
1 Beirat zur Überprüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen
2 Zit. nach Meier, Beirat zur Überprüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen S. 154, a.a.O.
3 Wegweiser in die Vergangenheit. Fragwürdige Straßennamen in Dortmund
4 In der Nachkriegszeit benannte die Stadt Stuttgart den Moltkeplatz nach ihm, wo sich zuvor die – abgerissene – Moltkekaserne und eine Straße gleichen Namens befunden hatten, die allerdings nach seinem Urgroßonkel, Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke, benannt gewesen war.
5 Audrey Motaung
(21.5.1952 bei Pietersburg/Südafrika – 4.11.2019 Hamburg)
Sängerin, engagierte sich für Frauenrechte und gegen Rassismus.
Audrey Motaung wurde am 21.05.1952 nahe Pietersburg in Südafrika geboren, sang schon als Kind im Kirchenchor und widmete sich der traditionellen südafrikanischen Musik. [1] Sie zog Anfang der 1970-er Jahre wegen der besseren Möglichkeiten im Musik-Business nach Johannesburg. Sie wurde Backgroundsängerin und Percussionistin einer der damals bekanntesten südafrikanischen Rockbands namens „Hawk“. Gleichzeitig engagierte sie sich im vom Apartheid-Regime verbotenen African National Congress (ANC). Sie und ihre Familie waren politi-schen Repressionen ausgesetzt und das Leben in Südafrika bot ihr keine Zukunft. Deshalb emigrierte Audrey Motaung im Jahr 1976 zunächst nach London in Großbritannien und ließ sich ein Jahr später nach deutschlandweiten Auftritten in Hamburg nieder. Hier engagierte sie sich politisch weiter im Exil-ANC und vor allem gegen Rassismus und für Frauenrechte. Zunächst konnte sie nicht allein von der Musikkunst leben, sondern arbeitete unter anderem in einem Kaufhaus.
Die südafrikanisch-deutsche Künstlerin sang Klassik, Blues, Soul, Jazz, Gospel bis hin zu Rock. Audrey Motaungs professionelle Karriere nahm erst mit ihrem ersten Album zusammen mit ihrer Band Grace „African Sun“ (veröfffentlicht 1989) Anfang der 1990-er Jahre Fahrt auf. Ihre bekanntesten Alben wurden in der Folge veröffentlicht: „Colours Can’t Clash“ (1994), „Light“ (1995) und „The Best of Audrey Motaung“ (2000) sowie ein Gospelalbum „I Believe“ (2004).
1995 führte Audrey Motaung ihr Musical „Displaces Blacks“ im Rahmen der hamburgischen „ Hammoniale – Festival der Frauen“ auf. Hier eine spätere Beschreibung: „ ‘Displaced Blacks‘ … thematisiert Konflikte schwarzer Jugendlicher in Europa als Zwischenwelten: Zugehörigkeit bleibt ungewiss. Nach zwei Jahren Vorbereitung hat sie dieses Stück 1995 uraufgeführt. Mehr als zwanzig Jugendliche afrikanischer Herkunft aus Hamburg haben es zusammen mit Motaung einstudiert. Es verbindet den Rhythmus der Trommel, die Tänze des Schwarzen Kon-tinents und den großstädtischen HipHop mit Gospel und Balladen in Englisch und Deutsch. Das Musical hatte einen überragenden Erfolg dank der Courage und perfekten Darbietung aller Beteiligten. … Sie [Motaung] hat mit ‘Displaced Blacks‘ auch ihre Erfahrungen der Apart-heid und Diskriminierung in Europa verarbeitet.“ [2]
1996 bereiste Audrey Motaung ihre südafrikanische Heimat – bis 1990 hatte sie dort Auftritts-verbot – und sang auf Nelson Mandelas Geburtstagsfeier den von ihr schon 1989 komponier-ten Song „Mandela“. Sie und ihre Musik waren allerdings in ihrem Herkunftsland weniger bekannt als in Deutschland.
Neben ihrer Solokarriere arbeitete sie viel mit anderen Musikern zusammen und trat vor allem als Backgroundsängerin u. a. mit Emerson, Lake & Palmer, Terence Trent D’Arby, Michael Bolton, Bryan Jerry, Achim Reichel, Georg Danzer, Howard Carpendale und der NDR-Bigband auf.
Audrey Motaung begeisterte ihr Publikum nicht allein mit ihrer Stimme, sondern auch mit herzlichem Humor. So berichtete die Internetzeitung „Oberberg aktuell“ über ihren Auftritt 2002: „Schon die Begrüßung sorgte für die ersten Lacher: „Grüß Gott miteinander“ im tiefsten bayerischen Dialekt rief Audrey Motaung den Gästen in der Evangelischen Kirche Wiehl zu.“ [3]
Und ihr begegneten bei Auftritten auch Rassismus und Xenophobie. SPIEGEL ONLINE berichtete nach einem Interview mit Audrey Motaung 2002: „Audrey Motaung brach den Song ab. ‘Deutschland, Deutschland‘-Gejohle machte es ihr unmöglich, das gerade begonnene Konzert vor der Cottbuser Stadthalle weiter zu spielen. Die aus Südafrika stammende Hamburgerin war geschockt. Als Schwarze ist sie zwar immer wieder mit einem, wie sie es nennt, ‘normalen Rassismus‘ konfrontiert, der sich etwa in unverhohlenem Gaffen oder einem getuschelten ‘Kuck mal, Neger‘ äußert. Doch die massiven Störungen seitens einer Gruppe Naziskins waren für die Sängerin, die seit über 20 Jahren hier zu Lande Konzerte gibt, von bisher nicht erlebter Qualität. ‘Neger raus‘ skandierten die Glatzen, schwenkten eine Reichskriegsflagge und hoben zum Hitler- und Kühnengruß an. Konnte das sein? An einem Sommernachmittag im Zentrum einer bundesrepublikanischen Stadt? Vor den Augen Hunderter Zuschauer? In Anwesenheit der Veranstalter und von Streifenpolizisten, die Motaungs Schlagzeuger beim Betreten der Bühne noch gesehen hatte?
‘Ich fragte mich, ob ich von der Bühne gehen soll‘, beschreibt Motaung im Interview diesen Moment. ‘Ich hatte aber keine Lust, mich zu ducken.‘ Sie wand sich vor mittlerweile verstummter Menge an die Randalierer. ‘Was wollt ihr? Ihr schreit Deutschland. Ich liebe Deutschland genauso wie ihr. Ich habe hier Familie, Verwandte und Bekannte. Arbeite und erbringe meinen Beitrag zur Gesellschaft. Wollt ihr eine Nationalhymne? Okay.‘ Es folgte ein improvisiertes, bluesiges ‘Ich liebe Deutschland‘, das die Ironie-resistenten Nazi-Hooligans gar mit anstimm-ten. Die ersten Skins verließen den Platz, aber nicht ohne zuvor vor der Bühne auszuspucken und die Sängerin und ihre ‘schwarz-weiße‘ Band hassvoll anzustarren.“ [4]
Audrey Motaung trat auch als TV-Schauspielerin auf. Sie spielte in bekannten Fernsehformaten wie dem „Tatort“ („Dschungelbrüder“ 2003) und dem „Großstadtrevier“ („Mit einem Bein im Knast“ 1997) mit. Auch im französischen Film „Une grande fille comme toi“ (2003) wirkte sie mit.
In dem Film „Anam – Meine Mutter“ (2000), einer Emanzipationsgeschichte einer türkischen Reinigungsfrau, spielte sie als deren Kollegin eine auf sie zugeschnittene Paraderolle: „Die Südafrikanerin Didi [Audrey Motaung] setzt gegen alle Unbill einen fast kindlichen Lebensmut und hat auch oft ein passendes Gebet parat. Wenn das nichts hilft, schmettert sie stimmgewaltig einen Song gegen die Sorgen.“ [5] Auch im Hörspiel „Delta“ (1995) über den Blick der Menschen aus Delta in Nigeria auf Deutschland wirkte sie mit.
Audrey Motaung gab ihre künstlerischen Fähigkeiten an zwei ihrer insgesamt vier Kinder weiter. Ihre Tochter Ghee Diakhate-Motaung stand bereits mit elf Jahren zusammen mit ihrer Mutter auf der Bühne, ist ebenfalls Sängerin, schreibt und komponiert für sich selbst und andere Künstler, steht aber auch am Mischpult und arbeitet als Produzentin. [6] Der Sohn Kaylo Motaung ist ebenfalls Sänger.
Bereits 2004 hatte Audrey Motaung einen ersten Schlaganfall erlitten und einige Jahre später einen zweiten. Audrey Motaung ist am 04.11.2019 in Hamburg nach langer schwerer Krankheit verstorben. Die Trauerfeier fand in der Hamburger St. Petri-Kirche statt, auf der Ghee Diakhate-Motaung und Kaylo Motaung zum Abschied für ihre Mutter sangen. Audry Motaungs südafrikanischer Produzent ihrer Musikalben, Patrick Lee-Thorpe, berichtete über die Trauerfeier: „At the end of the service, members of to family were joined by closed friends to sing and clap and say their goodbyes. There was a little bit of African in the air.” [7]
Das Jazzbüro Hamburg kondolierte mit den Worten: “A great voice, a loving soul …. RIP Sister Audrey. May pure enjoyment and happiness surround you from now.“ [8] Audrey Motaung war Christin und glaubte an die Auferstehung. Dann werde es nicht mehr wichtig sein, „… wer Christ oder Muslim ist, schwarz oder weiß. Wir werden einfach Kinder Gottes sein.“ [9]
Text: Ingo Böhle / https://www.hamburg.de/frauenbiografien/
Quellen:
1 Alle Angaben zu Lebenslauf und Musik stammen aus einem SPIEGEL ONLINE-Artikel aus 2002: www.spiegel.de/kultur/musik/jazzsaengerin-motaung-nur-ein-schulterklopfen-a-213679.html und Patrick Lee-Thorp (06.11.2019): Moreta O Rata Kagiso –Audrey Motaung, http://leethorpentertainment.blogspot.com/2019/11/morena-o-rata-kagiso-audrey-motaung.html.
2 Carmine Chiellino (Hg.): Interkulturelle Literatur in Deutschland: Ein Handbuch, 2016, S. 320.
3www.oberberg-aktuell.de/index.php?id=144&tx_ttnews[tt_news]=19130.
4www.spiegel.de/kultur/musik/jazzsaengerin-motaung-nur-ein-schulterklopfen-a-213679.html.
5 Frank Ehrlicher, in Moviemaster 10.01.2019, https://www.moviemaster.de/filme/film_anam-2001.htm.
6www.kulturlotse.de/event/journey-from-gospel-to-jazz-mit-ghee-diakhatemotaung-und-band-8453683198343519436.
7 Patrick Lee-Thorp (06.11.2019): Moreta O Rata Kagiso –Audrey Motaung, http://leethorpentertainment.blogspot.com/2019/11/morena-o-rata-kagiso-audrey-motaung.html.
8www.facebook.com/366319768610/photos/nach-langer-schwerer-krankheit-ist-die-in-s%C3%BCdafrika-geborene-und-in-hamburg-lebe/10157082442958611/.
9 Die meisten Deutschen glauben nicht an die Auferstehung, in Kath-Net, Katholische Nachrichten, http://www.kath.net/news/2044